Süddeutsche Zeitung

Regierungskrise in den USA:Trump braucht Chaos und Zerstörung

Der US-Präsident zieht die Truppen aus Syrien ab, vertreibt seinen Verteidigungsminister und ramponiert Amerikas Bündnisfähigkeit. So wird er zur Bedrohung für die ganze Welt.

Kommentar von Stefan Kornelius

Zu Beginn der Trump-Präsidentschaft gab es eine Art Big-Bang-Theorie: Der Präsident, so die Vermutung, könne sich nicht lange halten, wenn die drei mächtigsten Stützen in seinem Kabinett - der Stabschef, der Außen- und der Verteidigungsminister - gleichzeitig und aus Protest ihr Amt niederlegten. Man habe also eine Rückversicherung gegen den irrationalen Präsidenten, es werde so schlimm nicht kommen.

Erstens kam es schlimmer, und zweitens war die Theorie albern. Alle drei dieser Stützen sind gegangen oder wurden ausgetauscht, der Mann aber regiert immer noch im Weißen Haus. Donald Trump hat Beharrungskräfte entwickelt, für deren Überwindung noch keine Strategie gefunden wurde. Wenige Tage vor Weihnachten erlebt die Welt wieder einen dieser Stabilitätstests, in denen der Präsident Krise auf Krise stapelt, nur um geradezu zynisch zu beobachten, wie das Turmgebilde in sich zusammenbricht. "Wir ergeben uns nicht dem Terror, wir machen Terror", sagt "House of Cards"-Präsident Underwood, als ihm mal wieder das Wasser bis zum Hals steht.

Trumps Triplekrise zum Jahresende hat alle Ingredienzien eines politischen Terrorangriffs. Im Kern steht der Konflikt mit den Republikanern im Senat über ein Budget für den Grenzwall. Einen Kompromiss will der Präsident nicht. Er will den Krieg mit den eigenen Leuten und legte deshalb am Wochenende die öffentliche Verwaltung lahm. Die Wirtschaft verfällt bereits in Schnappatmung, die ideologischen Einpeitscher auf der Rechten jubeln.

Krise Nummer zwei schwärt vor den Gerichten und in den Anhörungssälen des Kongresses. Von Januar an wird die demokratische Mehrheit Trump quälen können. Der Präsident muss im Licht der Ermittlungen die Furcht vor seiner Unberechenbarkeit schüren. Seine wichtigste Klientel und Lebensversicherung bleiben in diesem Augenblick die Zornwähler aus der Mitte Amerikas.

Ihnen zuliebe hat er Krise Nummer drei inszeniert, den Abzug aus Syrien und Afghanistan, der in Wahrheit ein Bruch mit Amerikas außenpolitischer Tradition ist. Verteidigungsminister Jim Mattis hat es brutal klar formuliert: Trump verkennt die Konfrontation mit China und Russland, und er zerstört Amerikas Bündnisgeflecht. Die USA sind in ihrer geopolitischen Dominanz gefährdet, es geht um nicht weniger als die Stärke des Landes.

In Washington wird gerade ein Weltbild ausgetauscht

Das ist eine starke Warnung, die den Kongress und alle Akteure der nationalen Sicherheit auf die Barrikaden treiben müsste: Was eigentlich, wenn Trump morgen den Abzug aus der Nato verkündet? Was, wenn er die Truppen aus Südkorea heimholt? In der primitiv-nationalistischen Außenpolitik dieses Mannes gibt es keine Freunde. Was allein zählt, sind der eigene Boden und jene Wähler, die ihren Flecken Land für den Mittelpunkt der Welt halten, von dem aus sich der darwinistische Kampf um Überlegenheit und um die stabilste Autokratie beobachten lässt - oder auch nicht. Diese Sachen gehen einen jedenfalls nichts an.

Deswegen wird in Washington gerade nicht nur ein Verteidigungsminister ausgetauscht, sondern auch ein Weltbild. Wer dies verhindern will, der muss Trump als das behandeln, was er in Wahrheit für die Welt ist: die größte Gefahr, die derzeit von den USA ausgeht.

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SZ vom 22.12.2018/vd
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