Süddeutsche Zeitung

Trump vor US-Wahl 2020:"Die Mauer wird stärker, größer, besser und billiger"

  • Donald Trump hat in Orlando, Florida, offiziell seine Kandidatur um eine zweite Amtszeit verkündet.
  • Die Kernthemen seiner Rede: Wirtschaft, Einwanderung und die bösen Medien.
  • Trotz bester Voraussetzungen sehen die Umfragen Trump erstaunlich weit hinter den demokratischen Kandidaten.
  • Dass er für den Auftritt ausgerechnet Florida gewählt hat, sendet ein wichtiges Signal.

Von Thorsten Denkler, New York

Mehrere Hundert Trump-Fans haben die Nacht zum Dienstag in Zelten verbracht. Oder auch nur in Schlafsäcken unter freiem Himmel. Am Dienstagmittag warten bereits Tausende vor dem Amway Center in Orlando, Florida. Sie wollen zu den Ersten gehören, die am Abend in die Arena gelassen werden. Um sich die besten Plätze zu sichern, wenn ihr Präsident Donald Trump hier ganz offiziell seine Wiederwahlkampagne startet. 18 500 Menschen fasst die Arena. Sie füllt sich bis auf den letzten Platz. Die Menschen tragen Trumps rote "Make America Great Again"-Kappe und halten Schilder in die Höhe: "Four More Years" ("Vier weitere Jahre") und "Promises Made, Promises Kept" ("Versprechen gemacht, Versprechen gehalten").

Die Halle kocht, bevor Trump auch nur ein Wort gesagt hat. Als er, begleitet von seiner Frau Melania Trump, die Bühne betritt, schwillt der Jubel an. Draußen vor der Halle hat am Tag zuvor Jennifer Petito, 54, aus dem nahegelegenen Melbourne, gesagt: "Das ist eine ganz große Nummer hier. Das ist die Mutter aller Wahlkampfkundgebungen."

Es habe 120 000 Anfragen für Tickets geben, sagt Trump zu Beginn seiner Rede. Kann stimmen, muss aber nicht. Ist bei Trump schwer zu sagen. Vor der Halle stehen auf jeden Fall mehrere Videoleinwände für alle, die es nicht hinein geschafft haben.

Neues hat Trump nicht zu verkünden. Dass er wieder antreten würde, war klar. Seine Kernthemen sind nach wie vor: Wirtschaft, Einwanderung und die bösen Medien. In der ersten Minuten erklärt er die US-Wirtschaft zur stärksten in der Menschheitsgeschichte. Und schießt sich dann umgehend auf die angeblichen "Fake News" ein, die Medienvertreter, die im hinteren Teil der Halle seine Rede verfolgen. Was das Publikum jedes Mal mit Buhrufen und gesenkten Daumen Richtung Presse begleitet.

Trump behauptet auch, dass er gerade dabei sei, den Washingtoner "Sumpf" aus Lobbyisten und Interessenvertretern auszutrocknen. Dabei hatte er gerade diese Leute zu Dutzenden in seine Regierung geholt. Und er zieht - natürlich - über die vermeintliche "Hexenjagd" her, die Ermittlungen zu einer russischen Einmischung in den Wahlkampf 2016. Trump sagt, die Untersuchung habe nichts ergeben. Tatsächlich hat Sonderermittler Robert Mueller ziemlich klar gemacht, dass er zwar nicht an sichere Beweise für eine illegale Zusammenarbeit von Trump mit der russischen Regierung gelangt ist. Dass er aber Trump vom Vorwurf der Justizbehinderung definitiv nicht entlasten kann.

Auch die Grenze zu Mexiko bleibt Thema. "Baut die Mauer!", brüllen seine Fans. Und Trump verspricht, sie werde gerade in einem irren Tempo gebaut. "Ich habe das Design geändert. Sie wird stärker, größer, besser und billiger", sagt der Präsident. 650 Kilometer sollen bis Ende kommenden Jahres gebaut sein. Also bis zum Ende seiner ersten Amtszeit. Mehr als eine Willenserklärung ist das nicht. Noch hat ihm der Kongress kaum genug Geld bewilligt, bestehende Zäune und Befestigungen zu reparieren. Es gibt keinen Hinweis, dass unter Trump an Orten eine Mauer gebaut wurde, wo es bisher nur Wüstensand gibt.

Die Faktenchecker der Washington Post werden also wieder viel Arbeit damit haben, all die Unwahrheiten und Fehlinformationen zu identifizieren, die Trump hier von sich gibt. Ein üblicher Trump-Auftritt eben.

Und weil ja in seiner Amtszeit bislang alles sehr gut gelaufen ist aus seiner Sicht, hat er jetzt einen neuen Wahlkampfslogan: "Keep America Great!" ("Sorgt dafür, dass Amerika großartig bleibt!") Dann der entscheidende Satz: "Ich stehe vor euch, um offiziell meine Kandidatur für eine zweite Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten zu verkünden." Minutenlanger Applaus.

Das ist alles aber schon etwas anderes als vor vier Jahren. Am 16. Juni 2015 ist Donald Trump in seinem Trump-Tower an der Seite seiner Frau Melania die Rolltreppe heruntergefahren, um zu verkünden, dass er Präsidentschaftskandidat werden will. Ein paar Reporter und Kameraleute waren da und ein paar Dutzend Schaulustige. Jetzt kommt Trump als politisches Schwergewicht auf die Bühne. Fast 20 000 jubeln ihm zu. Er ist der Präsident der Vereinigten Staaten, der unbestrittene Führer der Republikaner, der Grand Old Party. Ein Rockstar für die politische Rechte in den USA.

2015 ging Trump als Lachnummer in die Vorwahlen der Republikaner. Viele amüsierten sich über ihn. Ein New Yorker Immobilien-Löwe und Reality-TV-Star im Weißen Haus? Undenkbar! Kaum einer wettete auf Trump. Spenden flossen nur spärlich. Seine Kampagne galt als unterfinanziert und hochgradig unprofessionell. Die guten Wahlkampfmanager arbeiteten für andere Kandidaten, für ernstzunehmende Kandidaten. Trump ließ sie alle hinter sich. Am Wahltag 2016 blieb ihnen das Lachen im Hals stecken.

Trump musste 2015 bei null anfangen. Und hat es ins Weiße Haus geschafft. Dieses Mal schwimmt er in Wahlkampf-Geld: 80 Millionen Dollar haben Trumps Kampagne und das Republican National Committee, der Kampagnen-Arm der GOP, schon jetzt auf der Bank; weit mehr als alle 24 demokratischen Bewerber zusammen.

Anders als 2016 arbeiten Trump und die GOP Hand in Hand. Das bedeutet: Trump kann auf die Ressourcen der Partei in allen 50 Bundesstaaten zurückgreifen. Alle, die irgendetwas mit Trumps Kampagne zu tun haben, durchlaufen ein Schulungsprogramm, in dem sie einerseits lernen, Budgets zu verwalten. Und andererseits, politische Gegner zu diffamieren, wie ein Teilnehmer es beschrieb. Die Trump-Kampagne läuft schon heiß, während die 24 demokratischen Kandidaten sich noch orientieren müssen, wo eigentlich der Startpunkt ist.

Seit Frühjahr 2017 bereitet ein 50-köpfiges Kampagnenteam in Arlington nahe Washington Trumps Wiederwahlkampagne vor. Geleitet wird es von Brad Parscale, einem ausgewiesenen Digitalstrategen. Er war schon 2016 Trumps Chef für digitale Medien.

Trump hat den Wahlkampfmodus seit seinem Amtsantritt praktisch nicht verlassen. So gut wie jeden Monat hielt er irgendwo im Land eine Kundgebung vor meist vollbesetzten Hallen ab. Sein Auftritt an diesem Abend in Florida ist der 60. dieser Art, seit er im Weißen Haus sitzt. Jeder seiner Tweets, jede Rede, jede Entscheidung war und ist Wahlkampf. Trump ist der wohl am besten vorbereitete Wahlkämpfer, den das Land je gesehen hat.

Tim Murtaugh, Kommunikationschef der Trump-Kampagne, sagte dem Online-Magazin Politico: "2016 haben Kampagnenmitarbeiter gerne gewitzelt, dass sie versuchen, ein Flugzeug zu bauen, während es fliegt. Diesmal haben wir eine Kampagne, die für einem amtierenden Präsidenten angemessen ist." Beste Voraussetzungen also für einen erneuten Wahlsieg 2020.

Der Abend in Florida zeigt: Trump gehen die Themen aus

Allerdings gibt es ein paar Umstände, die das Bild trüben. Auch wenn der Bericht von Sonderermittler Mueller keinen eindeutigen Beweis sieht, dass Trump mit Russland zusammengearbeitet hat, um die Wahl 2016 zu gewinnen, wird auf anderen Ebenen fleißig weiterermittelt. Bundesstaatsanwälte und diverse Ausschüsse im Kongress untersuchen unter anderem Trumps Finanzen, seine krummen Geschäfte, den Verdacht der Justizbehinderung und des Amtsmissbrauchs.

Und dann sind da noch die miesen Umfragewerte. Seit seinem Amtsantritt hat er es nicht geschafft, dauerhaft auf mehr als 42 Prozent zu kommen. Am Sonntag erst hat ausgerechnet Trumps Lieblingssender Fox News Umfragedaten veröffentlicht, nach denen er zum Teil deutlich hinter den wichtigsten Kandidaten der Demokraten zurückliegt. Im direkten Vergleich würden etwa 49 Prozent der Befragten für Joe Biden stimmen, dem aktuellen Frontrunner der Demokraten. Aber nur 39 Prozent für Trump. Neun Prozentpunkte liegen zwischen Bernie Sanders und Trump. Immerhin noch zwei Prozentpunkte führt Elizabeth Warren vor dem US-Präsidenten. Kamala Harris und Pete Buttigieg führen jeweils mit einem Prozentpunkt vor Trump.

Vergangene Woche wurden Umfragedaten öffentlich, die die Trump-Kampagne hat erheben lassen. Die Daten stammen von März und müssen Trump und seine Leute erheblich aufgeschreckt haben. Danach liegt Trump in sieben der elf am meisten umkämpften Bundesstaaten zum Teil deutlich hinter dem Demokraten Joe Biden. In den Rostgürtel-Staaten Michigan, Pennsylvania und Wisconsin liegt Trump zweistellig zurück. In Pennsylvania lag der Abstand bei 16 Prozentpunkten. Diese drei Staaten hatte Trump 2016 überraschend den Demokraten abgenommen und sich damit die Präsidentschaft gesichert. In Texas liegt Trump zwar vorn. Aber nur sehr knapp.

Der größte Rückschlag aber dürfte sein, dass Trump auch in Florida Biden zweistellig hinterherläuft. In Florida gewinnen zwar regelmäßig Republikaner, aber stets nur knapp. Auch Trump ist dort 2016 nur ein knapper, aber eben der mitentscheidende Sieg gelungen. 49,02 Prozent zu 47,82 Prozent lag er am Ende vorn. Die Florida-Daten sind wenige Stunden vor dem Auftritt von Trump in Orlando noch einmal von einer Umfrage der Quinnipiac University bestätigt worden. Nach deren Daten führt Biden vor Trump in Florida mit 50 zu 41 Prozent.

Florida ist der wichtigste "battleground state", das wichtigste Schlachtfeld. Wer hier nicht gewinnt und damit nicht die dort zu vergebenden 29 Stimmen im Wahlleutegremium, das letztlich den Präsidenten wählt, der hat es sehr schwer, ins Weiße Haus zu kommen. Der letzte Republikaner, der es geschafft hat, ohne Florida eine Präsidentschaftswahl zu gewinnen, war Calvin Coolidge im Jahr 1924.

Dabei hat sich Trump in den vergangenen beiden Jahren außerordentliche Mühe gegeben, den Menschen in Florida zu gefallen. Nach der verheerenden Hurrikan-Saison 2017 hat Trump Florida jede erdenkliche Hilfe zuteilwerden lassen. Mit seiner aggressiven Politik gegenüber linksgerichteten Staaten in Lateinamerika wie Venezuela und Kuba hat er Immigranten von dort auf seine Seite ziehen wollen, die in Florida besonders stark vertreten sind.

Außerdem ist Florida quasi Trumps zweite Heimat. In keinem anderen Bundesstaat hat er seit Amtsantritt mehr Zeit verbracht. Wenn auch hauptsächlich, um dort an Wochenenden in seinem "Winter White House" - wie er seinen Golfclub Mar a Lago nennt - Golf zu spielen.

Noch ist nichts gewonnen und nichts verloren. Bis zur Wahl im November 2020 ist es noch lange hin. Der Abend in Florida hat allerdings eines gezeigt: Trump gehen die Themen aus. Er hat keine neuen Anstöße, keine neuen Ideen. Er will einfach weitermachen wie bisher. Die Amerikaner müssen für sich klären, ob ihnen das reicht. Wenn nicht, dann haben die Demokraten eine Chance.

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