Süddeutsche Zeitung

Trumps Aussage zu "Proud Boys":Gegenwind aus dem eigenen Lager

In der TV-Debatte hatte US-Präsident Trump einer rechten Schlägertruppe mitgeteilt, sie solle sich bereithalten. Jetzt behauptet er, sie nicht zu kennen. Kritik kommt auch von Parteifreunden.

Von Thorsten Denkler, New York

Am Tag danach will US-Präsident Donald Trump von nichts gewusst haben. Er habe Rechtsextremismus "immer und in jeder Form" zurückgewiesen, sagte er am Mittwoch kurz vor der Abreise zu einer Wahlkampftour nach Minnesota. Und von der rechten Schlägergruppe "Proud Boys", die er am Vorabend in der TV-Debatte zwischen ihm und seinem Herausforderer Joe Biden persönlich angesprochen hatte, habe er nie etwas gehört. "Ich weiß nicht, wer die 'Proud Boys' sind", sagte Trump. "Wer immer die sind, ich kann nur sagen, dass sie sich zurückhalten sollen. Lasst die Strafverfolger ihre Arbeit machen."

Während des Fernsehduells war Trump gefragt worden, ob er sich von der Ideologie der weißen Überlegenheit (White Supremacy) und von militanten Gruppen distanzieren wolle, die ihren Teil zu den Gewaltausbrüchen während der seit Monaten andauernden Demonstrationen gegen Polizeigewalt im Land beigetragen haben. Auf mehrfache Nachfragen und mit speziellem Verweis auf die "Proud Boys" erklärte Trump schließlich, diese sollten sich "zurückhalten und bereitstehen".

Die "Proud Boys" fühlen sich von Trumps Originalzitat ("stand back und stand by") offenbar ermuntert. Deren Anführer Joe Biggs schrieb in sozialen Medien: "Präsident Trump hat den Proud Boys gesagt, sie sollen bereitstehen, weil sich jemand mit der Antifa befassen muss ... nun, Sir! Wir sind bereit!"

Ungewohnt deutliche Kritik von Republikanern

Trumps Verschleierungstaktik ist nicht neu. In der Vergangenheit hatte er sich wiederholt geweigert, rechtsextremistische Gruppen anzuprangern. Als etwa der frühere Anführer der rassistischen Organisation "Ku Klux Klan", David Duke, im Wahlkampf 2016 erklärte, Trump zu unterstützen, wollte dieser das Angebot nicht ablehnen. Er erklärte nur, er wisse nicht, wer Duke sei. Und als Rechtsextreme und Neonazi-Gruppen 2017 durch Charlottesville, Virginia, zogen und eine Gegendemonstrantin ums Leben kam, erklärte Trump, es gebe "feine Leute auf beiden Seiten".

Jetzt erfährt Trump allerdings aus den eigenen Reihen ungewohnt deutliche Kritik. Der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, erklärte, es sei "inakzeptabel, Rechtsextremismus nicht zu verurteilen". Der Trump-Vertraute und Senator Lindsey Graham aus South Carolina sagte, der Präsident solle "klarstellen, dass die 'Proud Boys' eine rassistische Organisation ist, die den amerikanischen Idealen widerspricht".

Der republikanische Abgeordnete Tom Cole aus Oklahoma forderte von Trump, die "Proud Boys" und andere extremistische Gruppen in klarer Sprache zu verurteilen. Senator Tim Scott aus South Carolina, einer von zwei schwarzen Republikanern im Kongress, mutmaßte, Trump habe sich womöglich "versprochen". Er forderte Trump auf, seinen Fehler zu korrigieren. Denn: "Wenn er sich nicht korrigiert, hat er sich wohl auch nicht versprochen."

Erst vergangene Woche hatten Aussagen von Trump eine Reihe von Republikanern genötigt, dagegenzuhalten. Der US-Präsident hatte den Eindruck erweckt, er werde womöglich kein Wahlergebnis akzeptieren, dass ihn nicht als Sieger anerkenne. Mitch McConnell stellte danach klar, es werde in jedem Fall "eine ordentliche Amtsübergabe" geben für den Fall, das Trump verliert.

TV-Moderator Wallace traurig über den Verlauf der Debatte

Die TV-Debatte von Dienstag wird als eines der chaotischsten Duelle in der Geschichte dieses Formates beschrieben. Trump hat von Anfang an alle verabredeten Regeln gebrochen und Biden fast durchgehend unterbrochen. Biden hatte Schwierigkeiten, unter Trumps Dauerbeschuss die Ruhe zu bewahren. Einmal riet er Trump, der solle "die Klappe halten". Ein anderes Mal nannte er den Präsidenten einen "Clown".

Die Debatten-Kommission erwägt jetzt, für die beiden noch ausstehenden TV-Duelle neue Regeln mit den beiden Lagern zu vereinbaren. Diese sollen für eine geordnete Diskussion sorgen. Trumps Wahlkampfteam bezichtigt die Kommission jetzt, die Regeln im Sinne von Biden verschieben zu wollen.

Der Moderator des Abends, Fox-News-Anchor Chris Wallace, zeigte sich enttäuscht mit dem Verlauf. Er habe nicht gedacht, dass es die Strategie von Trump sein werde, von Beginn an und beinahe durchgehend die Debatte zu stören. Er habe so etwas noch nicht erlebt, sagte er der New York Times. "Ich bin traurig darüber, wie es ausgegangen ist." Die Debatte sei eine verpasste Chance gewesen.

Trump soll angeblich hochzufrieden mit seinem Auftritt gewesen sein. Am Mittwoch erklärte er sich öffentlich zum Sieger. Er habe Umfragen gesehen, aus denen das hervorgehe. Für die Teilnehmer bisher veröffentlichter repräsentativer Blitzumfragen ist allerdings Biden mit deutlicher Mehrheit der Gewinner. Lediglich in nicht repräsentativen und damit statistisch wertlosen Online-Umfragen taucht Trump als Sieger auf.

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