Süddeutsche Zeitung

Trumps Auftritt in Warschau:Ein Freund, ein guter Freund

  • Donald Trump besucht diesen Donnerstag Polen und wird in Warschau sprechen.
  • Der Besuch direkt vor dem G-20-Gipfel könnte der Beginn einer Interessengemeinschaft sein.
  • Polens Rechtsregierung ist in der EU weitgehend isoliert.

Von Daniel Brössler, Brüssel, und Florian Hassel, Warschau

Die PR-Strategen des Präsidenten hatten sich das gut überlegt. Vor dem großen Gipfel sollte es erst einmal schöne Bilder geben. Eine Rede vor einer großen Menschenmenge sollte zeigen, dass der neue Mann im Weißen Haus sich nicht nur in der Heimat, sondern auch in Europa auf zahlreiche Anhänger stützen kann. Und so redete Barack Obama am 5. April 2009 vor 30 000 begeisterten Menschen auf dem Vorplatz der Prager Burg.

Der Menge versprach er, nach einer "Welt ohne Atomwaffen" zu streben. "Wir müssen darauf beharren: Ja, wir können es", rief Obama noch einmal seinen Wahlkampf-Slogan in Erinnerung. Dann erst begann sein Gipfel mit den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union.

Nichts soll Trumps Darbietung stören

Bevor der G-20-Gipfel in Hamburg anfängt, wird nun an diesem Donnerstag auch Präsident Donald Trump vor einer Menschenmenge in Mitteleuropa sprechen. Nicht in Prag, aber in Warschau. Ausersehen dafür ist der Krasiński-Platz neben der Altstadt, einer der schönsten Flecken Warschaus, wenn auch ein eher kleiner.

Auf den Krasiński-Platz passen höchstens 15 000 Menschen. So müssen die Gastgeber wie auch Trumps Team keine leeren Stellen befürchten - oder gar Raum für Anti-Trump-Demonstranten. Nichts soll jene Darbietung stören, die auf "großartige Weise" die Verbundenheit mit Polen, einem "der engsten Freunde Amerikas", demonstrieren werde, wie es Trumps Sicherheitsberater Herbert McMaster formulierte.

Tatsächlich steckt natürlich mehr dahinter. Mit Sorge und zum Teil Verärgerung wird in Brüssel und in Berlin beobachtet, ob sich da in Warschau eine Art Allianz der Illiberalen formiert. In Polen ist Trump Stargast der "Drei-Meeres-Initiative". Mit dieser versucht Warschau, zwölf Staaten vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer als Gegengewicht zur Achse Berlin-Paris aufzubauen, die in Europa wieder an Bedeutung gewinnt. Der Auftritt des EU-kritischen US-Präsidenten zeige, "wie wichtig Polen in Europa ist und wie wichtig und perspektivreich die Drei-Meeres-Initiative", beteuerte Polens Präsident Andrzej Duda im regierungsnahen Wochenmagazin Do Rzeczy.

Der Besuch wurde erst Ende Juni fest vereinbart

Auf der Konferenz würden etwa amerikanische Flüssiggaslieferungen per Schiff besprochen, die "polnische Antwort" auf die geplante Nord-Stream-2-Pipeline zwischen Russland und Deutschland, ergänzte Wirtschaftsminister Mateusz Morawiecki. Und auf dem Krasiński-Platz hoffen die Polen auch auf ein Bekenntnis Trumps zu Artikel 5 des Nato-Pakts: der Beistandsgarantie für jedes angegriffene Mitglied.

Offizieller Warschauer Darstellung zufolge wurde die Trump-Reise monatelang vorbereitet. Tatsächlich aber hätten die Amerikaner noch im Mai eine Visite ausgeschlossen, zitiert die polnische Newsweek-Ausgabe einen Diplomaten. Erst nachdem Trumps erster Europa-Abstecher zum Nato-Gipfel und zum G-7-Treffen als Desaster geendet und der Präsident auch in Washington wegen der Russland-Kontakte von Vertrauten unter Druck geraten sei, habe das Weiße Haus einem Besuch im gleichermaßen amerikafreundlichen wie russlandfeindlichen Polen zugestimmt - als Gelegenheit für schöne Fernsehbilder im US-Frühstücksfernsehen, bevor in Hamburg beim Treffen mit Präsident Wladimir Putin oder mit Kanzlerin Angela Merkel möglicherweise neue Misstöne folgen.

So wurde der eigentlich im westpolnischen Breslau geplante Drei-Meeres-Gipfel nach der Trump-Zusage Ende Juni kurzfristig nach Warschau verlegt. Ein mit der Präsidenten-Visite betrauter polnischer Beamter bestätigte der ddeutschen Zeitung, dass sich "alles sehr kurzfristig abgespielt hat". Die Amerikaner hätten "in allen Fragen das Sagen und entscheiden über den Ablauf".

Die Warschauer Regierung hätte sicher nichts gegen einige Worte von Trump, mit denen er Polens Weigerung, Flüchtlinge aufzunehmen, unterstützen würde. Ohnehin glaubt sie, dass ihre nationalistischen und fremdenfeindlichen Parolen Trumps Positionen nahe stehen.

Kehrt die Unterscheidung vom neuen und alten Europa zurück?

Barack Obama hatte Warschau beim Nato-Gipfel im Sommer 2016 noch die Leviten gelesen, weil die Regierung das Verfassungsgericht entmachtet hat. Trump dagegen werde "Polen mit Sicherheit nicht belehren, wie Rechtsstaat, Demokratie und Verfassungsgericht funktionieren", sagt Ryszard Czarnecki, Europa-Parlamentarier der Regierungspartei PiS.

Tatsächlich könnte sich hier eine Interessengemeinschaft zwischen Warschau und Washington bilden. Polens in der EU weitgehend isolierte Rechtsregierung sucht Halt bei einem mächtigen Verbündeten. Doch auch Trump hat etwas davon. Zum einen kann er zeigen, dass er nicht überall in Europa als Klimakiller verachtet wird. Zum anderen muss es aus seiner Sicht verlockend sein, jene zu stärken, die Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron schwächen.

In Berlin fühlt man sich schon an die Unterscheidung zwischen gutem "neuen" und schlechtem "alten" Europa erinnert, die einst US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Streit über den Irak-Krieg eingeführt hatte. Parallelen werden auch gezogen zu den 16+1-Gipfeln, mit denen China östliche EU-Mitglieder an sich bindet.

Der Eindruck, sie seien Helfershelfer Trumps bei der Spaltung Europas, ist den meisten Mitgliedern der Drei-Meeres-Initiative indes unangenehm. Viele ließen die Bundesregierung sicherheitshalber wissen, sie hegten mitnichten solche Absichten. Vor allem Österreich und Rumänien distanzierten sich.

Kein polnisches "Großmacht-Konzept"

Auch eine Führungsrolle Polens wollen die meisten nicht hinnehmen. Ein polnisches "Großmacht-Konzept" sei für sein Land nicht akzeptabel, sagte ein tschechischer Diplomat der Gazeta Wyborcza. "Die Visegrád-Staaten haben kein Interesse an einer Schwächung Europas. Sie wissen, dass sie nur gemeinsam mit den anderen EU-Staaten erfolgreich sein werden", gibt sich der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, Manfred Weber, zuversichtlich.

Polens Regierung überlässt derweil nichts dem Zufall. Jeder PiS-Parlamentarier soll aus seinem Wahlkreis 50 Anhänger per Bus zum Trump-Auftritt nach Warschau bringen. Die Kosten übernimmt die Partei.

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Quelle:
SZ vom 05.07.2017
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