Süddeutsche Zeitung

Trump:Trump macht sich die Welt - widdewidde wie sie ihm gefällt

Die russischen Hackerangriffe auf die USA sind eine Attacke auf den Kern der Demokratie. Doch Trump ist unfähig, das zu erkennen, weil er nicht über seine eigene Person hinausschauen kann.

Kommentar von Hubert Wetzel, Washington

Man muss den amerikanischen Geheimdiensten nicht jedes Wort glauben. Die CIA und die NSA haben in der Vergangenheit genügend Mist verzapft, um eine gewisse Skepsis ihren "Erkenntnissen" gegenüber zu rechtfertigen. Und die Amerikaner brauchen offensichtlich auch keine russische Hilfe, um sich vor den Augen der Welt lächerlich zu machen. Das haben sie ganz gut alleine geschafft, als sie Donald Trump zum Präsidenten gewählt haben.

Aber darum geht es ja gerade nicht. Es geht nicht darum, ob Trump nun mit oder ohne Hilfestellung aus Moskau die Wahl gewonnen hat. Und es geht auch nicht darum, dass dieser oder jeder Geheimdienst die eine oder andere Meinung äußert.

Es geht um viel mehr: Russland hat, nach allem, was bekannt ist, durch gezielte Hackerangriffe, durch Datendiebstahl, Durchstecherei, Propaganda und Falschmeldungen versucht, Einfluss auf die amerikanische Präsidentenwahl zu nehmen. Ob Moskaus Einmischung nun zu Trumps Wahlsieg beigetragen hat oder nicht, ist zweitrangig. Auf jeden Fall war es eine Attacke auf das, was den Kern der Demokratie ausmacht - eine freie Wahl.

Der Egomane Trump ist unfähig, diesen Unterschied zu erkennen, weil er nicht über seine eigene Person hinausschauen kann. Er ist beleidigt, fast paranoid, weil er glaubt, man wolle seinen Sieg anzweifeln. Deswegen twittert er trotzig im Pippi-Langstrumpf-Modus vor sich hin: Ich mach' mir die Welt - widdewidde wie sie mir gefällt. Julian Assange hat aber bei Fox News gesagt, die Russen waren's nicht. Von dieser Position weicht er auch nach dem Treffen nach den Geheimdienst-Chefs im Trump Tower nicht wirklich ab.

Das ist so bizarr wie beispiellos. Der künftige Präsident der Vereinigten Staaten beruft sich auf den Wikileaks-Gründer, um die Einschätzung der eigenen Geheimdienste zu widerlegen. Das ist, als ersuche man Keith Richards um Rat für ein Leben in Abstinenz und Keuschheit.

Noch einmal: Man muss der CIA nicht alles glauben. Aber wenn alle amerikanischen Dienste zur gleichen Schlussfolgerung kommen, wenn die Indizien immerhin so solide sind, dass der noch amtierenden Präsident Barack Obama - nun wahrlich kein Kriegstreiber - auf dieser Grundlage Strafen gegen Russland beschließt, dann kann man nicht so tun, als sei alles nur eine Neidkampagne der Demokraten, die nicht verlieren können.

Für alle demokratischen Staaten, die geglaubt haben mögen, die USA stünden an ihrer Seite, ist Trumps Verhalten ein böser Schock. Jedes Land, das mit dem Kreml über Kreuz liegt, muss damit rechnen, das nächste Ziel zu werden. Wenn der neue US-Präsident nicht einmal die Demokratie in Amerika zu verteidigen bereit ist, warum sollte er dann die Demokratie irgendwo anders in der Welt verteidigen?

Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin - und alle anderen großen und kleinen Autokraten der Welt - ist Trumps Verhalten hingegen aus genau diesem Grund ein Anlass zur Freude. Sie wissen, wie machtvoll die Ideen sind, die sie unterdrücken müssen, um regieren zu können - Demokratie, Freiheit, Bürger- und Menschenrechte. Und sie wissen, dass diese Ideen in Amerika stets eine Schutzmacht hatten, auch wenn die Schutzmacht diese Ideen oft genug verraten hat.

Mit dem Amtsantritt von Trump wird sich das ändern. Er bewundert - wie viele Großmanager - Autokraten als Macher, die nicht rumquasseln, sondern handeln. Die Ideale, auf denen die liberale westliche Weltordnung fußt, zu denen unter anderem das freie Rumquasseln in Parlamenten und Öffentlichkeit, vor allem aber freie Wahlen gehören, werden in Amerika keinen Fürsprecher, keinen Verteidiger mehr haben. Das wird eine andere Welt.

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Quelle:
SZ vom 07.01.2017/olkl
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