Soziale Medien:Trump sagt Twitter den Kampf an

Nachdem zwei seiner Tweets mit Warnhinweisen versehen wurden, droht der US-Präsident, Twitter und andere Anbieter dichtmachen zu wollen. Eine präsidentielle Verfügung sei in Vorbereitung. Twitter-CEO Dorsey sieht keinen Fehler bei sich.

Von Thorsten Denkler, New York

Auf Twitter liest sich Trumps Drohung martialisch. Der US-Präsident schrieb dort am Mittwoch, er könne sich vorstellen, Social-Media-Anbieter ganz zu schließen oder zumindest stark zu regulieren, wenn diese das Recht auf freie Meinungsäußerung beschnitten. Seine Sprecherin Kayleigh McEnany verriet später auf einem Flug von Florida nach Washington mitreisenden Journalisten, der Präsident plane zeitnah einer Art Verfügung zu unterschreiben, die sich gegen Anbieter wie Twitter, Facebook und Google richten könne. Was genau darin geregelt werden soll, hat sie nicht verraten. Jedenfalls könne er das Dokument noch an diesem Donnerstag unterschreiben.

Sprecherin McEnany nannte dafür denselben Grund, wie Trump in seinem Tweet: Republikaner hätten das Gefühl, dass "Social-Media-Plattformen die konservativen Stimmen völlig unterdrücken". Zutreffend ist allerdings vielmehr, dass einige Anbieter manche Beiträge und selten auch ganze Accounts der übelsten Verschwörungstheoretiker gelöscht haben. Davon waren bisher vermehrt Personen aus dem äußerst rechten Spektrum betroffen.

Präsident Trump reagierte mit seiner Drohung darauf, dass Twitter am Dienstag erstmals zwei seiner Tweets mit einem Warnhinweis versehen hatte. Nutzer, die auf den Hinweis klicken, gelangen auf eine von dem Unternehmen zusammengestellte Faktencheck-Seite. Trump hatte in den beiden beanstandeten Tweets fälschlicherweise behauptet, Briefwahl führe quasi automatisch zu Wahlbetrug. Darüber hat Twitter aufgeklärt, aber die Tweets nicht gelöscht. Trump hat die Behauptung seitdem noch weitere Male auf Twitter verbreitet.

Twitter hatte Anfang Mai erklärt, eine seit März bestehende Regel zu Falschinformationen in Bezug auf das Coronavirus auch auf andere Themen auszuweiten. Davon war jetzt zum ersten Mal offenbar auch Trump betroffen.

Die New York Times berichtet, dass Trump zwar weit davon entfernt sei, eines der Unternehmen kurzfristig zu schließen. Er scheine mit seinem Dekret aber die Social-Media-Unternehmen an anderer Stelle hart treffen zu wollen. Sie sollen nach der Aussage zweier Mitarbeiter der Trump-Regierung das über 25 Jahre alte rechtliche Privileg verlieren, weitgehend nicht verklagt werden zu können wegen Inhalten, die Nutzer auf ihren Plattformen verbreiten. Begründet werden soll dieser Schritt mit dem Vorwurf, dass diese Unternehmen die freie Meinungsäußerung behindern würden. Das Dekret werde allerdings derzeit noch bearbeitet und könne sich noch ändern.

Sollte es so kommen, dürfte das Dekret ziemlich wahrscheinlich vor Gerichten landen. Bis es da zu einer letztinstanzlichen Entscheidung kommt, dürfte die bisherige Regel wohl in Kraft bleiben. Trumps Interesse, Twitter und andere Plattformen umgehend dichtzumachen, dürfte nicht besonders ausgeprägt sein. Er hat allein auf Twitter 80 Millionen Follower, und damit eine Reichweite, auf die er wohl nicht so schnell verzichten wird. Sollte er sich aber mit seinem Dekret letztlich durchsetzen, dann wären die Unternehmen für alle Inhalte auf ihren Plattformen juristisch verantwortlich. Das könnte ihr Geschäftsmodell potenziell unmöglich machen.

Twitter- und Facebook-Chefs kommentieren das Geschehen

Die Warnhinweise haben Twitter auch so in eine schwierige Position gebracht. Bis jetzt zumindest hat Twitter es dabei belassen, die beiden Beiträge von Trump zum Thema Briefwahl mit einem Faktencheck-Hinweis zu versehen. Dabei stellt der Präsident in vielen Tweets falsche Behauptungen auf. Lässt es das Unternehmen bei den beiden Warnhinweisen, tappt es in eine Glaubwürdigkeitsfalle. Warnt es von nun an regelmäßig vor Trumps Tweets, läuft Twitter Gefahr, seine bislang neutrale Position zu verlieren.

Twitter-CEO Jack Dorsey hat sich inzwischen zu Trumps Drohung geäußert: Für das Vorgehen seines Unternehmens sei ultimativ nur er selbst verantwortlich, schrieb der 43-Jährige, und bat: "Bitte lass unsere Angestellten da raus." Trotzdem sah Dorsey wohl nicht ein, dass er sich entschuldigen müsse. Das Unternehmen werde weiterhin auf Falsch-Informationen, die Wahlen betreffen, reagieren - "weltweit". Das würde Twitter nicht zum "Gebieter über die Wahrheit" machen, sondern es gehe darum, Transparenz zu schaffen, so dass Twitter-User selbst entscheiden könnten, welchen Informationen sie glauben.

Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat die Vorgänge, die ja auch seine Plattformen betreffen, kommentiert. Er schien dabei sicherstellen zu wollen, dass seine Botschaft im Weißen Haus ankommt - und ließ sich von Trumps Lieblingssender Fox News interviewen.

Dort gab er erst Twitter einen Rüffel. Facebook und andere Plattformen sollten keine "Schiedsrichter über die Wahrheit sein", sagte er. Allerdings sei es auch keine "angemessene Reaktion", wenn Trump auf einen Faktencheck seiner Tweets mit Zensur reagiere. Er wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, welche Pläne Trump habe. "Aber im Allgemeinen scheint mir die Entscheidung einer Regierung, eine Plattform zu zensieren, weil sie sich Sorgen um Zensur macht, nicht gerade der richtige Weg."

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