Rassismus-Proteste in den USA:Wahlkämpfer Trump will rechtsaußen punkten

US-Präsident Donald Trump in New Hampshire 2020

US-Präsident Donald Trump Ende August bei einem Wahlkampfauftritt in Londonderry, New Hampshire.

(Foto: REUTERS)

Der Präsident geht mit der Gewalt rund um die Rassismus-Proteste auf seine Weise um - und befeuert so einen Gesellschaftskonflikt, in dem es in den jüngsten Wochen mehrere Tote gab.

Von Anika Blatz

Noch etwa zwei Monate dauert es bis zur US-Präsidentschaftswahl, Endspurt für Amtsinhaber Donald Trump, der am 3. November seine zweite Amtszeit sichern will. Die zunehmende Gewalt am Rande von Antirassismus-Protesten in vielen amerikanischen Städten wird dabei immer mehr zum entscheidenden Wahlkampfthema. Für den heutigen Dienstag hat der US-Präsident seinen Besuch in der Stadt Kenosha, Wisconsin, angekündigt.

Dort war es zu Unruhen gekommen, nachdem am 23. August ein weißer Polizist dem Afroamerikaner Jacob Blake bei einem Polizeieinsatz siebenmal in den Rücken geschossen hatte. Auf einem Video ist zu sehen, wie der 29-Jährige, gefolgt von zwei Polizisten mit auf ihn gerichteten Waffen, zu seinem Auto läuft. Als sich Blake in sein Fahrzeug beugt, fallen die Schüsse.

Der Mann habe ein Messer in seinem Fahrzeug gehabt - das habe er den Polizisten erzählt -, sagte der Generalstaatsanwalt des Bundesstaates Wisconsin, Joshua Kaul. Weitere Angaben wurden nicht gemacht. Der Familienvater überlebte schwer verletzt, ist nach den Schüssen aber querschnittsgelähmt.

Der Vorfall löste zahlreiche Proteste in der Stadt aus. Neben friedlichen Demonstrationen kam es insbesondere nachts zu zum Teil gewalttätigen Unruhen zwischen linken Demonstranten und rechten Trump-Anhängern. Der Gouverneur Tony Evers entsandte daraufhin die Nationalgarde nach Kenosha.

Während dieser Proteste soll der 17-jährige Kyle R., Angehöriger einer rechten Bürgerwehr, in der Nacht vom 25. auf den 26. August zwei Demonstranten der "Black Lives Matter"-Bewegung mit einem halbautomatischen Gewehr erschossen und eine weitere Person verletzt haben. Aufnahmen von Handykameras zeigen nur Ausschnitte des Geschehens, unter anderem, wie einige Männer versuchen, den bewaffneten Jugendlichen zu überwältigen, der daraufhin um sich schießt.

Trump verteidigte den Todesschützen. Der junge Mann habe in Notwehr gehandelt, so stellte es der Präsident hin: Die Demonstranten hätten ihn "sehr gewalttätig" angegriffen und er "wäre wohl getötet worden", sagte er am Montagabend (Ortszeit). Bislang gibt es allerdings kein offizielles Untersuchungsergebnis, das Trumps Einschätzung belegt.

Lediglich der Anwalt des mutmaßlichen Todesschützen, John Pierce, argumentierte in die gleiche Richtung: Sein Mandant habe seine Gemeinde verteidigt, als der Staat es nicht getan habe - er sei ein Beispiel für amerikanischen Patriotismus und Kampfesmut.

Seit dem Tod des Ende Mai bei einem Polizeieinsatz durch weiße Polizisten erstickten Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis demonstrieren Aktivisten in zahlreichen US-Orten immer wieder und immer entschiedener gegen Polizeigewalt und Rassismus. Vor allem die Stadt Portland hat sich dabei zu einem Brennpunkt entwickelt. Seit drei Monaten kommt es dort täglich zu "Black Lives Matter"-Protesten.

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In der Nacht zum vergangenen Sonntag kam es erneut zu einem tödlichen Zwischenfall: Ein rechter Milizionär wurde bei Protesten in der Stadt Portland, Oregon, von einem Mann aus der linken Szene erschossen. Zuvor demonstrierten in der Stadt am Samstag Hunderte Trump-Anhänger - viele davon bewaffnet - mit einer Kolonne aus Trucks gegen einen "Black Lives Matter"-Marsch.

Die Kolonne sollte mit einigem Abstand an den anderen Demonstranten vorbeifahren. Als die Trucks von der Route abwichen, kam es zu Auseinandersetzungen. An einer Kreuzung seien schließlich Schüsse gefallen, berichteten Lokalmedien. Auf einem YouTube-Video sind zwei Schüsse zu hören, zu sehen ist ein Mann, der noch einige Schritte läuft und dann zusammenbricht. In einem anderen Clip ist der offenbar angeschossene Mann auf der Straße liegend zu sehen, andere Personen eilen ihm zu Hilfe.

Bei dem später an einer Schusswunde in der Brust verstorbenen Mann soll es sich um Jay Bishop, alias Aaron Danielson, handeln, einem Angehörigen der Gruppe "Patriot Prayer". Die in der Region Portland ansässige Vereinigung wird von der Bürgerrechtsorganisation "Southern Poverty Law Center" als rechtsextrem eingestuft und ist nach Medienberichten immer wieder in Auseinandersetzungen mit linken Gruppen involviert.

Herausforderer Biden wirft Trump vor, die Flammen anzufachen

"Rest in Peace" schrieb Trump am Tag nach Bishops Tod zu einem Tweet, in dem dieser als guter Amerikaner beschrieben wird. Auch für die Truck-Demonstranten fand Trump warme Worte: Auf Twitter schrieb er, das seien "große Patrioten". Die "Black Lives Matter"-Bewegung bezeichnete Trump in einem Fox News-Interview hingegen als "marxistische Organisation".

Dem Republikaner Trump wird nicht zuletzt wegen solcher Aussagen vorgeworfen, den Rassismus im Land kleinzureden. "Es wüten Brände und wir haben einen Präsidenten, der die Flammen anfacht, anstatt sie zu bekämpfen", sagte etwa sein demokratischer Herausforderer Joe Biden. Je mehr Chaos und Gewalt, desto besser sei es für dessen Wiederwahl, prognostiziert Biden.

Von einer Reise nach Kenosha rieten Gouverneur Evers wie auch Bürgermeister John Antaramian, beides Demokraten, Trump aus Sorge vor einer Eskalation hingegen ab. Trump, der die Wahl in Wisconsin vor vier Jahren nur knapp gewann, entgegnete auf einer Pressekonferenz, sein Besuch in Kenosha könne "Liebe und Respekt für unser Land steigern".

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