Streit um die Mauer:Warum Trump mit dem nationalen Notstand droht

Donald Trump

Trump will vom Kongress 5,7 Milliarden Dollar für sein Wahlversprechen: den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko.

(Foto: AP)
  • US-Präsident Trump droht, den nationalen Notstand auszurufen, wenn er nicht das Geld für seine Mauer bekommt.
  • Er könnte dann die Mauer ohne Zustimmung des Kongresses finanzieren und hätte zudem noch viel weiter reichende Kompetenzen.
  • Rechtlich ist das ein umstrittener Weg. Der Kongress könnte die Trump-Regierung deswegen aber wohl nur über einen Umweg vor Gericht bringen.

Von Thorsten Denkler, New York

Drei Wochen schon hält der partielle Shutdown der US-Bundesbehörden an. Seit diesem Samstag gehört er zu den längsten der US-Geschichte. Und US-Präsident Donald Trump hat damit gedroht, dass der Shutdown noch Monate, wenn nicht Jahre andauern könnte. Mehr als 800 000 Bundesbedienstete bekommen gerade kein Geld, selbst dann nicht, wenn sie verpflichtet sind, weiterzuarbeiten. Der Kongress hat beschlossen, ihnen ihr Gehalt nachträglich auszuzahlen. Allerdings müssen die Betroffenen Rechnungen teilweise sofort begleichen - was viele in finanzielle Notlagen bringt.

Trump ist also jeder Preis recht, damit er vom Kongress 5,7 Milliarden Dollar bekommt, um sein Wahlversprechen einzulösen: den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko. Die Demokraten, die seit Anfang Januar die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen, wollen ihm das Geld aber nicht geben. Ihre Zustimmung ist nötig, um das überfällige Budgetgesetz zu beschließen, das den Shutdown beenden würde.

Einen möglichen Ausweg sieht Trump darin, den nationalen Notstand auszurufen. Immer wieder hat er in den vergangenen Tagen erklärt, dass er dazu ermächtigt sei und er davon womöglich Gebrauch machen werde, wenn die Demokraten nicht nachgeben. Was würde das bedeuten?

Was ist ein nationaler Notstand?

Laut Definition ist das ein Zustand, in dem bestimmte, unvorhersehbare Ereignisse, die das Leben oder das Wohlergehen der Amerikaner bedrohen, ein sofortiges Handeln erfordern. Klassischerweise kann das eine Naturkatastrophe, ein Kriegslage oder ein Terrorangriff aber auch eine ökonomische Notlage sein, wie eine galoppierende Inflation oder ein Börsencrash.

Fällt die Lage an der Grenze zu Mexiko unter diese Definition?

Eigentlich nicht, die Zahl illegaler Grenzübertritte geht seit Jahren zurück. Die Situation hat sich also nicht plötzlich auf dramatische Weise verschärft, so dass das Leben vieler Amerikaner oder deren Wohlergehen auf dem Spiel steht. Unvorhergesehen ist die Lage auch nicht gerade. Das dürfte Trump aber im Zweifel nicht davon abhalten, den Notstand auszurufen, wenn es ihm passt.

Hat der US-Präsident die Macht, im Alleingang einen nationalen Notstand auszurufen?

Ja, die hat er. Auch wenn die amerikanische Verfassung dieses Recht nicht explizit beschreibt. Die rechtliche Annahme ist, dass der Präsident immer bemüht ist, das Beste für sein Land zu wollen. Und er in einer Notsituation dieses Ziel ohne rechtliche Restriktionen besser erreichen kann. Dass es einen Präsidenten geben könnte, der vielleicht nicht das Beste für sein Land, sondern nur für sich selbst will, darauf ist das Land nicht vorbereitet.

Bis 1976 haben einige Präsidenten ganz ohne gesetzliche Regelung zu dem Instrument gegriffen: um der Bankenkrise von 1933 Herr zu werden, die Inflation 1971 in den Griff zu bekommen. Oder um 1950 US-Stahlwerke während des Koreakrieges verstaatlichen zu können.

Seit 1976 gibt es das Nationale Notstandsgesetz. Es setzt dem Präsidenten gewisse Grenzen, etwa was den zeitlichen Umfang eines ausgerufenen Notstandes angeht. Außerdem darf ein Präsident mit einem aus einem bestimmten Grund ausgerufenem Notstand diesen nicht auch auf andere Themenfelder ausweiten. Der Kongress bekam ein äußerst begrenztes Mitspracherecht. US-Präsidenten haben zwischen 1976 und 2007 zusammen 42 Mal den nationalen Notstand ausgerufen. Meist ging es um außenpolitische Fragen wie Sanktionen oder Notstandslagen wie 9/11. Das Gesetz hat sich allerdings nicht als besonders effektiv erwiesen. Bis heute sind etwa 30 Erklärungen noch immer in Kraft, weil der Kongress es nicht für nötig befand, diese Notsituationen formell für beendet zu erklären.

Was darf der Präsident während eines nationalen Notstandes?

Genau ist das nirgendwo festgeschrieben. Das Brennan Center for Justice hat aber 136 Rechte identifiziert, die der Kongress dem Präsidenten im Falle eines Notstandes zugebilligt hat. Diese sind ziemlich weitreichend. Er kann etwa Gesetze in Kraft setzen, die weite Teile der elektronischen Kommunikation im Land unterbinden würden. Oder mit denen er die Konten von Amerikanern einfrieren kann. Auf jeden Fall kann er aber Entscheidungen treffen, für die ansonsten die Zustimmung des Kongresses nötig wären.

Zwei Rechte könnten Trump helfen, seine Mauer zu bauen. Zum einen kann er Geld aus einem bestimmten Posten des Verteidigungshaushaltes herauslösen. Zum anderen kann er die Armee anweisen, Investitionen in zivile Hilfsprojekte zu stoppen und das Geld für seinen Notfallzweck - den Bau einer Mauer - auszugeben.

Kann der Kongress Trump stoppen?

Nach dem Notstandsgesetz von 1976 können der Senat und das Repräsentantenhaus eine gemeinsame Resolution verabschieden, in der sie die Erklärung des Notstandes missbilligen. Rechtlich bindend wird diese Resolution aber erst, wenn der Präsident ihr mit seiner Unterschrift zustimmt. Was aus offensichtlichen Gründen eher nicht passieren wird.

Die Demokraten drohen mit rechtlichen Schritten. Wie können die aussehen?

Sie hoffen, dass das Repräsentantenhaus mit seiner demokratischen Mehrheit gegen den Präsidenten klagt. Umstritten ist, ob das House dazu berechtigt ist. Manche Demokraten stützen sich auf einen ähnlichen Fall aus dem Jahr 2015. Damals wurde dem zu der Zeit republikanisch dominierten House recht gegeben, dass die Obama-Administration kein Geld am Kongress vorbei in die Finanzierung des Gesundheitswesens stecken darf. Die Regierung darf kein öffentliches Geld ohne Zustimmung des Kongresses ausgeben, hat die damalige Bundesrichterin Rosemary Collyer entschieden. Das könnte der Hebel sein, mit dem die Demokraten Trumps Ansinnen juristisch erwidern könnten.

Eine Notstandserklärung als solche kann der Kongress vor Gericht nicht anfechten. Klageberechtigt könnten allenfalls jenen Menschen sein, die direkt von den Auswirkungen der Notstandserklärung betroffen wären. Also etwa Landbesitzer, auf deren Grund Trump seine Mauer bauen will. Die Chancen aber, dass ihnen der Supreme Court, das Oberste Gericht der USA, in letzter Instanz recht gibt, sind gering. In der Regel hat der Supreme Court Notstandserklärungen für rechtens erklärt oder es vermieden, sich dazu zu äußern.

Die Demokraten hoffen, dass es diesmal anders kommen könnte. "Nicht alles, was der Präsident zum Notfall erklärt, ist auch ein Notfall", sagt der Rechtsprofessor und demokratische Kongressabgeordnete Jamie Raskin aus Maryland. Er sitzt im Justizausschuss des Repräsentantenhauses. "Wenn der Kongress Trump ein rotes Licht zeigt", sagt Raskin, "dann darf er nicht so tun, als gäbe es irgendwo in der administrativen Maschinerie der Regierung ein grünes Licht." Aber das sei eben am Ende eine juristische Frage. Er würde es begrüßen, wenn sie von Gerichten beantwortet werden würde.

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