Trumps Einreisestopp:Trumps Dekret ist unamerikanisch und unmenschlich

Trumps Einreisestopp: Donald Trump verrät mit dem Dekret amerikanische Ideale.

Donald Trump verrät mit dem Dekret amerikanische Ideale.

(Foto: AFP)

Der neue Präsident verweigert Menschen aus sieben muslimisch geprägten Ländern die Einreise in die USA - und verrät damit uramerikanische Ideale. Nicht nur das macht fassungslos.

Kommentar von Matthias Kolb, Washington

Nur wenige außerhalb der USA kennen Joseph A. Califano Jr. und auch in seiner Heimat erinnern sich nur Polit-Junkies an den Demokraten. Califano war unter Präsident Jimmy Carter für die Bereiche Gesundheit, Bildung und Wohlfahrt zuständig und von ihm stammt ein höchst aktueller Satz. 1979 beriet der Kongress über den Refugee Act und Califano rief den Abgeordneten zu: Der Umgang mit Flüchtlingen "offenbart der Welt - und noch wichtiger uns selbst -, ob wir wirklich unseren Idealen gerecht werden oder ob wir diese einfach nur in Denkmäler eingravieren."

Mit seinem Dekret, das Menschen aus Syrien und sechs weiteren Ländern die Einreise in die USA verweigert, verrät US-Präsident Donald Trump diese Ideale. Es widerspricht der amerikanischen Verfassung, Menschen aufgrund von Religion zu diskriminieren (Christen werden bevorzugt) und es untergräbt alles, wofür die USA stehen wollen und weshalb sie für sich in Anspruch nehmen, "außergewöhnlich" zu sein. Es ist ein Verrat an der Geschichte eines Einwanderungslandes, das seit Jahrhunderten Menschen aus aller Welt eine Chance gibt, ihr persönliches Glück zu erreichen.

Diese pursuit of happiness führte dazu, dass Friedrich Trumpf seine Heimat in der Pfalz verließ und in die USA auswanderte - nur so konnte sein Enkel Donald erst sehr reich und dann US-Präsident werden. Trumps Vorfahren waren Teil der "müden, armen, zusammengekauerten Massen", die in den USA "frei atmen" wollten - und sie fuhren auf ihrem Weg zu Ellis Island an der Freiheitsstatue vorbei, auf deren Podest diese Zeilen bis heute daran erinnern, dass die USA stolz darauf sind, ein Einwanderungsland zu sein.

Dass der New Yorker Senator Chuck Schumer nun sagt, dass der Freiheitsstatue die Tränen die Wangen hinunter laufen, trifft das Gefühl von unzähligen Menschen in den USA und in aller Welt, die an das gute Amerika glauben wollen. Trump ist erst eine Woche im Amt und er hat dem Ansehen der ältesten Demokratie schweren Schaden zugefügt.

Vieles an diesem Dekret macht fassungslos. Dass Trump die Order ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag unterzeichnet hat (in seinem Statement zum Gedenken werden Juden nicht genannt), ist nur ein Faktor. Wie so oft bei diesem Präsidenten spielen Fakten keine Rolle: Das libertäre und den Republikanern nahe stehende Cato Institute hat berechnet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Amerikaner durch den Terroranschlag eines Flüchtlings getötet wird. Sie beträgt 1 zu 3,65 Milliarden - ein Blitzschlag ist wahrscheinlicher.

Trump und seine Berater machen schamlos Politik auf dem Rücken der Allerschwächsten: Keine Gruppe, die in die USA einreist, wird stärker überprüft als Flüchtlinge. Wenn dem neuen Präsident die Sicherheit seiner Bürger am Herzen liegt (ein legitimes und wichtiges Ziel), dann sollte er nichts anweisen, was den Propagandisten des "Islamischen Staats" in die Hände spielt: Aus dem Dekret die Botschaft "Wir halten alle Muslime für Terroristen" abzuleiten, ist nicht schwer.

Der neue Präsident nimmt im Dekret explizit Bezug auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center und das Pentagon. Selbst wenn man dieser Logik folgen möchte, lässt einen das Dekret ratlos zurück. Die Attentäter von 9/11 kamen nicht aus Syrien, Irak, Iran, Libyen, Somalia, Sudan oder dem Jemen. Sie stammten aus Saudi-Arabien und deren Bürger dürfen weiterhin in die USA einreisen.

Nicht alle konservativen US-Amerikaner unterstützen diese Politik

Es macht hoffnungsvoll, dass Bürgerrechtsgruppen wie die American Civil Liberties Union (ACLU) bereits Klagen eingereicht haben. Sie greifen sich Fälle heraus, welche die Absurdität der Trump-Anweisung herausstellen: Hamed Khalid Darweesh arbeitete zehn Jahre im Irak als Übersetzer für die US-Armee und soll nun ein Sicherheitsrisiko sein?

Alle Prognosen rund um Donald Trump sind riskant, aber längst nicht alle konservativen Bürger unterstützen diese Politik. Viele Veteranen und Soldaten sind beschämt darüber, wie quälend lange es dauert, jene Übersetzer aus Irak und Afghanistan in die USA zu bringen, die jahrelang ihr Leben riskiert haben und bis heute bedroht werden. Dass Staaten wie Kanada oder Dänemark dies längst getan haben, macht viele wütend.

Und auch beim gestrigen "Marsch fürs Leben", bei dem Tausende Abtreibungsgegner in Washington demonstrierten, konnte man viele kritische Stimmen hören: Es sei großartig, dass Trump gegen Abtreibung sei, doch seine Flüchtlingspolitik oder die Drohungen gegen Illegale stören viele Christen, die sich auf lokaler Ebene um Flüchtlinge (auch aus Syrien) kümmern. Sie wissen und spüren: Moralisch ist das alles nicht zu rechtfertigen und viel zu extrem.

Jenes Flüchtlingsgesetz, für das der heute 85-jährige Joseph A. Califano Jr. als Minister warb, wurde 1980 übrigens mit den Stimmen von Republikanern und Demokraten beschlossen. Es regelt seither den Prozess, wie die USA Menschen in Not aufnehmen. "Flüchtlingspolitik ist ein Test für jede Nation. Die USA haben diese Prüfung so viele Jahre lang bestanden, weshalb es eine Tragödie ist, dass das Land nun scheitert", schreibt der frühere britische Außenminister David Miliband in einem wütenden Beitrag für die New York Times, in dem er an Califanos bemerkenswertes Zitat erinnert.

Hoffnung auf ein baldiges Ende des Irrwegs

In den nächsten Tagen und Wochen werden US-amerikanische Gerichte über die Rechtmäßigkeit von Trumps Dekret urteilen - die Anwälte der Bürgerrechtsorganisationen haben sich für solche Fälle gerüstet. Hier liegt die Hoffnung all jener, die auf ein baldiges Ende dieses Irrwegs hoffen.

Weiter wachsen wird der Druck auf die Republikaner, die zeigen müssen, ob die von ihnen stets gelobte Verfassung wichtiger ist als ein Präsident, der nur zufällig das gleiche Parteibuch hat. Mike Pence, Trumps Vize, bezeichnete einen Einreisetopp für Muslime im Dezember 2015 noch als "verfassungswidrig und anstößig". Paul Ryan nannte die Idee im Winter 2015 einen "Widerspruch zu Amerikas Werten" und im Sommer 2016 "etwas, das nicht den Interessen der USA" diene.

Um Donald Trump zu zitieren: Diese Top-Republikaner müssen zeigen, dass dies nicht "all talk, no action" war, sondern ob sie bereit sind zu verteidigen, wofür Amerika steht.

In einer älteren Version dieses Textes stand, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Amerikaner durch den Terroranschlag eines Flüchtlings getötet wird, betrage 1 zu 3,65 Millionen. Korrekt muss es aber Milliarden heißen. Wir haben den Fehler korrigiert.

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