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Trump vor Treffen mit Kim Jong-un:Wie eine Kugel im Flipper

Lesezeit: 5 min

Trump wusste von sich schon mit 38, dass er der beste Verhandler in Sachen nuklearer Abrüstung wäre. Seine Präsidentschaft erzählt eine andere Geschichte.

Analyse von Thorsten Denkler, New York

Verhandlungen über nukleare Abrüstung? Wer wäre dafür besser geeignet als Donald Trump? Das wusste der schon im November 1984. Damals gab er der Washington Post ein Interview. Trump, zu dem Zeitpunkt 38 Jahre alt, hatte mit dem Geld seines Vaters ein paar beeindruckende Immobilien in New York entwickelt. Und in diesem Interview will er mit dem Reporter darüber reden, dass es keinen besseren geben kann als ihn, um mit der Sowjetunion über den Abbau von Atomwaffen zu verhandeln.

"Manche Leute haben die Fähigkeit zu verhandeln", sagte er in dem Gespräch. "Das ist eine Kunst, mit der manche geboren werden. Du hast es oder Du hast es nicht." Und er hat es einfach. Er würde schon wissen, was er den Russen zu sagen hätte. Aber das behält er natürlich für sich. Sollte er nicht auch etwas von Atom-Raketen verstehen? "Es würde mich eineinhalb Stunden kosten, alles über die Atom-Raketen zu lernen", sagt er. "Ich glaube, das meiste weiß ich ohnehin schon."

Wer hätte da ahnen können, dass Donald Trump heute, etwas über 34 Jahre später, die Gelegenheit bekommen würde, seine Fähigkeiten als Abrüstungsverhandler unter Beweis zu stellen. Der US-Präsident will sich mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un treffen. Am Freitag hatte Trump dessen Einladung zu einem Gespräch überraschend angenommen.

Die Details sind noch völlig unklar. Irgendwann vor Mai soll es passieren. Nordkorea soll dafür ein paar Vorbedingungen erfüllen. Kim hatte angeblich schon von sich aus angeboten, dass es vorerst keine weiteren Raketen- und Atomwaffentests geben würde.

Das klingt alles nach einer Riesenchance für den Weltfrieden. Es stellt sich allerdings die bange Frage, ob Trump sich mit der Aufgabe nicht etwas übernimmt. Als Präsident der Vereinigten Staaten hat er bisher jedenfalls wenig von seinem selbstbehaupteten Verhandlungs-Genie durchblicken lassen.

Sehr zum Leidwesen vieler, die mit ihm zusammenarbeiten müssen. Es hat alles keine Linie, beschwert sich der republikanische Abgeordnete Peter King aus New York. Trumps Haltung zu einzelnen Positionen ändert sich ständig. Auf nichts ist Verlass. Es sei mit Trump wie mit der Kugel in einem Flipper. Die springt auch völlig chaotisch hin und her.

Der republikanische Politikberater Rick Wilson - ein Trump-Kritiker - fasst es so zusammen: "Du kannst dich nicht auf Trump verlassen. Er ist nur der Erzähler seiner eigenen Geschichte." Er folge allein seinen Instinkten und Impulsen. Und keiner Art von moralischem oder philosophischem Kompass.

Nach dem Massaker an der High-School von Parkland in Florida etwa. Trump hat seine Positionen zu schärferen Waffengesetzen so oft verändert, dass die Abgeordneten im Kongress keinen Schimmer haben, was Trump tatsächlich will, ob er überhaupt etwas will. Und solange das so ist, sehen sich zumindest die meisten Republikaner im Kongress nicht gezwungen, über ein paar kosmetische Änderungen hinaus etwas an den Waffengesetzen zu ändern.

Erst fordert Trump bewaffnete Lehrer an den Schulen. Was er später relativierte. Dann überraschte er seine Republikaner, er könne sich auch schärfe Hintergrundchecks für Waffenkäufer vorstellen. Er schlug vor, die Polizei solle Waffen von offensichtlich überforderten Personen beschlagnahmen können, ohne dafür erst vor Gericht gehen zu müssen. Außerdem will er die Bump-Stocks verbieten, Plastikaufsätze, die aus halbautomatischen in ihrer Wirkung vollautomatische Gewehre machen. Und nicht zuletzt konnte er sich plötzlich vorstellen, den Waffenkauf grundsätzlich erst ab 21 Jahren zu ermöglichen.

Kurzdarauf traf er sich mit einem Vertreter der mächtigen Waffenlobby NRA. Und der ging offenbar hochzufrieden aus dem Gespräch. Und auch Trump twitterte ein dreifach Hoch auf die NRA. Vergangenen Donnerstag aber gratulierte er Florida zu seinen neuen Waffengesetzen. Gegen die die NRA jetzt vor Gericht zieht. Ende offen.

Oder das Beispiel Daca: Mit dem Programm werden Menschen vor Abschiebung geschützt, die als Kinder und Jugendliche illegal in die USA gebracht wurden. Mehrere hunderttausend Menschen haben damit dank eines Dekretes von Präsident Barack Obama ein Bleiberecht und eine Arbeitserlaubnis bekommen.

Trump hat das Dekret im Herbst mit einer Frist von sechs Monaten aufgehoben. Vorher war spekuliert worden, dass er das Programm sofort ganz aufheben würde. Aber dafür war der Widerstand auch unter Republikanern zu groß.

Trump hat dann den Kongress aufgefordert, eine gesetzliche Lösung zu finden. Nach einem ersten Gespräch mit führenden Demokraten waren diese sich sicher, dass es schnell zu einer Einigung kommen könnte. Dem widersprach dann Trump öffentlich.

Nach einem weiteren denkwürdigen Treffen von Republikaner und Demokraten im Weißen Haus im Januar dürfte dann manchem Republikaner der Mund offen gestanden haben. Trump versprach dort, jedes Gesetz zu unterschreiben, das der Kongress ihm vorlegen würde. Auch wenn darin allein die Daca-Frage geklärt werden würde.

Zuvor hatte er noch darauf gepocht, dass es die Erneuerung des Daca-Programms nur geben könne, wenn der Kongress Geld für seine Mauer zu Mexiko bereitstellt. Wofür es Stimmen der Demokraten braucht. Als ihm dann Demokraten und Republikaner so einen Nur-Daca-Entwurf vorlegten, wies er ihn zurück.

Trumps Regierung ist denkbar unvorbereitet auf Kim Jong-un

Erneut verknüpfte er Daca mit der Mauer-Frage. Legt dann aber ein Konzept vor, das fast allen Daca-Schützlingen den Weg zu einer US-Staatsbürgerschaft ermöglichen würde - was für einen Aufschrei unter Konservativen führte. Im Gegenzug fordert er von den Demokraten die Vollfinanzierung seiner Mauer. Und dazu noch das Ende der Greencard-Lotterie. Was die Demokraten weniger überraschend als unannehmbar zurückwiesen. Und Trump zum Anlass nahm, den Demokraten vorzuwerfen, ihnen wäre alles egal. Moment, wer hat nochmal das Daca-Programm beendet? Richtig, Trump war das.

Trump hat es mit seiner Verhandlungsführung geschafft, die eigenen Leute und die Opposition gegen sich aufzubringen.

So geht das mit vielen Themen, in denen er großes versprochen hatte. Trotz republikanischer Mehrheit in Senat und Abgeordnetenhaus hat er es weder geschafft, Obamas Gesundheitsreformen zurückzuschrauben - eines seiner größten Wahlversprechen. Noch ist sein Konzept einer Steuerreform angenommen worden. Es gibt zwar eine Steuerreform. Die unterscheidet sich aber von Trumps Vorstellungen erheblich.

Der angebliche Dealmaker Trump hat in seiner politischen Funktion noch keinen nennenswerten Deal zustande gebracht. Kein gutes Zeichen für die möglichen Verhandlungen mit Kim Jong-un.

Wer darauf hofft, dass seine Administration es schon richten wird, überschätzt die Lage. Das Weiße Haus kann Trumps Zick-Zack-Kurs kaum noch begradigen. Es fehlen einfach die Leute. Erst recht mit Blick auf die schwierigen Verhandlungen mit Nordkorea.

  • Kommunikationsdirektorin Hope Hicks galt noch als eine von denen, die Trumps spontane Bauch-Entscheidungen als irgendwie stringente Politik verkaufen konnte. Sie ist weg.
  • Trumps Stabschef John Kelly hat Disziplin in das Weiße Haus bringen sollen. Seine Affäre um großzügig vergebene Sicherheitsfreigaben hat allerdings jetzt auch Trumps Schwiegersohn Jared Kushner um den Zugang zu hochgeheimen Informationen gebracht. Sein Verhältnis zu Trump gilt als belastet. Auch weil er Trump mal als "uninformiert" bezeichnet hat, was die US-amerikanische Grenzsicherungspolitik abgeht. Kelly muss jetzt angeblich um seinen Job bangen.
  • Trumps oberstem Sicherheitsberater H.R. McMaster geht es kaum besser. Er und Trump liegen seit Monaten über Kreuz. Zuletzt hatte McMaster es gewagt, von unabweisbaren Belegen des FBI zu sprechen, dass Russland sich in die US-Wahl 2016 eingemischt hat. Trump leugnet bis heute, dass es eine Russland-Affäre gibt und hat McMaster öffentlich für seine Offenheit gerüffelt.
  • Außenminister Rex Tillerson gibt sein Möglichstes, um der US-Außenpolitik zumindest den Anschein einer gewissen Kontinuität zu geben. Auf intensive Verhandlungen mit Nordkorea ist aber auch sein Haus nicht vorbereitet. Wichtige Stellen in der Asien-Abteilung sind unbesetzt. In Südkorea, das eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen spielen dürfte, gibt es bis heute keinen von den USA entsandten Botschafter.
  • Im Februar erst hat mit Joseph Yun der Sonderbeauftrage des Außenministerium für die Nordkorea-Frage das Amt aus eigenen Stücken verlassen. Yun galt als der größte Experte im State Department für Nordkorea. Er hat das Thema über drei Jahrzehnte begleitet.

Trump-Verteidiger bleiben dabei: Trumps Unberechenbarkeit sei sein Erfolgsgeheimnis. Der Präsident sei allein am Ergebnis interessiert, sagt etwa der republikanische Senator Steve Daines aus Montana. Trump habe keine Angst, unterschiedlichste Ideen in die Debatte zu werfen. Das mache ihn so "effektiv". Alles in allem sei das doch sehr "erfrischend", sagt Daines. Es wäre gut, wenn Kim Jong-un das ähnlich sieht.

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