Süddeutsche Zeitung

Trump nach Midterms 2018:Der Mann, der nur Vernichtung kennt

Diese Kongresswahl war ein Referendum über den US-Präsidenten. Jetzt ist klar: Viele Millionen Amerikaner unterstützen weiter dessen zerstörerische Politik voller Lügen. Trump dürfte noch unberechenbarer werden.

Kommentar von Stefan Kornelius, New York

Die Kongresswahl 2018 hatte eine einfache Funktion: Sie musste klären, ob Präsident Donald Trump eine vorübergehende Verirrung in der Geschichte der USA sein würde - oder ob da ein größeres Problem besteht. Trump selbst hat die Frage gestellt, indem er die Wahl zu einem Referendum über seine Person und Amtsführung erklärte.

Die Antwort liegt jetzt vor, und sie ist eindeutig: Trump wurde nicht als historische Dummheit weggespült. Vielmehr hat er den Wahltest zur Hälfte bestanden. Das Repräsentantenhaus ging zwar an die Demokraten - ein beeindruckender Sieg und ein Beleg dafür, wie wichtig der Kampf um jede einzelne Stimme ist. Aber im Senat werden mehr Republikaner sitzen. Wichtige Gouverneursposten wie der in Florida gingen an Trump-Gefolgsleute. Gewaltige Wählerwanderungen waren nicht zu beobachten. Amerika bleibt ein gespaltenes Land.

Das reicht nicht aus, um zu richten, was dieser Mann verbrochen hat. Trump hat eine Kraft in Amerika geweckt, die mächtig ist, undemokratisch und voller Hass. Nun ist gewiss, dass diese Kraft bleiben wird. Donald Trump hat eine Geisteshaltung vorgegeben, die mit populistisch unzureichend beschrieben ist. Trumps Führungsidee kennt nur die Vernichtung, sie will eine neue Ordnung für die USA und die Welt. Diese Idee steht im krassen Gegensatz zu Amerikas demokratischer Verfasstheit.

Ein Land beurteilt seinen Präsidenten

Der Test war also simpel: Es galt nicht nur eine Stimme abzugeben, sondern ein Urteil zu fällen über die ersten zwei Jahre des Präsidenten. Trump hat eine unfassbar miserable, lügenerfüllte und destruktive erste Amtshalbzeit absolviert. Er hat die Republikanische Partei und ihre rückgratamputierten Parlamentsvertreter auf einen Verein devoter Unterlinge reduziert.

Und vor allem hat Trump die politische Kultur durch eine nie nachlassende Kanonade an Lügen, Beleidigungen und Erniedrigungen vergiftet. Rassismus, Antisemitismus, Xenophobie und Frauenfeindlichkeit sind nun alltägliche Handelsware im politischen Geschäft der USA. In Trump schlummert ein totalitärer Vernichtungswille, der jedem Vertreter demokratischer Grundsätze Angst machen muss.

Die Wahl hat diese Diagnose nicht widerlegt, sondern bestätigt. Obwohl das Repräsentantenhaus nun in der Hand der Demokratischen Partei liegt, blieb der noch vor wenigen Wochen prognostizierte blaue Tsunami, die parlamentarische Machtübername der Demokraten vor allem auch im Senat aus. Nur diese eindeutige, wuchtige Zurückweisung Trumps hätte für Klarheit sorgen können. Die Wähler aber haben ein weit weniger deutliches Urteil gesprochen. Sie wollen auch Trump.

Der Präsident wird dieses Wählerurteil als Aufforderung verstehen, mit seiner Politik weiter zu machen, sie gar zu intensivieren - vielleicht auch, weil er nur die eine Richtung kennt. Millionen Amerikaner, in der Mehrheit weiße, einfache und wenig gebildete Bürger, unterstützen ihn. Sie tragen seinen Scheinaufstand gegen das Establishment, sie akzeptieren seine Regeln, die Argumente, Widersprüche, Lügen. Trump bedient ihre Vorstellung von Revolution. Trumpismus ist für sie eine akzeptable und verständliche Form, den politischen Willen auszudrücken und Macht zu erhalten.

Der unberechenbare Trump dürfte bald sein Kabinett umbauen

Die in dem Ergebnis ausgedrückte Spaltung der USA wird sich nun vertiefen. Bemerkenswert ist wie immer der Riss zwischen den bevölkerungsreichen Küstenregionen und der Mitte des Landes, zwischen den ländlichen und den städtischen Gebieten. Diesmal haben die Vorstädte das Lager gewechselt. Mehr nicht.

Weil dieser Mann nur die Zerstörung kennt, wird Trump in Vorbereitung seiner Wiederwahl 2020 die Schlagzahl noch einmal erhöhen. Eine massive Kabinettsumbildung und der Angriff auf den Sonderermittler Robert Mueller sind absehbar. Gleichwohl wird die Demokraten-Mehrheit im Repräsentantenhaus ihm Fesseln anzulegen versuchen. Sie kann theoretisch ein Impeachment-Verfahren einleiten, sie kann die Ministerien stärker kontrollieren und steuern, sie kann Trump auf die Nerven gehen und ihn zur Offenlegung seiner Steuerakte zwingen.

All das wird den Präsidenten nicht zähmen, sondern noch unberechenbarer machen. Das klare Feindbild Repräsentantenhaus kann ihm sogar nützlich sein, wenn er nun den politischen Amoklauf in Richtung zweite Amtszeit antritt.

Bei dieser Zwischenwahl hätte allein der vollständige und eindeutige Machtwechsel im gesamten Kongress signalisiert, dass Trump nur eine böse Verirrung gewesen sein könnte. Nun aber weiß Amerika und die Welt, dass dieser Mann gekommen ist, um zu bleiben. Und eine beachtliche Zahl von Amerikanern wird ihm dabei weiter zur Seite stehen.

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