Süddeutsche Zeitung

USA:Wahlhilfe Ost

Trump rutscht in den nächsten großen Skandal, weil er die Ukraine um Wahlkampfhilfe bat. Aber warum schadet ihm nichts?

Von Hubert Wetzel

Das Gesetz ist streng: In einem amerikanischen Wahlkampf ist jedwede Hilfe aus dem Ausland rechtswidrig. Ein US-Staatsbürger handelt illegal, wenn er "im Zusammenhang mit einer Wahl einen Beitrag, eine Geldspende oder eine andere Sache von Wert" von einem Ausländer "erbittet, annimmt oder erhält". So ist es in Paragraf 30121 (a) des Wahlgesetzes festgeschrieben. Von Ausnahmen für einen gewissen Donald John Trump steht da nichts.

Wenn also der amerikanische Staatsbürger und Präsident Donald Trump im Jahr vor einer schwierigen Wahl den ukrainischen Staatsbürger und Präsidenten Wolodimir Selenskij auffordert, die dortige Justiz gegen die Familie eines gefährlichen demokratischen Widersachers vorgehen zu lassen, und dabei sogar Namen nennt, so kann man das durchaus als Gesetzesverstoß sehen. Joe Biden, verstrickt in Ermittlungen wegen der dubiosen Tätigkeit seines Sohnes Hunter für einen korrupten Gaskonzern in der Ukraine - das könnte für den Wahlkämpfer Trump "eine Sache von Wert" sein.

Und man muss gar kein besonders findiger Jurist sein, um von Paragraf 30121 des Wahlgesetzes eine Linie zu Artikel II, Abschnitt 4 der US-Verfassung zu ziehen. Darin heißt es, dass ein Präsident wegen "Verrats, Bestechung oder anderer Verbrechen und Vergehen" des Amtes enthoben werden kann. Krimineller Machtmissbrauch mit dem Ziel, eine Präsidentschaftswahl zu beeinflussen, dürfte diese Definition erfüllen.

Das ist die juristische Seite des Skandals, der sich derzeit in Washington entfaltet - ein durch und durch Trump'scher Skandal, wie man hinzufügen könnte: Der Präsident, der unter anderem mit der Hilfe Russlands ins Amt gekommen ist, sucht jetzt die Hilfe der Ukraine, um im Amt zu bleiben. Kein Wunder, dass die Demokraten toben und der Ruf nach einem sofortigen Impeachment anschwillt. Die Opposition hat es nicht geschafft, Trump mit der Russland-Affäre aus dem Amt zu jagen. Jetzt soll die Ukraine-Affäre, die rechtlich gesehen vermutlich sogar klarer ist, Trump zu Fall bringen.

Allerdings ist ein Impeachment eben keine juristische, sondern eine politische Angelegenheit. Und in dieser Hinsicht hat sich auch durch die jüngsten Enthüllungen bisher nichts verändert. Die Demokraten haben eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus, sie könnten Trump anklagen. Aber ihnen fehlt eine Mehrheit im Senat, um den Präsidenten schuldig zu sprechen und des Amtes zu entheben. Auch die meisten Bürger wollen keine Impeachment-Show, die kein Ergebnis bringt, sondern nur die Stimmung im Land weiter vergiftet. So verständlich der Zorn der Demokraten ist, so unklug wäre es daher, jetzt in ein politisch riskantes Amtsenthebungsverfahren zu stolpern,

Zumal auch Joe Biden in der Angelegenheit nicht gut aussieht. Eine zwielichtige ukrainische Gasfirma bezahlte seinem Sohn Hunter (der weder etwas vom Gasgeschäft noch von der Ukraine versteht) just in den Jahren sehr viel Geld, in denen der Vater als US-Vizepräsident für Amerikas Politik gegenüber Kiew zuständig war. Das ist für Washingtoner Verhältnisse ein ganz normales Maß an Korruption. Aber dass die Wähler das einfach tolerieren, hat auch schon Hillary Clinton gedacht - mit desaströsen Folgen. Es ist wohl kein Zufall, dass ausgerechnet ein Demokrat bisher nur recht leise über ein Impeachment redet: Joe Biden.

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SZ vom 23.09.2019/hij
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