Süddeutsche Zeitung

Nahost-Konflikt:Trump will Friedensplan vorlegen

  • US-Präsident Donald Trump will seinen lange angekündigten Vorschlag für einen Friedensplan für den Nahen Osten vorstellen.
  • Trump hat den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und Oppositionsführer Gantz für Dienstag ins Weiße Haus eingeladen.
  • Laut Medienberichten sieht der Plan volle Souveränität Israels über die Siedlungen im Westjordanland und Jerusalem vor.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Jerusalem

Als sich die Veranstaltung in der Gedenkstätte Yad Vashem zum 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz am Donnerstag dem Ende näherte, kursierten die ersten Eilmeldungen: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Oppositionsführer Benny Gantz würden kommende Woche nach Washington reisen, bald darauf bestätigte dies das Weiße Haus. Die beiden israelischen Politiker werden am Dienstag in Washington erwartet. US-Präsident Donald Trump sagte zu Journalisten an Bord der Air Force One auf dem Weg zu einer Wahlkampfkundgebung nach Florida, "wahrscheinlich kurz davor" werde er den Friedensplan für den Nahen Osten vorstellen.

Man habe auch mit den Palästinensern darüber gesprochen, wenn auch nur kurz. Weitere Gespräche sollten folgen. "Es gibt viele Anreize für sie, das zu machen. Ich bin sicher, sie werden vielleicht zuerst negativ reagieren, aber es ist tatsächlich sehr positiv für sie. Es ist ein großartiger Plan. Es ist ein Plan, der wirklich funktionieren kann", sagte Trump. "Ich würde gerne diesen Deal machen." Der US-Präsident hatte seit Beginn seiner Amtszeit mehrfach einen Plan für den Nahen Osten angekündigt und dessen Präsentation immer wieder verschoben.

450 000 Israelis leben in 120 Siedlungen im Westjordanland

Laut israelischen Medienberichten soll Jerusalem "unter israelischer Souveränität bleiben". Israel solle zudem die Souveränität über alle Siedlungen im besetzten Westjordanland erhalten, in denen mehr als hundert Menschen wohnen. Dies würde eine Verschiebung der Grenzen Israels Richtung Osten bedeuten. Derzeit leben etwa zwei Millionen Palästinenser und 450 000 Israelis in 120 Siedlungen im Westjordanland und weitere 200 000 Israelis in Ostjerusalem, das Israel 1980 annektiert hatte. Auch das Jordantal soll unter voller israelischer Kontrolle bleiben.

Sollten sich die Palästinenser weigern, soll Israel das Recht haben, sofort mit der Annexion zu beginnen. Nach Einschätzung des israelischen TV-Senders Channel 12 ist es der für Israel großzügigste Plan, der jemals unterbreitet worden ist. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bedankte sich bei einem Treffen mit US-Vizepräsident Mike Pence am Donnerstagabend in Jerusalem dafür, dass Trump "Israel den Frieden und die Sicherheit gibt, die es benötigt".

Demilitarisierter Palästinenserstaat

Laut den Berichten sollen die Palästinenser einen demilitarisierten Staat bekommen. Allerdings müssten die Palästinenser als Bedingung für ihren Staat Israel als jüdischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt anerkennen. Ostjerusalem soll damit nicht, wie von den Palästinensern gefordert, ihre Hauptstadt werden, sondern dort sollen sie nur eine "symbolische Repräsentanz" erhalten. Die radikalislamische Hamas, die im Gazastreifen regiert, müsste die Waffen abgeben. Außerdem sollten die Palästinenser keine Rolle bei den Grenzkontrollen spielen.

Über die Größe des palästinensischen Staates gab es in israelischen Medienberichten widersprüchliche Angaben. Die einen berichteten, dass ein Staat auf jener Fläche entstehen könnte, der nicht von Siedlungen belegt ist. Zieht man auch das Jordantal ab, dann bliebe eine Fläche von etwa 70 Prozent des jetzigen Westjordanlands. Andere Medien behaupteten, dass nur 30 Prozent des jetzigen Westjordanlandes für einen palästinensischen Staat vorgesehen seien.

Die Palästinenser könnten noch kleinere Gebiete in der Negev-Wüste dazubekommen, hieß es übereinstimmend. Einzelne Palästinenser könnten nach Israel zurückkehren. Ein generelles Rückkehrrecht, wie es die Palästinenser fordern, soll nicht vorgesehen sein, auch keine Entschädigungen. Im Zuge der Staatsgründung Israels 1948 hatten etwa 700 000 Palästinenser ihre Häuser verlassen, sie wurden vertrieben oder flüchteten.

Drohung vor einem neuen Palästinenseraufstand

Die Palästinenser lehnen den Plan ab. Der Sprecher von Präsident Mahmud Abbas, Nabil Abu Rdeneh, kündigte eine "Serie von Maßnahmen" an, um "die legitimen Rechte der Palästinenser sicherzustellen", sollten die Vorschläge wie berichtet ausfallen. "Wir warnen Israel und die USA davor, rote Linien zu überschreiten." Deutlicher wurde die Hamas: Dies sei das Ende für eine politische Lösung. "Die Palästinenser werden die Implementierung des Deals verhindern, egal, um welchen Preis. Das wird eine neue Intifada auslösen", schrieb Basem Naim, Vorsitzender des Rates für internationale Beziehungen im Gazastreifen, auf Twitter. In Großbuchstaben fügte er hinzu: "SEIN ODER NICHT SEIN."

Das israelische Militär rüstet sich für mögliche Auseinandersetzungen in Jerusalems Altstadt beim heutigen Freitagsgebet sowie an der Grenze zum Gazastreifen. Die an Freitagen üblichen Proteste an der Grenze hatte die Hamas zu Jahresende ausgesetzt, um Verhandlungen über einen längerfristigen Waffenstillstand mit Israel unter Ägyptens Vermittlung zu ermöglichen.

Annexion Thema im israelischen Wahlkampf

Der Siedlungsbau und die Annexion von Teilen des Westjordanlands ist auch zentrales Thema im Wahlkampf. Am 2. März wird zum dritten Mal binnen eines Jahres gewählt. Zu Wochenbeginn hatte Gantz erklärt, auch er wolle das Jordantal annektieren - in Übereinstimmung mit internationalen Partnern. Netanjahu hatte diesen Schritt bereits im September angekündigt. Er forderte Gantz auf, mit ihm in der Knesset sofort ein Gesetz zu beschließen. Die USA ließen aber Netanjahu wissen, sie seien gegen Schritte vor der Präsentation ihres Plans.

Die Einladung Trumps an Gantz zeigt, dass der US-Präsident nicht sicher ist, ob nach der Wahl im März tatsächlich Netanjahu weiter regieren kann. Gantz hatte die Wahl im September gewonnen, war aber wie Netanjahu an der Regierungsbildung gescheitert. Laut Umfragen gibt es wieder eine Pattsituation zwischen dem rechten Block und dem Mitte-links-Lager, wiewohl das von Gantz geführte blau-weiße Bündnis in Umfragen inzwischen deutlich vor Netanjahus rechtsnationaler Likud-Partei liegt. Mit der Einladung nach Washington könnte Trump die Bildung einer großen Koalition fördern. Bisher hatte sich Gantz geweigert, mit Netanjahu in einer Regierung zu sitzen nach dessen Anklagen in drei Korruptionsfällen. Netanjahu reklamiert, dass er Trump vorgeschlagen habe, Gantz ebenfalls einzuladen.

Trump bestätigte zwar in einem Tweet, dass beide Politiker nach Washington kommen werden. Aber Berichte über Details des US-Plans nannte er "völlig spekulativ". Trump geht diesen Schritt auch mit Blick auf seine Bemühungen um eine Wiederwahl. Er hofft auf bessere Wahlchancen bei der jüdischen und evangelikalen Klientel in den USA.

Widerstand gibt es aber auch in Israel in den Reihen von Netanjahus rechten Koalitionspartnern: Verteidigungsminister Naftali Bennet von dem den Siedlern nahestehenden Bündnis Yamina sagte, einen Palästinenserstaat werde er nicht akzeptieren. Jede Form von Landtransfer an die Palästinenser lehne er ab. Zuvor hatte Bennett "Krieg" angekündigt zur Verteidigung der von Israel verwalteten Gebiete im Westjordanland. Auch Siedlerorganisationen machten mobil gegen die Bildung eines palästinensischen Staates.

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SZ vom 24.01.2020/SZ.de/mxm
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