Nordkorea:Statt Gipfel-Show braucht es mühsame Verhandlungen

Ein Atomprogramm lässt sich nicht in ein paar Stunden beenden - dafür sind langfristige, multilaterale Verhandlungen nötig. Wenn Trump das nicht einsieht, kann es auf der Koreanischen Halbinsel schnell wieder gefährlich werden.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Es ist einfach, ein Atomabkommen mit einer Unterschrift unter ein Präsidialdekret zu "zerreißen", wie es US-Präsident Donald Trump mit dem Iran-Deal getan hat. Wie viel schwerer es ist, eine ähnliche Vereinbarung mit Nordkorea zu erzielen, hat der selbsterklärte Deal-Maker gerade in Hanoi erfahren. Manchmal bliebe nichts, als davonzugehen, hat er nach seinem Treffen mit Kim Jong-un gesagt. Die Erwartungen an dieses zweite Gipfeltreffen innerhalb von acht Monaten hatte der Präsident zuvor schon heruntergedimmt - und nicht einmal diesen geringen Erwartungen ist die Zusammenkunft mit seinem "Freund" gerecht geworden.

Das ist zugleich eine Überraschung und keine Überraschung. Überraschend ist, dass es nicht einmal gelungen ist, eine gemeinsame Abschlusserklärung zu unterzeichnen, die es beiden Seiten erlaubt hätte, das Gesicht zu wahren und das Treffen als Erfolg zu verkaufen. Noch tags zuvor hatte das Weiße Haus eine Zeremonie der beiden Staatsmänner zu diesem Zweck angekündigt. Jetzt bleibt Trump nichts als Schadensbegrenzung und die Hoffnung, dass Kim dem Verhandlungsprozess eine weitere Chance gibt und nicht in alte Routinen zurückfällt. Lange folgte die Choreografie der Beziehungen dem bekannten Muster, dass Nordkorea zu Provokationen greift, um der Gegenseite dann weitergehende Zugeständnisse abzutrotzen.

Eine Abwicklung des nordkoreanischen Atomprogramms würde Jahre dauern

Wenig überraschend ist dagegen, dass es in der Sache keine Fortschritte gibt und Nordkorea mit Maximalforderungen in die Gespräche gegangen ist. Beim ersten Gipfeltreffen in Singapur haben Trump und Kim zwar die griffige Formel von der "vollständigen Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel" bekräftigt, sich aber nicht einmal darüber verständigt, was sie darunter verstehen, geschweige denn, mit welchen Schritten und Gegenleistungen dieses Ziel erreicht werden soll. Es spricht Bände, dass hochrangige Diplomaten der beiden Seiten auf Arbeitsebene keine nennenswerten Fortschritte erzielen konnten und Trump in der ihm eigenen Hybris als Ausweg auf einen weiteren Gipfel setzte.

Alle ernstzunehmenden Experten gehen davon aus, dass eine Abwicklung des nordkoreanischen Atomprogramms zehn bis 15 Jahre in Anspruch nehmen würde - sofern Kim Jong-un sich überhaupt darauf einzulassen bereit ist. Schon daran sind gewaltige Zweifel angebracht. Es müssten komplexe technische Prozesse vereinbart werden, ein detaillierter Ablaufplan, der vertrauensbildende Schritte vorsieht, für jede geschlossene Atomanlage eine Gegenleistung bietet. So etwas auszuhandeln dauert Jahre, und der Teufel steckt im Detail. Beim Iran-Abkommen waren Hunderte Experten verschiedener Ministerien über drei Jahre mit fast nichts anderem beschäftigt.

Trump gilt als unberechenbar und unglaubwürdig

Es ist schon richtig, dass die wesentlichen Entscheidungen auf höchster politischer Ebene getroffen werden müssen. Aber sie lassen sich nicht ohne akribische Vorbereitung in ein paar Stunden zwischen den Staatschefs herbeizwingen, auch nicht mit Charme und Verhandlungsgeschick, die Trump für sich in Anspruch nimmt. Er verkennt, dass die fundamentalen Interessensgegensätze sich nicht durch Inszenierung und Kumpelei überbrücken lassen.

Für Nordkorea sind Atomwaffen und Raketen eine Überlebensgarantie, die Kim allenfalls im letzten Schritt eines langjährigen Prozesses aufgeben wird - nie aber in Vorleistung für blumige Versprechungen wirtschaftlicher Entwicklung. Trump ist selbst schuld, dass er durch seine sprunghaften Entscheidungen international als unberechenbar und unglaubwürdig gilt. Das Regime in Pjöngjang braucht belastbare Sicherheitsgarantien, die Nachbarländer und Regionalmächte müssen eingebunden sein.

Ein mühsamer multilateraler Verhandlungsprozess mag ein rotes Tuch sein für Trump und seinen Außenminister Mike Pompeo, aber es ist wohl die einzige erfolgversprechende Strategie. Wenn Trump das nicht einzusehen vermag, wird er früher oder später wieder zu seinem impulsiven Verhalten zurückkehren - und dann kann es ganz schnell wieder sehr gefährlich werden auf der Koreanischen Halbinsel.

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