Süddeutsche Zeitung

Kommentare über gefallene Soldaten:Prunksucht statt Respekt

Lesezeit: 3 Min.

Gefallene Soldaten sind für US-Präsident Trump "Verlierer", ihr Opfer ist ihm unverständlich. Ist das der Wendepunkt des Wahlkampfs? Vor allem offenbart es Trumps eitles Verhältnis zum Militär.

Kommentar von Hubert Wetzel, Washington

Amerika hat in seiner Geschichte viele Kriege geführt. Und in diesen Kriegen sind viele Soldaten gefallen. Manche Kriege waren gerechtfertigt. Europa zum Beispiel sähe heute anders aus, hätten die Amerikaner nicht zwei Mal Soldaten geschickt, um den deutschen Militarismus zu stoppen. Andere Kriege hingegen waren furchtbare Verirrungen - nihilistische Gemetzel wie das in Vietnam oder desaströse Fehler wie die Invasion im Irak. Alle amerikanischen Kriege als Verbrechen zu bezeichnen, ist daher ebenso falsch, wie sie alle als heroische Feldzüge für Freiheit und Demokratie zu verklären.

Das gilt auch für die Soldaten, die in diesen Kriegen gekämpft haben und gefallen sind. Manche waren kaum mehr als Mörder in Uniform. Aber manche GIs haben ihr Leben tatsächlich für das gegeben, was man mit etwas Pathos einen "höheren Zweck" nennen könnte. Das sollte jeder zugestehen können, der etwas Sinn für historische Zusammenhänge hat und einmal einen amerikanischen Soldatenfriedhof in Europa besucht hat. Dort sieht man, dass Geschichte eben nicht nur von Generälen und Präsidenten gemacht wird, sondern auch von Rekruten aus Ohio und Iowa.

Womit man bei Donald Trump wäre. Der US-Präsident hat, sofern man einem Artikel des Magazins The Atlantic glauben darf, für die gefallenen Soldaten seines Landes nicht viel übrig. Sie seien "Verlierer" und "Trottel", soll er gesagt haben. Das eigene Leben zu riskieren oder gar zu verlieren, obwohl für einen selbst dabei nichts rausspringt, schon gar kein Geld - für Trump, den Meister des Deals, bei dem am Ende jeder seinen Schnitt macht, ist das offenbar unverständlich. Das hat man geahnt, jetzt weiß man es.

Die Armee ist für Trump nur Staffage, um seine Prunksucht zu befriedigen

Ist das nun der seit Langem erwartete Moment, der Trump politisch das Genick bricht? Wer weiß. Trump hat als Kandidat und Präsident schon so viele Skandale überlebt, dass man mit Prognosen vorsichtig sein sollte. Die Aggressivität, mit der er und das Weiße Haus versuchen, den Schaden zu begrenzen, zeigt, dass sie sich der Gefahr bewusst sind. Aber bisher hatten solche Enthüllungen stets nur zur Folge, dass bei den Trump-Gegnern die Abscheu wuchs, bei den Trump-Unterstützern hingegen die Treue zu ihrem Präsidenten. So könnte es auch dieses Mal enden.

Donald Trump hat ein seltsames Verhältnis zum Militär. Er mag den Pomp, die patriotischen Symbole, die brachiale Technik - Flaggen, Sterne und Orden, Jets und Panzer. Die Armee ist für ihn Staffage, um seine Eitelkeit und Prunksucht zu befriedigen. Nichts zeigt das deutlicher als sein Wunsch, auch in Washington solche Militärparaden wie die in Paris, Moskau oder Pjöngjang zu veranstalten. Wenn sogar der kleine Diktator Kim Jong-un sowas hat, dann will der große Donald Trump das gefälligst auch haben.

Mit dem jedoch, was man "militärische Tugenden" nennt - ein nicht ungefährlicher Begriff, der Dinge umfasst, die sich leicht missbrauchen lassen -, kann Trump nichts anfangen. Er verspürt keine Loyalität gegenüber der Verfassung oder dem Volk der Vereinigten Staaten, sondern nur gegenüber sich selbst. Dem Land oder der Nation zu dienen, ist kein Antrieb für Trump. Für ihn ist der Staat dazu da, ihm und seinen Hintersassen zu dienen. Als im Sommer wütende Bürger vor dem Weißen Haus protestierten, wollte Trump Fallschirmjäger einsetzen - so als seien die Soldaten der 82. Luftlandedivision seine persönlichen Türsteher.

"Im Namen einer dankbaren Nation": Diese Formel verpflichtet einen Präsidenten, Respekt zu zeigen

Amerikas Militär hat im Lauf der Zeit viele Rollen gespielt: Befreier und Besatzer, brutales Machtinstrument oder Werkzeug im Dienst des Guten. Es ist daher nicht notwendig, dass jeder US-Präsident jeden Krieg befürwortet, den seine Vorgänger geführt haben. Man muss auch nicht jedem amerikanischen Soldaten ein Heldenmäntelchen umhängen. Trump hatte als junger Mann das Recht, sich um den Militärdienst in Vietnam zu drücken. Und er hat jetzt als Präsident recht, wenn er die amerikanischen Einsätze in Afghanistan und im Irak nach fast zwei Jahrzehnten endlich beenden will.

Aber ein US-Präsident sollte eines nie vergessen: Die Frauen und Männer, die in Amerikas Kriegen sterben, wurden von ihrer Regierung in eine Uniform gesteckt und von ihrem Präsidenten in den Kampf geschickt. Jeder Gefallene erhält ein Begräbnis mit militärischen Ehren, und an dessen Ende wird den Hinterbliebenen eine zum Dreieck gefaltete US-Flagge überreicht - "im Namen des Präsidenten der Vereinigten Staaten und einer dankbaren Nation", wie es dann heißt. Diese Formel verbindet den Präsidenten mit jedem Toten, unabhängig davon, was er selbst von den Motiven hält, die den Gefallenen einst Soldat werden ließen. On behalf of a grateful nation - das verpflichtet einen Präsidenten, der den Ernst seines Amtes versteht, dazu, Respekt zu zeigen. Trump versteht davon nichts.

Für viele Familien ist dieser Dank der Nation das Einzige, woran sie sich in ihrer Trauer festhalten können. Jetzt wissen sie, was Donald Trump in Wahrheit über das Opfer denkt, das sie gebracht haben.

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