USA und Nordkorea:Der Schock von Hanoi

  • Überraschend brechen Trump und Kim ihr Treffen in Vietnam ab. Sogar das gemeinsame Mittagessen fällt aus.
  • Die USA sind nicht bereit, ihre Sanktionen gegen Nordkorea komplett aufzuheben.
  • Nordkoreas Machthaber äußert sich erstmals zu einer Frage eines amerikanischen Reporters. Das sei in der Geschichte noch nie vorgekommen, heißt es aus Südkorea.

Von Christoph Giesen und Arne Perras, Hanoi

Der Tisch war gedeckt, die Kameras im Speisesaal des ehrwürdigen Metropole-Hotels in Hanoi zeigten die lange Tafel, unter der Decke kreisten bedächtig zwei Ventilatoren, die Glastür, durch die laut Protokoll US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un nach Abschluss ihrer Gespräche um 11.55 Uhr gemeinsam schreiten sollten, blieb geschlossen. Fünf Minuten vergingen, zehn Minuten. Snowfish sollte es geben, eine asiatische Spezialität - ein letztes gemeinsames Mittagessen. Danach die Kür. "14.05 Uhr: Der Präsident nimmt an einer Zeremonie zur Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung mit dem Vorsitzenden des Komitees für Staatsangelegenheiten der Demokratischen Volksrepublik Korea teil", so hatte es das Weiße Haus am Vorabend verbreiten lassen.

20 Minuten vergingen, 30 Minuten. Ein Zeichen für einen Durchbruch im Streit um die Denuklearisierung Nordkoreas? Da kann man schon mal den Snowfish kalt werden lassen. 40 Minuten, 50 Minuten, noch immer kein Trump und auch kein Kim, keine Regung im Speisesaal. Nach fast einer Stunde die Nachricht: "Zu diesem Zeitpunkt wurde keine Einigung erzielt", teilte die Sprecherin des Weißen Hauses mit. Kein gemeinsames Mittagessen mehr, keine Erklärung, kein Ergebnis. Der zweite Kim-Trump-Gipfel - gescheitert. Eilig fuhren beide Delegationen in ihre Hotels zurück. Die Nordkoreaner ins Melia, in der Altstadt von Hanoi, der US-Konvoi raste zum Marriott . Ob sich Trump und Kim jemals wiedersehen werden von Angesicht zu Angesicht? Das ist nun völlig ungewiss. Die Lage auf der koreanischen Halbinsel ist jedenfalls brenzliger geworden. Der von ihm selbst erhoffte Friedensnobelpreis für Trump ist in weite Ferne gerückt. Im Marriott trat Trump dann um kurz nach 14 Uhr vor die Journalisten, an seiner Seite Außenminister Mike Pompeo. Beim ersten Gipfel vor acht Monaten in Singapur hatte Trump noch alleine auf der Bühne gestanden. Die schlechte Nachricht wollte er offenbar nicht ganz alleine vortragen und kommentieren.

Vergleichsweise beherrscht wirkte Trump, ganz anders als in Singapur; damals feierte er wie berauscht die angeblich großartigen Ergebnisse, obgleich er eine allenfalls sehr vage Erklärung ausgehandelt hatte. Nun gab es in Hanoi gar kein Dokument. "Manchmal muss man einfach gehen", sagte Trump. "Ich hätte heute einen Deal abschließen können, aber das wäre etwas gewesen, womit ich nicht glücklich gewesen wäre." Zwar seien die Gespräche sehr produktiv und auch die Stimmung ordentlich gewesen. "Wir mögen uns einfach. Wir haben eine gute Beziehung", sagte Trump. Damit meinte er sich und den Diktator aus Nordkorea.

Es haperte aber an den Details. Trump zufolge bestand Kim darauf, dass die Sanktionen gegen sein Land komplett aufgehoben werden. "Wir konnten das nicht tun", sagte Trump. "Sie waren bereit, einen großen Teil der Bereiche atomar abzurüsten, die wir wollten. Aber wir konnten nicht alle Sanktionen dafür aufheben. So werden wir weiterarbeiten und sehen."

Dass die Nordkoreaner offenbar in Aussicht gestellt hatten, die große Nuklearanlage in Yongbyon zu zerstören, in der mutmaßlich Plutonium und Uran für die nordkoreanischen Atombomben produziert wurde, sei nicht genug gewesen. Über Kim sagte Trump: "Er hat eine bestimmte Vision, aber die ist nicht unsere Vision", man sei sich aber dennoch in Hanoi nähergekommen und dann auch in freundlicher Atmosphäre auseinandergegangen.

Dem setzte Nordkorea am späten Abend seine eigene Version der Ereignisse entgegen. Außenminister Ri Yong-ho trat im strömenden Regen vor das Hotel und hielt eine improvisierte Pressekonferenz ab - allein das ist mehr als ungewöhnlich. Sein Land habe nicht die Aufhebung aller, sondern nur eines Teils der Sanktionen gefordert, sagt der Minister. Und dass die angebotene atomare Abrüstung die weitreichendste Maßnahme sei, die für sein Land derzeit machbar sei. Das Angebot werde sich auch dann nicht ändern, wenn die USA neue Verhandlungen vorschlagen würden.

Das hatte Trump angedeutet, zumindest war er sehr bemüht, das offenkundige Scheitern des Treffens nicht als solches zu bezeichnen. Er lobte die großen Fortschritte, die man in Hanoi erzielt habe, ohne Details zu nennen. Er sagte nur, Kim habe zugesagt, keine Tests mehr durchzuführen. Schriftlich tat er das nicht. Er muss ihm vertrauen. Die letzte nordkoreanische Rakete wurde im November 2017 abgefeuert. Fachleute sind allerdings der Meinung, dass das Arsenal so weit entwickelt ist, dass ohnehin keine Tests mehr nötig sind.

Auch Kim beantwortete eine Journalistenfrage. Das war bisher undenkbar

In den USA wurde mit Befremden aufgenommen, wie Trump über das Schicksal von Otto Warmbier sprach. Der US-Student war Anfang 2017 in Nordkorea verhaftet und anderthalb Jahre später, beinahe hirntot, in die Heimat ausgeflogen worden. Wenige Tage nach seiner Rückkehr starb er. Warmbiers Eltern werfen dem nordkoreanischen Regime vor, ihren Sohn gefoltert zu haben. Trump sagte, er glaube Kim, dass er davon "erst später" erfahren habe.

Das abrupte Ende kam für viele in Hanoi wie ein Schock, zumal am Morgen noch ganz andere Töne von Kim und Trump zu vernehmen waren. Kurz vor neun Uhr hatten sie an einem Marmortisch Platz genommen. Reporter durften ein paar Fragen stellen, bevor sich die beiden zurückzogen. Zunächst antwortete nur Trump, eine Frage jedoch ging auch an Kim. Ob er denn zuversichtlich sei, wollte ein Reporter der Washington Post wissen. Kim blickte zuerst versteinert, dann lächelte er und begann zu sprechen, eine Szene, die beim ersten Gipfel in Singapur noch undenkbar gewesen wäre. "Es ist zu früh, um etwas zu sagen. Ich werde keine Prophezeiungen abgeben. Aber ich fühle instinktiv, dass ein gutes Ergebnis herauskommen wird", sagte er mit rauer Stimme. So banal die Sätze klingen mögen, sie erregten Aufsehen. Ein Kommentator im südkoreanischen Fernsehen betonte, dass das "in der Geschichte noch niemals vorgekommen sei".

Mit seiner Prophezeiung lag Kim daneben. Mit seiner Entourage wollte er noch zwei Tage in Vietnam bleiben - Staatsbesuch. Trump verabschiedete sich nach 40 Minuten Pressekonferenz: "So, das war's. Meine Damen und Herren, ich werde gleich in ein Flugzeug steigen und zu einem wundervollen Ort namens Washington, DC, zurückfliegen. Vielen Dank." Um 15.51 Uhr Ortszeit hob die Air Force One ab, zwei Stunden früher als geplant.

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