Friedensbemühungen im UkrainekriegTrump will telefonieren, Putin wählt Drohnengewalt

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Die Folgen des Rekordangriffs: Ukrainische Feuerwehrleute stehen neben einer Ruine bei Kiew.
Die Folgen des Rekordangriffs: Ukrainische Feuerwehrleute stehen neben einer Ruine bei Kiew. (Foto: Valentyn Ogirenko/Reuters)

Beim größten russischen Drohnenangriff seit Kriegsbeginn werden 273 Fluggeräte erkannt. Trump hatte zuvor angekündigt, er werde direkt mit Putin sprechen. Kanzler Merz bringt auch die Europäer ins Gespräch.

Von Sebastian Gierke

Nachdem US-Präsident Donald Trump zum wiederholten Male erklärt hatte, der Krieg in der Ukraine werde bald enden, und für diesen Montag ein Telefonat mit Wladimir Putin ankündigte, hat Russland nach ukrainischen Angaben den größten Drohnenangriff seit Beginn des Krieges ausgeführt. Die ukrainischen Luftstreitkräfte berichteten, Russland habe in der Nacht auf Sonntag 273 Drohnen eingesetzt. Vor allem die Region um die Hauptstadt Kiew sowie die Regionen Donezk und Dnipropetrowsk seien attackiert worden. Bei dem bislang größten Angriff waren Ende Februar 267 unbemannte Flugobjekte erkannt worden. Diesmal sind nach ukrainischen Angaben 88 Drohnen zerstört worden, 128 hätten ihr Ziel etwa wegen elektronischer Abwehrmaßnahmen nicht erreicht und seien von den Radargeräten verschwunden. Bei Kiew sei eine Frau getötet worden, mindestens drei Personen seien verletzt worden, darunter auch ein vierjähriges Kind, so die ukrainische Luftwaffe.

Bundeskanzler Friedrich Merz sprach in Rom mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij und kündigte an, dass die Europäer noch am Sonntag mit Trump sprechen wollten – vor dem Gespräch des US-Präsidenten mit Putin. Trump hatte am Samstag auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social angekündigt, am Montag mit dem russischen Präsidenten wieder über die Beendigung des Krieges sprechen zu wollen. „Die Themen des Gesprächs werden sein, das ‚Blutbad‘ zu stoppen, das im Durchschnitt mehr als 5000 russische und ukrainische Soldaten pro Woche tötet, und der Handel“, schrieb Trump. Kremlsprecher Dimitri Peskow bestätigte, dass ein Telefonat geplant sei, ohne weitere Details zu nennen.

Bundeskanzler Merz sagte der Agentur Reuters: „Wir haben jetzt verabredet, dass wir auch nochmal mit den vier Staats- und Regierungschefs und dem amerikanischen Präsidenten zur Vorbereitung dieses Gesprächs sprechen.“ Er habe bereits mit US-Außenminister Marco Rubio über das angekündigte amerikanisch-russische Telefonat gesprochen. Das Telefonat der Europäer soll nach Möglichkeit noch am Abend stattfinden. Teilnehmen wollen dann der französische Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer.

Am Freitag hatten Vertreter der Ukraine und Russlands in der Türkei zum ersten Mal seit drei Jahren direkte Gespräche geführt. Dabei war ein Gefangenenaustausch vereinbart worden, was eine mögliche Waffenruhe angeht, war das Treffen allerdings ergebnislos geblieben. Trump hat zuvor gesagt, er glaube nicht, dass es einen bedeutenden Durchbruch bei den Friedensgesprächen geben wird, bis er und Putin direkt miteinander sprechen.

Die Ukraine, ihre Verbündeten in Europa und die USA hatten Moskau im Vorfeld des Treffens in Istanbul gedrängt, einen 30-tägigen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine zu akzeptieren. Das lehnte Putin ab. Er verlangte stattdessen direkte Gespräche zwischen Russland und der Ukraine in der Türkei. Trump forderte daraufhin Selenskij auf, an diesen Gesprächen teilzunehmen, was dieser allerdings nur machen wollte, wenn auch Putin anwesend sei. Stattdessen schickte Moskau eine Delegation, die Selenskij als „Scheindelegation“ und als „niedrigrangig“ bezeichnete. Putin flog nicht nach Istanbul. Kurz nach der Beendigung der Gespräche hatte eine russische Drohne am Samstag bei einem Angriff auf einen Bus neun ukrainische Zivilisten in der Region Sumy getötet.

Offenbar plant Moskau eine weitere große Offensive

Der US-Präsident, der den Krieg nach eigenen Aussagen so schnell wie möglich beenden will, hat seit seinem Amtsantritt im Januar bereits zweimal mit dem Machthaber im Kreml telefoniert. Danach hatte Trump jedes Mal verkündet, ein Durchbruch sei erzielt worden. Nach dem bislang letzten Telefonat im März hatten zunächst beide Seiten erklärt, unter anderem einen 30-tägigen Stopp der Angriffe auf die Energieinfrastruktur vereinbart zu haben. Diese Vereinbarung hat Moskau aber nie umgesetzt. Kurz nach dem Telefonat hatte der Kreml vielmehr erklärt, es seien noch einige Bedingungen zu erfüllen, bis die Abmachung in Kraft treten könne. Die russischen Streitkräfte greifen vor allem im Osten der Ukraine seither mit unverminderter Intensität an. Offenbar plant Moskau eine weitere große Offensive. Dafür werden gerade neue Verbände zusammengezogen.

Woher Donald Trump angesichts dieser Erfahrungen seine Zuversicht nimmt, Putin jetzt doch zu Zugeständnissen bewegen zu können, verriet der US-Präsident am Wochenende nicht. In einem TV-Interview behauptete Trump, Putin wolle einen Friedensdeal, er sei kriegsmüde. Außerdem habe er, Trump, ein „sehr gutes Verhältnis“ zu Putin. Der US-Präsident will eigenen Angaben zufolge nach seinem Gespräch mit dem Kreml-Herrscher auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij und Mitgliedern der Nato telefonieren.

Die USA versuchten gleichzeitig zu Trumps Ankündigung, den Druck auf den Kreml zu erhöhen. Außenminister Marco Rubio sagte am Samstag im TV, man habe sich in den vergangenen Wochen gegenüber Moskau „ziemlich klar“ ausgedrückt, was die Möglichkeit neuer Sanktionen angehe. Er selbst habe dem Kreml gegenüber darauf hingewiesen, dass sich im Kongress eine breite Mehrheit für neue Sanktionen abzeichne, sollten die Gespräche weiterhin keinerlei Ergebnis bringen.  Rubio erklärte, die Regierung könne das letztlich nicht aufhalten, auch wenn man den Kongress um etwas Zeit für weitere Gespräche gebeten habe. Das US-Parlament kann, wenn es eine Mehrheit gibt, der Regierung solche Maßnahmen vorschreiben. Danach gefragt, ob Moskau mit seinem Vorgehen im Moment schlicht Zeit gewinnen wolle, sagte Rubio: „Genau das testen wir gerade.“

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