Süddeutsche Zeitung

Impeachment:US-Demokraten hoffen auf symbolischen Sieg

  • Die Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus stimmen für die Übersendung der Impeachment-Anklage an den Senat.
  • Vermutlich am Dienstag kommender Woche wird der Senat mit dem Prozess gegen US-Präsident Trump beginnen.
  • Mit einer Verurteilung rechnet niemand. Ein großer moralischer Sieg wäre es wohl schon, wenn sich einige republikanische Dissidenten fänden.

Von Hubert Wetzel, Washington

Es hätte ja auch E-Mail gegeben. Immerhin schreiben wir das Jahr 2020. Nancy Pelosi, die demokratische Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, hätte in ihrem Büro im Südflügel des Kapitols auf "senden" klicken können, und prompt hätte auf der Nordseite der republikanische Senatsführer Mitch McConnell Post bekommen. Ein Doppelklick auf den Anhang, und da wären sie gewesen, schön sauber als PDF - die Articles of Impeachment gegen Donald Trump, die Amtsenthebungsanklage, beschlossen am 18. Dezember vom Repräsentantenhaus, am 15. Januar übersandt an den Senat, auf dass dieser dem Präsidenten den Prozess mache.

Aber die Tradition will es, dass die Anklageschrift bei einem Impeachment auf Papier und per Hand von einem Boten von einer Seite des Kapitols zur anderen getragen wird. So wollte Pelosi es auch am Mittwoch halten, nachdem das Abgeordnetenhaus zuvor mit 228 zu 193 Stimmen für die Übersendung der Anklage votiert hatte.

Mehrere Republikaner im Senat halten Trumps Umgang mit der Ukraine für anrüchig

Die Verfassung der USA gibt dem Kongress das Recht, einen Präsidenten abzusetzen. Sie weist den Parlamentskammern dabei unterschiedliche Rollen zu. Das Abgeordnetenhaus ist für die Beweisaufnahme und die Anklage zuständig. Dieser Teil des Verfahren ist abgeschlossen - die von den Demokraten beherrschte Kammer hat die Articles of Impeachment im Dezember gebilligt. Die Anklagepunkte: Der Präsident habe erstens seine Macht missbraucht, weil er die Ukraine zwingen wollte, gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden zu ermitteln; danach habe Trump zweitens die Ermittlungen des Kongresses behindert. Nach Ansicht der Demokraten und etwa der Hälfte der Amerikaner sollte der Präsident deswegen des Amtes enthoben werden.

Über Schuld oder Unschuld entscheidet freilich der Senat. Sobald die Articles of Impeachment dort vorliegen, beginnt in der Kammer eine Art Gerichtsprozess. Pelosi gab am Mittwoch bekannt, dass sieben demokratische Abgeordnete als Ankläger auftreten werden, darunter Adam Schiff und Jerry Nadler, die Vorsitzenden des Geheimdienst- und Justizausschusses. Geleitet wird dieses Verfahren von Chief Justice John Roberts, dem Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs. Am Ende fungieren dann die 100 Senatoren als Geschworene. Um Trump aus dem Amt zu werfen, müssten zwei Drittel von ihnen, also 67, gegen den Präsidenten votieren. Da die Demokraten aber nur 47 Stimmen im Senat haben, brauchen sie für ein Schuldurteil 20 republikanische Überläufer. Nach jetzigem Stand ist das ausgeschlossen.

Das bedeutet nicht, dass Trump sich keinerlei Sorgen machen müsste. Denn einige der 53 republikanischen Senatoren halten den Umgang des Präsidenten mit der Ukraine zumindest für so zweifelhaft und anrüchig, dass sie die Anklage nicht einfach abweisen wollen. Das wäre nach den Regeln möglich, und Senatsführer Mitch McConnell, ein enger Verbündeter Trumps, hätte wohl nichts dagegen. Aber dafür bräuchte er 51 Stimmen. Und die hat er nicht.

Deswegen wird der Senat wohl nächste Woche mit dem Prozess gegen Trump beginnen, vermutlich am Dienstag. Das Verfahren dürfte zwei oder drei Wochen dauern, verhandelt wird täglich, außer an Sonntagen. Da alle Senatoren persönlich anwesend sein müssen, werden einige demokratische Präsidentschaftsbewerberinnen und -bewerber, die der Kammer angehören, ihren Wahlkampf unterbrechen müssen. Das ist, so kurz vor der ersten Vorwahl am 3. Februar in Iowa, nicht ideal.

Unklar ist bisher, ob der Senat sich nur auf das - für Trump recht verheerende - Beweismaterial stützt, welches das Abgeordnetenhaus gesammelt hat, oder eigene Zeugen vorlädt. McConnell möchte das lieber vermeiden. Die Demokraten wollen hingegen zumindest Trumps früheren Sicherheitsberater John Bolton aussagen lassen. Er soll empört gewesen sein, dass der Präsident versucht hat, die Ukraine zu erpressen, um sich einen persönlichen Vorteil im nächsten Wahlkampf zu verschaffen. Dieser Streit um die Vorladung weiterer Zeugen war der Grund, warum Pelosi die Articles of Impeachment bis jetzt zurückgehalten hat. Sie wollte McConnell zu Zugeständnissen zwingen.

Republikaner und Demokraten haben sich nun auf diesen Ablauf geeinigt: Der Prozessbeginn, Anklage und Verteidigung tragen zunächst ihre Argumente vor. Erst dann stimmt der Senat über die Ladung weiterer Zeugen ab. Die Republikaner haben die Demokraten allerdings gewarnt: Wenn diese Bolton vorladen, werde auch Hunter Biden aussagen müssen, Joe Bidens Sohn. Dessen etwas undurchsichtige, aber gut bezahlte Arbeit für den ukrainischen Gaskonzern Burisma - just zu der Zeit, als sein Vater als US-Vizepräsident für Amerikas Ukrainepolitik zuständig war -, steht im Mittelpunkt der ganzen Affäre. Trump wittert dahinter ein familiäres Korruptionskomplott, obwohl es dafür keine Beweise gibt.

Mit einer Verurteilung Trumps rechnet in Washington aber niemand. Ein großer moralischer Sieg wäre es schon, wenn sich vier republikanische Dissidenten fänden, sagt ein Demokrat. Dann gäbe es 51 Stimmen gegen Trump - immerhin eine Mehrheit, wenn auch nicht die zur Amtsenthebung notwendige Zweidrittelmehrheit. Und dieses Ziel zu erreichen, ist nicht völlig illusorisch. Mindestens drei Republikaner - Mitt Romney, Susan Collins und Lisa Murkowski - gelten als Trump-Skeptiker und mögliche Abweichler. Da fehlt dann nur noch eine einzige Stimme für einen symbolischen Sieg.

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SZ vom 16.01.2020/fued
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