Süddeutsche Zeitung

Russland-Affäre:Was Trump vom Mueller-Bericht zu befürchten hat

  • In der kommenden Woche wird Sonderermittler Mueller womöglich seinen Bericht zur Russland-Affäre an das US-Justizministerium übergeben.
  • Mueller sollte unter anderem herausfinden, ob Trump oder seine Leute mit Russland zusammengearbeitet haben, um die Wahl 2016 zu gewinnen.
  • Was von dem Bericht an die Öffentlichkeit gelangt, ist noch unklar.

Von Thorsten Denkler, New York

Seit gut zwei Jahren untersucht Sonderermittler Robert Mueller für das US-Justizministerium die Russland-Affäre. Sein Auftrag: Er soll herausfinden, ob und in welchem Umfang die russische Regierung Einfluss auf die US-Wahl 2016 genommen hat. Und ob das Wahlkampf-Team von Donald Trump oder er selbst mit der russischen Regierung zusammengearbeitet haben, um die Wahl zu gewinnen. Die Hinweise verdichten sich, dass Mueller möglicherweise schon in der kommenden Woche seinen Bericht an Justizminister William Barr übergibt, der seit seinem Amtsantritt vor wenigen Wochen die Aufsicht über die Ermittlungen führt. Muellers Mitarbeiter wurden dabei gesichtet, wie sie Pappkartons mit Akten aus ihren Büros geschafft haben. Die diversen Chefs der ehemals 17 und derzeit noch zwölf Ermittler in Muellers Team sollen unterrichtet worden sein, dass ihre Mitarbeiter bald an ihre angestammten Plätze zurückkehren werden.

Warum gibt es überhaupt einen Sonderermittler zur Russland-Affäre?

Das ist dem stellvertretenden Justizminister Rod Rosenstein zu verdanken. Von Trump nominiert, hatte er im Frühjahr 2017 die Aufsicht über die damaligen FBI-Ermittlungen in der Russland-Affäre übernommen. Schon damals ging es auch darum, welche Rollen verschiedene enge Trump-Mitarbeiter in der Affäre gespielt haben, die offenbar enge Kontakte mit russischen Regierungsvertretern pflegten. Die Ermittlungen, noch unter Präsident Barack Obama in Gang gesetzt, waren Trump von Beginn an ein Dorn im Auge. Anfang Mai 2017 feuerte er FBI-Chef James Comey. Er ließ dafür Rosenstein eine Bewertung Comeys schreiben, in der dessen Handhabung der E-Mail-Affäre von Hillary Clinton kritisiert wurde.

Rosenstein fühlte sich von Trump benutzt. Und setzte eine gute Woche nach Comeys Entlassung den früheren FBI-Chef Robert Mueller als Sonderermittler ein. Dieser sollte dann außerdem dem Verdacht nachgehen, ob sich Trump mit der Entlassung von Comey der Justizbehinderung schuldig gemacht hat. Mueller gilt als ein gewissenhafter Mann und harter Hund, von dem alle Seiten annehmen mussten, dass er jeden Stein umdrehen werde, den er zu fassen bekommt. Im Sommer 2018 soll Trump kurz davor gestanden haben, auch Mueller zu feuern. Der damalige Justiziar des Weißen Hauses konnte Trump dem Vernehmen nach unter Androhung seines Rücktrittes davon abhalten.

Was wird in Muellers Bericht stehen?

Der Sonderermittler wird seine Untersuchungsergebnisse gemäß den Regularien, unter denen er arbeitet, zusammenfassen. Er wird aufschreiben, warum er bestimmte Leute angeklagt hat, gegen wen er aus welchen Gründen ermittelt hat, und warum manche Personen nicht angeklagt wurden.

Erwartet wird ein eher kurzer Bericht, einige Dutzend Seiten vielleicht. Sicher aber wird der Bericht keine Anklageschrift sein. Sondern lediglich zu bestimmten Fragen die vorliegenden Erkenntnisse darstellen. Die juristische und politische Bewertung obliegt dann zunächst dem Justizminister. Ob also etwa Trump einen Deal mit Putin einging, um die Wahl zu gewinnen, wird der Bericht wohl nicht klar beantworten.

Wer wird den Bericht lesen können?

Zunächst nur Justizminister Barr. Und sicher werden auch Präsident Trump und seine engsten Berater den Mueller-Bericht lesen können, bevor der Kongress informiert wird. Barr ist zwar verpflichtet, die Kernpunkte des Berichtes auch dem Kongress zugänglich zu machen. Aber in welchem Umfang und mit welchen Restriktionen das geschieht, entscheidet er.

Barr könnte den kompletten Bericht dem Kongress übersenden und über das gesetzliche Mindestmaß hinaus keinerlei Geheimhaltungspflichten daran knüpfen. Er könnte aber auch nur einen (kleineren) Bericht über den Bericht schreiben und diesen als "streng geheim" an den Kongress schicken. Barr muss dem Kongress allerdings mitteilen, ob und welche Konflikte es zwischen Mueller und dem Justizministerium gegeben hat. Ob Mueller etwa Spuren nicht nachgehen konnte, weil Barr, der geschäftsführende Interimsminister Matthew Whitaker oder Rosenstein interveniert haben.

Barr, der von Trump für den Posten nominiert worden war, hatte in seiner Anhörung vor dem Senat zwar versprochen, so viel Transparenz herzustellen wie das Gesetz zulässt. Die Demokraten im Kongress glauben allerdings, dass Barr die Regeln sehr eng auslegen und den Kongress nur mit Basisinformationen zum Mueller-Bericht versorgen wird. Öffentlich zugänglich werden wohl weder der Text von Mueller sein noch der von Barr. Es sei denn, sie werden an die Presse durchgestochen.

Wird es sich der Kongress gefallen lassen, mit Info-Häppchen abgespeist zu werden?

Im Senat haben die Republikaner die Mehrheit, auch über alle Verfahrensfragen. Da wird es wenig bis keine Gegenwehr geben. Im Repräsentantenhaus aber bauen die Demokraten gerade mit ihrer neu gewonnenen Mehrheit eine mächtige Welle an Untersuchungen und Ermittlungen auf. Diverse Ausschüsse werden in den kommenden Wochen und Monaten Trumps Gebaren sehr genau unter die Lupe nehmen.

Und ausgestattet mit der Macht, jeden unter Androhung von Strafe vorladen zu können, werden die Demokraten alles tun, um den ursprünglichen Mueller-Bericht in die Hände zu bekommen. Im Zweifel können sie auch Mueller selbst vorladen. Barr muss also abwägen, ob er bereit ist, sich mit der geballten Ermittlungsmacht des Repräsentantenhauses anzulegen. Oder, wenn er zu offenherzig Informationen preisgibt, lieber den Groll des Präsidenten auf sich zieht.

Könnte der Bericht zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen Trump führen?

In der Theorie ja. Alle begonnenen und angekündigten Amtsenthebungsversuche in der Geschichte der USA sind nach unabhängigen Berichten von Sonderermittlern in Gang gekommen. Ob es diesmal auch so geschieht, ist aber vor allem eine politische Frage. Das Impeachment genießt kein großes Ansehen in der Bevölkerung. Schließlich soll dadurch ein rechtmäßig gewählter Präsident abgelöst werden. Eine Mehrheit der US-Amerikaner findet, dass es Aufgabe des Volkes sei, einen US-Präsidenten abzuwählen. Außerdem ist der Senat fest in republikanischer Hand. Startet das demokratisch dominierte Repräsentantenhaus so ein Verfahren gegen Trump, dann wird es nach Stand der Dinge im Senat scheitern. Für die Demokraten ist die Frage bisher unbeantwortet, ob sie politisches Kapital daraus schlagen könnten, wenn sie ein Impeachment gegen Trump anstrengen würden. Oder ob ihnen das eher schaden würde. Solange es keine Klarheit gibt, wird es eher nicht dazu kommen.

Könnte der Mueller-Bericht zu Anklagen gegen Trump und enge Vertraute führen?

Bei 34 Personen und drei Unternehmen haben die Mueller-Ermittlungen bereits zu Anklagen geführt. Davon sind 26 Personen russische Staatbürger. Aber auch sechs ehemals enge Trump-Mitarbeiter, die sich in den Verfahren schuldig bekannt und ihre Zusammenarbeit mit Mueller zugesichert haben.

Sein früherer Wahlkampfchef Paul Manafort zum Beispiel. Der ist gerade erst wegen diverser Finanzvergehen, die im Zuge von Muellers Ermittlungen ans Licht kamen, zu knapp vier Jahren Haft verurteilt worden. Kommende Woche könnten in einem zweiten Verfahren unter anderem wegen Justizbehinderung weitere zehn Jahre hinzukommen.

Demnächst wird zudem Trumps ehemaliger persönlicher Anwalt Michael Cohen seine Gefängnisstrafe antreten. Unter anderem, weil er nach eigenen Angaben im Wahlkampf und im Auftrag von Trump Schweigegeld an eine Pornodarstellerin und ein Nacktmodell gezahlt hat, damit diese nicht über ihre Affären mit Trump berichten.

Es ist davon auszugehen, dass Mueller jeden angeklagt hat, dem er Gesetzesverstöße nachweisen konnte. Dass es etwa gegen Trumps Schwiegersohn Jared Kushner noch kein Verfahren gibt, könnte daran liegen, dass Mueller bisher keinen Beweis gegen ihn finden konnte.

Im Fall von Trump wird die Sache für Mueller komplizierter. Es gilt das ungeschriebene Gesetz, dass ein amtierender Präsident nicht angeklagt werden kann, damit dieser ungestört seinen Amtspflichten nachkommen kann. Ob Mueller etwas gegen Trump in der Hand hat, wird wohl nur zu erfahren sein, wenn Barr dies in seinem Bericht an den Kongress beantwortet.

Sehr wahrscheinlich aber wird der Kongress den Ermittlungsdruck erhöhen, sollten die Abgeordneten im Barr-Bericht nichts zu Trump finden. Oder etwa lediglich die Aussage, dass Trump strafrechtlich nichts vorzuwerfen sei, ohne dies näher zu begründen.

Ist mit dem Mueller-Bericht die Arbeit der US-Justiz in Sachen Trump abgeschlossen?

Mitnichten. Es sind mehrere Verfahren anhängig, die völlig unabhängig von Muellers Ermittlungen laufen. Bundesankläger aus New York etwa nehmen sich gerade das Amtseinführungskomitee von Trump vor. Der Verdacht: Spenden könnten an das Komitee geflossen sein, die dann vor allem Trumps Unternehmungen und Freunden zugute kamen. Gefährlich werden könnte für Trump noch das Schweigegeld, das er Cohen an ehemalige Affären zahlen ließ. Cohen muss dafür ins Gefängnis. Aber wenn Cohen sich damit strafbar gemacht hat, dann Trump womöglich erst recht. Er war schließlich der Auftraggeber. Sollte Trump die Wahl 2020 verlieren, könnten zumindest in der Sache die Ermittler bald danach an seine Tür klopfen.

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