Trump im Roger-Stone-Prozess:Der Präsident regiert wie ein Feudalherrscher

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Donald Trump gefällt sich in der Rolle des Regelbrechers. Nun missbraucht er nicht nur das Gnadenrecht, sondern das gesamte Justizsystem des Landes.

Kommentar von Stefan Kornelius

Nach dem erfolglosen Impeachment hat Donald Trump einen bedenklichen Schub in seiner wahnhaften Vorstellung vom Rechtssystem der USA erlitten. Der Präsident hängt ja nicht nur der irrigen Annahme an, dass er über dem Recht stehe. Nein, nun gebärdet er sich immer stärker als Akteur im Justizsystem, dessen oberster Beamter er behauptet zu sein. Er habe "das absolute Recht", dem Justizministerium Anweisungen zu geben, meint Trump.

Dieses Recht hat Trump nicht, aber er nimmt es sich. Er greift in das Strafverfahren gegen seinen Freund und engen Zuarbeiter Roger Stone ein, er verlangt Ermittlungen gegen Widersacher, kommentiert Urteile, begnadigt Straftäter nach wenig nachvollziehbaren Kriterien, bevorzugt dabei halbseidene Zeitgenossen aus dem erweiterten Kreis seiner Anhänger. Das System reagiert wie gelähmt. Staatsanwälte, vielleicht bald auch der Justizminister selbst, entziehen sich durch Rücktritt dem Druck des Präsidenten und glauben, so wenigstens ein Zeichen setzen zu können. Doch das Problem geht tiefer, bedeutend tiefer. Donald Trump arbeitet an der Abschaffung der Gewaltenteilung. Er betreibt persönlich Willkürjustiz.

Die Trennung von Justizapparat und Regierung gehört zu den ewigen Problemen jeder Demokratie. Natürlich werden Staatsanwaltschaften und Richter auch nach politischen Kriterien ausgewählt, nicht nur nach fachlichen. Das geschieht in den meisten Demokratien. Ein gutes System reduziert aber den Einfluss der Politik, schafft Besetzungsausschüsse, unterhält ein komplexes Regelwerk für Begnadigungsverfahren, politische Weisungsbefugnisse und Eingriffsmöglichkeiten. Der Konflikt der Europäischen Union mit der polnischen Regierung über die Justizreform des Landes zeugt von der politischen Dehnbarkeit der Vorstellung von einer unabhängigen Justiz. In den USA hat sich nach dem Watergate-Skandal die Praxis eingebürgert, dem Justizministerium und den Ermittlungsbehörden politische Leine zu lassen. Trump dreht die Praxis nun in ihr Gegenteil und treibt das System in einen Belastungstest. Er will sich die Justiz zum Werkzeug machen.

Ein Rechtsstaat kollabiert nicht plötzlich. Er wird ausgehöhlt, missbraucht, gepiesackt.

Trumps Rechtsverständnis ist nicht im juristischen Seminar gewachsen, es hört auch nicht auf den Rat von Experten, es zeigt keinen Respekt vor der Rechtskultur des Landes. Trump war sein Leben lang ein Regelbrecher, der die Nähe zu Figuren aus der Welt des Halb- oder Unrechts suchte. Sein geradezu kindlicher Umgang mit dem Gnadenrecht zeugt von der vollständigen Ignoranz simpler Grundsätze wie der Gleichheit vor dem Recht. Wie ein Feudalherrscher schenkt er die Freiheit und freut sich an den Tränen der Beglückten. Wie ein Mafioso schützt er den Clan und holt die Verurteilten aus den Kerkern.

Alle Präsidenten vor Trump haben das Gnadenrecht missbraucht - in Maßen. Trump beginnt nun erst, seine vermeintliche Allmacht auszuprobieren. Den diplomatischen Apparat der USA hat er bereits kaltgestellt, diverse Aufsichtsbehörden und die unabhängige Notenbank stehen unter seinem politischen Druck, der republikanische Kongress ist nach dem Impeachment kein Korrektiv mehr. Nur das Militär hat sich dem Zugriff des Präsidenten weitgehend verweigert.

Bisher. Ein Rechtsstaat kollabiert nicht plötzlich. Er wird ausgehöhlt, missbraucht, gepiesackt, bis die Mehrheit das Gefühl für das Recht verloren hat. Dann bricht er.

© SZ vom 21.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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