Süddeutsche Zeitung

Syrien:Trump bringt Republikaner mit Syrien-Entscheidung gegen sich auf

  • Die USA haben sich lange gegen einen türkischen Einmarsch in Syrien gestellt, um ihre kurdischen Verbündeten zu schützen, ziehen nun aber Truppen ab.
  • US-Präsident Donald Trump droht der Türkei mit wirtschaftlicher Zerstörung. Zuvor hatte er noch seine Entscheidung verteidigt.
  • Die Bundesregierung und die EU warnten die Türkei vor einer Militäroffensive in Nordsyrien, die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) zeigen sich entsetzt.

Mit dem überraschenden Abzug amerikanischer Soldaten aus Nordsyrien hat US-Präsident Donald Trump eine Welle der Empörung ausgelöst. Auch und gerade aus den Reihen von Trumps Republikanern kam ungewöhnlich heftige Kritik. Führende Republikaner warfen Trump vor, die Kurdenmilizen in Nordsyrien im Stich zu lassen und damit ihr Leben angesichts einer erwarteten Militäroffensive der Türken aufs Spiel zu setzen. Die Entscheidung sei ein großer Fehler. Ankara bekräftigte, für eine Operation in Nordsyrien bereit zu sein.

Trump verteidigte seinen Vorstoß und drohte zugleich der türkischen Regierung mit schweren Konsequenzen, sollte sie inhuman handeln. "Wenn die Türkei irgendetwas unternimmt, was ich in meiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit für tabu halte, werde ich die türkische Wirtschaft vollständig zerstören und auslöschen", schrieb er auf Twitter.

Zunächst machte er nicht deutlich, was genau gegen seine "Weisheit" verstoßen würde. Später sagte er jedoch im Weißen Haus, sollte die Türkei sich nicht "human" verhalten, werde das schwere wirtschaftliche Konsequenzen für das Land haben. Ein klares Bekenntnis zum Schutz der bisherigen kurdischen Verbündeten, die gemeinsam mit US-Truppen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekämpft haben, machte er nicht.

Trump kritisierte erneut Staaten wie Deutschland und Frankreich, die sich geweigert hätten, ihre Staatsbürger unter den gefangen genommenen IS-Kämpfern zurückzunehmen. Es sei jetzt Aufgabe der Türkei und auch europäischer Länder, sich um diese gefangen genommenen IS-Kämpfer und deren Familien zu kümmern. Insgesamt handele es sich um 60 000 bis 70 000 Personen. Die USA seien nicht bereit dazu, für die Gefangenen aufzukommen.

Am Samstag hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan einen Militäreinsatz in Nordsyrien angekündigt. Das Weiße Haus hatte daraufhin signalisiert, dass die USA sich dem nicht in den Weg stellen würden. Es sei Zeit, aus den "lächerlichen endlosen Kriegen" herauszukommen, schrieb der US-Präsident auf Twitter. Es sei nun an der "Türkei, Europa, Syrien, Iran, Irak, Russland und den Kurden", die Situation zu lösen. "Wir sind 7000 Meilen entfernt und werden (die Terrormiliz; Anm. d. Red.) IS erneut niederschlagen, wenn sie irgendwo in unsere Nähe kommt."

Dass die USA den Türken damit offenbar freie Hand in Nordsyrien geben, stellt einen bedeutenden Umschwung in der US-Außenpolitik im Nahen Osten dar. Die Vereinigten Staaten rücken damit von ihren kurdischen Verbündeten ab, für deren Sicherheit sie bislang einstanden. Trump wurde dafür massiv kritisiert, etwa von seinem Vertrauten, dem einflussreichen republikanischen Senator Lindsey Graham. Die USA hätten das gefährlichste Signal überhaupt gesendet, schrieb Graham auf Twitter. Die USA zeigten sich als ein unzuverlässiger Partner und es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich China, Russland, Iran und Nordkorea gefährlich verhalten würden. Für den Fall einer türkischen Offensive kündigte Graham eine parteiübergreifende Resolution im Senat für Sanktionen an, außerdem werde er auf ein Aussetzen der türkischen Nato-Mitgliedschaft drängen.

Auch die Bundesregierung hat die Türkei vor einer Militäroffensive im Norden Syriens gewarnt. Ein "militärisches Eingreifen würde zu einer weiteren Eskalation in Syrien führen", sagte eine Regierungssprecherin. Sie zeigte jedoch gleichzeitig Verständnis für die Sicherheitsinteressen der Türkei im Grenzgebiet. Die Europäische Union forderte alle Konfliktparteien dazu auf, Feindseligkeiten einzustellen. Die EU respektiere die legitimen Sicherheitsinteressen der Türkei, sei aber überzeugt, dass es für den Syrienkonflikt keine militärische Lösung gebe, teilte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini mit. UN-Generalsekretär António Guterres ließ mitteilen, dass er insbesondere wegen der Gefahr für Zivilisten besorgt sei. Er rief zu "maximaler Zurückhaltung" aller Parteien auf.

Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Stephanie Grisham, hatte angekündigt, US-Truppen im türkisch-syrischen Grenzgebiet östlich des Euphrats würden türkischen Truppen den Weg frei machen für die von Ankara geforderte Sicherheitszone. Amerikanische Soldaten würden nicht unterstützen oder "in die Operation involviert sein". Sie seien nicht länger in der unmittelbaren Umgebung vertreten. Die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) teilten am Montag mit, der Abzug amerikanischer Truppen entlang der Grenze habe bereits begonnen. Das bestätigte auch Erdoğan.

SDF-Kämpfer verlangen Erklärung der USA

Die SDF-Kämpfer zeigten sich entsetzt. Sprecher Mustafa Bali warf den USA vor, zuzulassen, dass die Gegend zum Kriegsgebiet würde. Die Entscheidung von Trump ruiniere das Vertrauen in die USA. "Die US-Kräfte vor Ort haben uns gezeigt, dass sie Freundschaft und Allianz nicht wertschätzen", schrieb Bali auf Twitter. Die Menschen haben eine Erklärung verdient. In einer Mitteilung der SDF hieß es, eine türkische Militärintervention werde "eine gewaltige Auswirkung auf unseren Krieg gegen den IS haben".

Die kurdischen Kräfte waren im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) in Syrien Verbündete der USA. Sie trugen im Bodenkampf gegen den IS die Hauptlast.

Die kurdischen YPG-Milizen sind nun Ziel der türkischen Offensive. Sie kontrollieren die Grenzregion und werden von der Türkei als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit als Terrororganisation betrachtet. Die Türkei will das Gebiet südlich seiner Grenze zu Syrien seit Langem allein militärisch kontrollieren.

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