Gewiss, am Freitag lag ein Hauch von Endzeitstimmung über dem Weißen Haus. Selbst Republikaner schüttelten den Kopf über den bizarren Auftritt des Präsidenten, in dem er über angeblichen Betrug und einen gestohlenen Wahlsieg lamentierte. Doch über eines darf das nicht hinwegtäuschen. Die Versuche von Trumps Wahlkampfteam, juristisch gegen die Stimmauszählung in den zuletzt umstrittenen Bundesstaaten vorzugehen, sind Teil einer orchestrierten Kampagne, öffentlich Druck zu erzeugen.
Und auch, wenn die bisher kaum greifbare Erfolge vor Gericht vorzuweisen hat, ein Ziel hat sie bereits erreicht. Die Verunsicherung in den USA wächst. Die Verunsicherung darüber, ob bei dieser Wahl alles mit rechten Dingen zugegangen ist und die Stimmen korrekt ausgezählt werden.
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In Georgia kündigten die Trump-Leute gleich bis zu einem Dutzend Klagen an. Eine erste hat ein Bezirksgericht nach einer Anhörung sofort verworfen. Ein republikanischer Wahlbeobachter wollte gesehen haben, dass in der demokratisch dominierten Großstadt Savannah Stimmzettel noch nach Schließung der Wahllokale angenommen wurden. Einen Beweis konnte er nicht vorlegen. Klage verworfen.
In Michigan wollten die Republikaner die Zählung wegen mutmaßlichen Wahlbetrugs anhalten lassen. Angesichts eines Vorsprungs von knapp 150 000 Stimmen für Joe Biden, erklärte die Richterin, sei es unwahrscheinlich, dass Manipulationen noch ins Gewicht fielen. Klage ebenfalls abgelehnt.
In dem Bundesstaat erstreckt sich die Kampagne auch auf die Senatswahl. Der republikanische Kandidat John James weigerte sich, den Sieg von Amtsinhaber Gary Peters anzuerkennen, weil die Demokraten eine Nachzählung ablehnen. "Wer dagegen ist, hat wohl etwas zu verbergen", raunte James. Beweise legte er ebenfalls nicht vor. Der Demokrat Peters hatte die Wahl mit 85 000 Stimmen Vorsprung für sich entschieden.
In Nevada wandten sich die Republikaner direkt ans Justizministerium in Washington (das vom Trump-Loyalisten William Barr geführt wird) und forderten eine sofortige Intervention. Angeblich seien mehr als 3000 Stimmen von Bürgern gezählt worden, die längst nicht mehr im Bundesstaat lebten. Biden führte zuletzt bei der Auszählung in Nevada mit nur 20 000 Stimmen.
In Pennsylvania scheiterten Trumps Leute mit dem Versuch, die Auszählung zu stoppen. Kleinere Erfolge errangen sie allerdings. So setzten sie durch, dass der Abstand zwischen Wahlbeobachtern und Auszählern verringert wurde - auf sechs Fuß, knapp zwei Meter, wie das die Corona-Regeln in dem Bundesstaat vorschreiben. Einer der Wahlbeobachter wurde indes rausgeworfen, weil er sich nicht an die Abstandspflicht hielt - was erneut für Aufregung sorgte und zu neuen Anschuldigungen führte. Ein Top-Berater Trumps, Jason Miller, schimpfte, dass in dem Bundesstaat "auf magische Weise ganze Säcke voller Wahlzettel in korrupten und verkommenen Wahllokalen auftauchen, die von Demokraten geleitet werden". Beweise blieb er schuldig.
Im Zentrum des Zorns der Republikaner steht in Pennsylvania Innenministerin Kathy Boockvar. Die Innenministerien der Bundesstaaten beaufsichtigen in den USA die Organisation der Wahlen. Der oberste Kampagnenmanager des Präsidenten, Bill Stepien, warf der demokratischen Politikerin Parteilichkeit vor und verlas vor Reportern einen Tweet Boockvars. "Den Titel Präsident vor dem Wort Trump zu benutzen, beleidigt das Amt", hatte sie 2017 geschrieben. Boockvar wies die Anschuldigung zurück. Es gebe keine Anhaltspunkte für Wahlbetrug. Den Tweet habe sie geschrieben, ehe sie ihr Amt antrat: "Im Innenministerium von Pennsylvania ist kein Platz für Parteilichkeit", sagte sie.
Tatsächlich bestätigte die überparteiliche Vereinigung der Wahlleiter des Bundesstaats, dass es bisher keinerlei Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gebe. In Pennsylvania war die Druckkampagne sogar einigen Republikanern zu viel. Senator Patrick Toomey sagte, die Vorwürfe seien "ohne Substanz". Der frühere Senator Rick Santorum, bisher ein Unterstützer Trumps, distanzierte sich ebenfalls: Briefwahlstimmen zu zählen, "ist kein Betrug".
Die größte Panne unterlief der Post
Auch in anderen Bundesstaaten wiesen die Behörden die Anschuldigungen zurück. Der Wahlleiter von Georgia, ein bekennender Konservativer, wies Zweifel am ordnungsgemäßen Verlauf der Auszählung in seinem Bundesstaat zurück. "Genauigkeit ist das Fundament dafür, dass die Menschen die Ergebnisse dieser Wahl anerkennen, seien sie nun auf der Seite der Gewinner oder der Verlierer."
Natürlich passierten auch Pannen bei der Abstimmung. Es gab Papierstaus in Stimmmaschinen. Ein Rohrbruch setzte einen Raum unter Wasser, in dem Briefwahlzettel lagerten. An der Golfküste mussten einige Wahllokale mit Notstromgeneratoren versorgt werden, nachdem der Hurrikan Zeta das Leitungsnetz beschädigt hatte. Aber das waren sozusagen die üblichen Beeinträchtigungen bei einer Wahl in den USA. Bestätigte Berichte über Versuche gezielten Wahlbetrugs gab es nicht.
Die größte Panne unterlief indes der US-Post. 150 000 Wahlbriefe blieben in Verteilzentren liegen oder wurden nach Schließung der Wahllokale ausgeliefert, davon 12 000 in den noch nicht abschließend ausgezählten fünf Bundesstaaten Arizona, Georgia, Nevada, North Carolina und Pennsylvania. In den kommenden Tagen dürften es noch mehr nicht beförderte Briefe werden. Dazu sind allerdings noch keine Klagen der Republikaner publik geworden. Bei den Briefwählern überwog der Anteil der Biden-Stimmen in der Regel bei Weitem.