Trumps Einreiseverbot:Die Schmalspur-Variante des "Travel Ban" - und ihre Folgen

Hanadi Al-Haj

Quälende Ungewissheit: Am Flughafen von Los Angeles wartet eine jemenitische Frau auf ihre Mutter, die aus Jordanien über Istanbul in die USA einreisen möchte. Im Hintergrund bieten Aktivisten kostenlosen rechtlichen Beistand an.

(Foto: AP)

Das neue Einreiseverbot von US-Präsident Trump ist weitaus schwächer als sein versprochener "Muslim Ban". Dennoch wirft es viele Fragen auf, die jetzt erneut vor Gericht landen.

Von Thorsten Denkler, New York

Ein Bild inniger Liebe: Zwei erwachsene Enkelinnen lehnen sich an ihre Großmutter. Unter dem blauen Kopftuch lugen die weißen Haare der Dame hervor. Alle drei lächeln, dass einem das Herz aufgehen muss. Darunter schreibt Elham Khatami: "Das ist meine liebe Großmutter." Und an US-Präsident Donald Trump richtet sie auf Twitter die Frage: "Sie sieht sie etwa aus wie eine Terroristin?"

Natürlich sieht sie nicht so aus. Aber seit vergangenem Donnerstag hat die Oma von Elham Khatami vorerst keine Chance, ein Visum für die USA zu bekommen. Sie ist aus Sicht der Trump-Regierung zu gefährlich, um ihre Enkelinnen zu besuchen. Nicht mal ein Touristenvisum dürfte ihr unter den neuen Einreiseregeln erlaubt werden, bekannt als "Travel Ban".

Auf Twitter posten inzwischen Tausende Betroffene unter dem Hashtag "#GrandparentsNotTerrorists", #GroßelternkeineTerroristen, Bilder von Omas und Opas, deren Visa-Anträge unter die neuen Regeln fallen würden. Die Bilder zeigen die ganze Absurdität des Travel Ban von Donald Trump. Einziger offizieller Grund für das Einreiseverbot nämlich ist, die USA vor Terroristen zu schützen.

Mit höchstrichterlicher Erlaubnis ist am Donnerstag eine Schmalspur-Variante des ursprünglich geplanten Einreiseverbots in Kraft getreten. Ende Januar hatte Trump eine erste Version unterzeichnet, wonach ab sofort die Einreise aller Personen aus sieben muslimisch geprägten Ländern verboten sein sollte. Das hatte zu erheblichem Chaos an Flughäfen geführt.

Das Einreiseverbot wurde umgehend von Gerichten kassiert. So erging es zunächst auch einem zweiten Anlauf im März. Demnach sollten lediglich keine neuen Visa mehr an Reisende aus nur noch sechs überwiegend muslimischen Ländern ausgestellt werden: Iran, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien und Jemen. Der Irak war von der Liste genommen worden. Gültige Visa und Greencards sollten vom Verbot unberührt bleiben. Für Flüchtlinge galt: keine Einreiseerlaubnis für 180 Tage.

Der Supreme Court hat diese zweite Version des Travel Ban am Montag vergangener Woche jedoch für zulässig erklärt - allerdings mit strengen Auflagen. Wer "enge Beziehungen" zu Personen oder Institutionen nachweisen könne, der müsse von dem Verbot ausgenommen werden.

Einige Zehntausend Menschen betroffen

Das ist schon sehr weit weg von dem totalen Einreiseverbot für alle Muslime, das Trump seinen Anhängern noch im Wahlkampf als "Muslim Ban" versprochen hatte. Im Mai erst wurde das letzte Dokument auf einer offiziellen Trump-Webseite gestrichen, dass noch den Begriff "Muslim Ban" enthielt.

Ein Einreiseverbot für Muslime hätte Hunderttausende Menschen betroffen. Jetzt geht es noch um einige Zehntausend, sagen Menschenrechtsgruppen. Das jetzige Einreiseverbot ist nach Einschätzung mancher Experten zudem nicht deutlich strenger als die ohnehin schon hohen Anforderungen für ein US-Visum. Was es allerdings nicht besser macht.

Umstrittene Definition von "enge Beziehungen"

Die Frage, was eine enge Beziehung zu einer Institution ist, ist zwar halbwegs plausibel geklärt: Ein konkretes Jobangebot reicht, die Einladung, an einem Kongress teilzunehmen, der Besuch einer Schule oder Universität.

Umstritten aber ist die Antwort der Trump-Administration auf die Frage, was "enge Beziehungen" zu Personen sind. Ein Visum können demnach die eigenen Kinder bekommen, Stiefkinder, Eltern, Schwiegereltern, -söhne und -töchter, Geschwister, und Ehegatten. Nicht aber Cousins, Nichten und Neffen, Onkel und Tanten und eben auch - Großeltern. Zunächst waren auch Verlobte vom Einreiseverbot betroffen. Das wurde aber wieder geändert.

Gegen diese enge Auslegung regt sich bereits erster Widerstand. Auch juristisch. Der Bundesstaat Hawaii hat das zuständige Bundesgericht angerufen. Der hawaiianische Justizminister Douglas Chin erklärte: Auf Hawaii gehörten auch jene Personengruppen zur engeren Familie, die die Trump-Regierung unter das Verbot gestellt habe. Die jetzigen Regeln würden den Geist der Supreme-Court-Entscheidung missachten.

Klären muss die Frage jetzt Richter Derrick K. Watson. Seine Entscheidung wird bis Donnerstag dieser Woche erwartet. Watson hatte schon den ersten und den zweiten Travel Ban aus dem Verkehr gezogen.

An diesem Montag hat das US-Justizministerium seine Stellungnahme an Watson übersandt. Es bittet den Richter, die Entscheidung doch dem Supreme Court zu überlassen. Ein recht durchsichtiges Manöver. Das Oberste Gericht wird frühestens ab Oktober in der Hauptsache über das Einreiseverbot entscheiden. Dann aber ist dessen 90-Tage-Gültigkeitsdauer längst abgelaufen. Ein Urteil hätte nur noch symbolische Bedeutung.

Die Klage aus Hawaii dürfte nicht die einzige bleiben. Jura-Professor Stephen Yale-Loehr etwa prophezeit, dass viele vor Gericht ziehen werden, wenn sie die Ablehnung von Visa-Anträgen erfahren. "Warum sollte eine Stiefschwester die Vereinigten Staaten besuchen dürfen, aber nicht die Großmutter?", fragt er.

Streit um die Zuständigkeit für Einreisefragen

Diesmal immerhin hat sich die Trump-Regierung bemüht, kein Chaos an den Flughäfen oder in den Botschaften zu produzieren. Wer eine gültige Einreiseerlaubnis hat, der kommt auch rein. Vereinbarte Termine für eine Visavergabe in den Botschaften sollen beibehalten werden. Es sollen auch Einzelfallentscheidungen möglich sein.

Zunächst bleibt der Einreisestopp für insgesamt 90 Tage gültig. In der Zeit will die Trump-Regierung die Einreisepraxis grundsätzlich überprüfen. Was immer das am Ende heißen mag.

In der Trump-Regierung ist bereits ein Streit darum entbrannt, wer künftig für Einreisefragen zuständig sein soll. Im Weißen Haus wird offenbar die Idee favorisiert, die für die Visavergabe zuständige Konsularabteilung aus dem Außenministerium von Rex Tillerson herauszulösen. Sie soll dem Ministerium für Heimatschutz von Minister John F. Kelly zugeordnet werden. Tillerson soll sich deswegen mit dem Präsidenten-Berater und Islam-Hasser Stephen Miller heftig gestritten haben. Die Abteilung ist die mit Abstand größte in Tillersons Haus.

Dass das jetzt gültige Einreiseverbot nicht viel strenger ist, als die ohnehin schon strengen Einreiseregeln in die USA, dürfte für sechs Teenager-Mädchen aus Afghanistan kein großer Trost sein. Sie wollten diesen Monat als Team an einem Roboter-Wettbewerb in Washington teilnehmen. Mädchen, die in Afghanistan Roboter basteln, das ist schon eine Sensation an sich.

Ihre Visa-Anträge wurden dennoch abgelehnt. Ihre Mentorin Roya Mahboob, Gründerin einer Softwarefirma in Afghanistan und erste Chefin eines Technologie-Unternehmens in dem Land, sagt, die Mädchen hätten danach den ganzen Tag geweint. Die 14 Jahre alte Fatemah, sagte der Zeitschrift Forbes: "Wir wollten der Welt zeigen, das wir das können. Wir hätten nur diese Chance gebraucht."

Afghanistan ist nicht auf der Liste der vom Travel Ban betroffenen Staaten. Die USA scheinen derzeit einfach nicht der richtige Ort zu sein, um auf solche Chancen zu hoffen.

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