Süddeutsche Zeitung

Trump-Impeachment:Die sechs Argumente der Republikaner

In den Impeachment-Ermittlungen gegen Trump ist die Beweislast erdrückend. Aber irgendwie müssen die Republikaner ihren Chef ja verteidigen.

Analyse von Thorsten Denkler, New York

Es steht außer Frage, dass Donald Trump das drohende Impeachment politisch überleben wird. Das von den Demokraten dominierte Repräsentantenhaus wird das Amtsenthebungsverfahren zwar beschließen. Aber im Senat fehlen den Demokraten 20 Stimmen der Republikaner, um Trump letztlich aus dem Amt hebeln zu können. Dennoch überlassen die Republikaner den Demokraten nicht kampflos das Feld. Es gilt, den republikanischen Stammwählern zu zeigen, dass Trump in ihren Augen völlig unschuldig ist. Und er nichts getan hat, was auch nur im Ansatz ein Amtsenthebungsverfahren rechtfertigen könnte. Es geht vor allem darum, den Ton für den aufflammenden Präsidentschaftswahlkampf zu setzen.

Die bisherigen öffentlichen Anhörungen in den Voruntersuchungen für ein Impeachment aber machen es den Republikanern nicht gerade einfach. Zeuge um Zeuge bestätigt, was die Demokraten nachweisen wollen: Dass Trump eine ausländische Macht, die Ukraine, gedrängt hat, zu seinem persönlichen Vorteil gegen einen innenpolitischen Gegner zu ermitteln: gegen Joe Biden, der gute Chancen hat, als Kandidat der Demokraten gegen Trump in die Präsidentschaftswahl 2020 geschickt zu werden.

An diesem Dienstag wird der US-Offizier Alexander Vindman gegen seinen Präsidenten und Oberbefehlshaber aussagen. Er ist einer der Zeugen, von dem sich die Demokraten bei ihrem Amtsenthebungsverfahren gegen Trump besonders viel versprechen.

Die Republikaner haben im Kern sechs Strategien entwickelt, mit denen sie das Narrativ der Demokraten durchbrechen wollen:

1. "Es gab kein Quidproquo"

Das ist bis heute Trumps Lieblingsverteidigung. Kaum hat das Weiße Haus die grobe Mitschrift des Gesprächs zwischen ihm und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij vom 25. Juli veröffentlicht, nimmt Trump es als Beweis dafür her, dass das ein "perfekter" Anruf gewesen sei. Und es "kein Quidproquo" gegeben habe, kein Angebot zur Gegenleistung, kein gar nichts.

In Rede steht, ob Trump etwa 400 Millionen Dollar Militärhilfe zurückhielt sowie ein Treffen im Oval Office verweigerte, solange Selenskij sich nicht öffentlich zu Ermittlungen gegen Biden bekennt.

"Kein Quidproquo", das ist Trumps Mantra. In Reden, in Tweets, in Pressestatements. Die Argumente dafür (das Gegenargument in Klammern):

  • Selenskij bestätigt Trumps Aussage, es habe keinen Druck und kein Gegengeschäft gegeben. (Was soll Selenskij auch anderes sagen, er ist vom Wohlwollen Trumps abhängig.)
  • In den Gesprächen fordert Trump nicht eindeutig zu einer Gegenleistung für die Militärhilfen auf. (Das beweist höchstens, wie vorsichtig Trump gefragt hat. Dass er um Ermittlungen bittet, ist eindeutig.)
  • Die Ukraine sei sich zum Zeitpunkt des Telefonates nicht bewusst gewesen, dass die Militärhilfe eingefroren war. (Nach Zeugenaussagen ist das der Ukraine spätestens nach dem Telefonat vermittelt worden.)
  • Das Geld ist ausgezahlt worden, obwohl es keine Ermittlungen gab. (Das Geld ist ausgezahlt worden, nachdem die Affäre öffentlich wurde.)

So gut wie alle Zeugen berichten, dass nach ihrem Verständnis sehr wohl auf ein Quidproquo gedrängt wurde: Ihr liefert uns Dreck gegen Biden, wir geben euch eure Militärhilfe und ein Treffen im Oval Office. Der geschäftsführende US-Botschafter in Kiew, William "Bill" Taylor, etwa sagte, dass es sein "klares Verständnis" war, dass die Militärhilfe nicht ausgezahlt werde, wenn Selenskij keine Ermittlungen gegen Biden anordnet.

Ähnlich hat sich auch Gordon Sondland geäußert. Der war mal Hotel-Magnat, ist jetzt aber US-Botschafter in Brüssel. Vor allem deshalb, weil er Trump viel Geld für seine Amtseinführungsfeiern gespendet hat. Er berichtigte seine Aussagen in geheimer Sitzung und erklärt jetzt, er habe einem Berater von Selenskij seine Sicht erklärt, dass nämlich die Militärhilfe "wahrscheinlich" nicht gezahlt werde, solange die Ukraine sich nicht wie gefordert öffentlich zur Antikorruption bekennt. Womit Ermittlungen gegen Biden gemeint sind. Sondland wird an diesem Mittwoch öffentlich im Kongress aussagen müssen.

2. "Das ganze Verfahren ist unfair und verfassungswidrig"

Am 24. September hatte die oberste Demokratin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, erklärt, dass in der Ukraine-Affäre ab sofort Voruntersuchungen für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump anlaufen werden. Sofort waren die Republikaner empört. Das sei unfair gegenüber dem Präsidenten und verfassungswidrig.

Die Kritik richtete sich vor allem gegen den Umstand, dass Pelosi ohne formale Abstimmung Impeachment-Anhörungen einsetzte. In den beiden bisherigen Fällen, in denen ein US-Präsident im House impeached worden ist, gab es zwar schon früh im Verfahren solche Abstimmungen. Aber von der Verfassung vorgeschrieben sind sie nicht.

Dennoch stützt sich das Weiße Haus in seiner Weigerung, mit den Ermittlern im House zusammenzuarbeiten, vor allem auf die fehlende Abstimmung. Außerdem kritisieren Republikaner und das Weiße Haus, dass die ersten Anhörungen hinter verschlossenen Türen stattgefunden haben. Was allerdings ein ziemlich normaler Vorgang ist. Außerdem waren in jeder Anhörung auch Vertreter der Republikaner anwesend.

Eine Meute Republikaner hielt das aber nicht davon ab, Ende Oktober in einem großen Pulk eine solche vertrauliche Impeachment-Sitzung zu stürmen, um die angebliche Intransparenz des Verfahrens bloßzustellen.

Am 31. Oktober hat das House das Prozedere mit einer Abstimmung dann formalisiert. Im Nachgang wurden nach und nach alle Zeugenaussagen als Mitschrift veröffentlicht. Außerdem treten die Zeugen jetzt auch noch mal öffentlich vor den Kongress.

Trump fand die Kritik am Verfahren nicht besonders klug. "Ich würde lieber dabei bleiben, auf den Fall zu schauen", sagte er. Und der sei ganz einfach. Er habe nichts falsch gemacht.

3. "Alles Never Trumper"

Wenn mal wieder ein Zeuge auftritt, der im Kern bestätigt, was die Demokraten ohnehin vermuten, dann ist Trump schnell bei der Hand mit der Formulierung, das sei ohnehin nur ein "Never Trumper". Also einer, der Trump hasst und deswegen solchen Unsinn erzählt.

Dazu gehört nach Trumps Ansicht etwa Jennifer Williams, Mitarbeiterin im Weißen Haus. Sie hatte ausgesagt, dass Trumps Frage nach Ermittlungen gegen Biden "ungewöhnlich und unangemessen" gewesen sei. Das Weiße Haus wurde gefragt, wie es auf Trumps Attacke gegen die eigene Mitarbeiterin reagiere. Die lapidare Antwort: Williams sei "eine Mitarbeiterin des US-Außenministeriums". Das ist wahr, aber doch nicht ganz. Tatsächlich ist sie vom State Department an das Weiße Haus entliehen. Sie arbeitet als persönliche Beraterin von Vizepräsident Mike Pence in allen Fragen zu Europa und Russland, eine handverlesene Stelle.

Oder auch William "Bill" Taylor, ein Karriere-Diplomat alter Schule. Er hat schon unter allen möglichen Präsidenten gedient. Und war bereits in Pension, als er im Frühjahr gefragt wurde, ob er die vakante Stelle des US-Botschafters in Kiew geschäftsführend übernehmen wolle. Seine Frau war dagegen. Er habe sich aber nach dem Grundsatz für den Posten entschieden: Wenn das Land dich fragt, dann folgst du.

Über Marie Yovanovitch, die im Frühjahr unter dubiosen Umständen gefeuerte US-Botschafterin in Kiew, hat Trump noch während ihrer Anhörung am vergangenen Freitag getwittert: Sie habe überall verbrannte Erde hinterlassen, wo sie eingesetzt gewesen sei. Eine Behauptung ohne jede Substanz. Yovanovitch, noch in der Sitzung danach gefragt, erklärte, dass sie den Tweet als einschüchternd empfinde.

Am schlimmsten hat es Alexander Vindman erwischt, der einzige Zeuge bisher, der das Telefonat von Trump mit Selenskij live mitgehört hat. Weil er ukrainischer Abstammung ist, haben manche rechte Republikaner seinen Patriotismus hinterfragt und insinuiert, er sei womöglich ein Doppelagent, ein Spion, ein Verräter, entsandt von der Ukraine, um Trump zu Fall zu bringen. Vindman ist ein hochdekorierter Militärangehöriger und Ukraine-Kenner. Er arbeitet im Weißen Haus als Berater im Nationalen Sicherheitsrat. Für keine der Behauptungen gibt es irgendeinen Beweis. Auch nicht dafür, dass er, wie Trump getwittert hat, ebenfalls ein "Never Trumper" sei.

Die Erzählung reicht aber noch weiter. Stephen Miller, ein äußerst rechter Trump-Berater im Weißen Haus, hat ohne jeden Beleg behauptet, der Whistleblower, der mit seinem Bericht die Affäre erst ins Rollen gebracht hat, sei Teil des "Deep State". Dahinter verbirgt sich die Verschwörungstheorie, dass innerhalb der US-Regierung einer Art Schattenorganisation ihr Unwesen treibt, der Deep State, mit dem einzigen Ziel, Trump aus dem Weg zu räumen. Tatsächlich ist der Bericht des Whistleblowers, der den dafür vorgesehenen Dienstweg eingehalten hat, von Trumps Geheimdienstdirektor Joseph Maguire als glaubwürdig anerkannt worden.

4. "Das ist alles nur Hörensagen, kein Zeuge hat mit Trump gesprochen"

Für die allermeisten Zeugen trifft das in der Tat zu. Oder besser: für die allermeisten Zeugen, die der Aufforderung zur Aussage nachkommen. Die Trump-Regierung verweigert nämlich jede Zusammenarbeit und hat alle Mitarbeiter angewiesen, nicht mit dem Kongress zu kooperieren. Dem gegenüber stehen eigentlich verpflichtende Vorladungen des Geheimdienst-Ausschusses. Die Anwälte der meisten angefragten Mitarbeiter haben ihren Klienten geraten, der Vorladung zu folgen. Im Zweifel lieber den Job los als im Knast, ist die schlichte Formel hinter der Entscheidung.

Für Mitarbeiter im engsten Umfeld von Trump gilt das zwar so ähnlich auch. Sie aber ziehen lieber vor Gericht. Oder beugen sich freiwillig dem Druck aus dem Oval Office, nicht auszusagen. Rudy Giuliani etwa, Trumps persönlicher Anwalt und eine zentrale Figur in der Ukraine-Affäre, wird wohl nicht aussagen. Auch nicht Außenminister Mike Pompeo. Und natürlich nicht Vizepräsident Mike Pence oder gar Trump selbst. Der Vorwurf, die bisherigen Zeugen hätten keine direkten Erkenntnisse zu berichten, ist da etwas wohlfeil.

Auf mindestens drei Zeugen trifft das übrigens nicht zu:

  • Gordon Sondland, der US-Botschafter in Brüssel und Großspender an Trump. Er hatte wohl mindestens ein Gespräch mit Trump in der Sache. Am Tag nach dem umstrittenen Telefonat mit Selenskij soll sich Trump bei ihm erkundigt haben, wie es denn mit den Ermittlungen so laufe. Ein starker Hinweis, dass Trump direkt involviert war. Trump verneint, je mit Sondland gesprochen zu haben.
  • Den Offizier und Mitarbeiter im Nationalen Sicherheitsrat Alexander Vindman. Er hat das Telefonat mit Selenskij live mitgehört und war danach überaus beunruhigt.
  • Tim Morrison, scheidender Chef der Abteilung für Europa und Russland im Nationalen Sicherheitsrat. Auch er hat das Telefonat mit angehört, will aber nichts Illegales darin entdeckt haben.

5. "Es geht doch nur um das Wohl der Ukraine"

In einem Memo, das Mitarbeiter der Republikaner für die Anhörung verfasst haben, geben sie den Abgeordneten unter anderem diese Argumentation für die Anhörung an die Hand: Sie sollen in ihren Befragungen herausarbeiten, dass Trump guten Grund hatte, skeptisch gegenüber der Ukraine zu sein.

Die Geschichte geht so: Die Ukraine sei ein hochgradig korruptes Land, das sei sie schon immer gewesen. Trump wolle nur sicherstellen, dass die ukrainischen Führer sich tatsächlich der Korruptionsbekämpfung verschreiben, bevor er fast 400 Millionen Dollar an Militärhilfe in deren Staatskasse spült. Außerdem hätten diverse hochrangige Politiker der Ukraine im Wahlkampf 2016 mit herabsetzenden Äußerungen bewiesen, dass sie Trump nicht mögen und deshalb habe der US-Präsident allen Grund, skeptisch zu sein. Deshalb und nur deshalb habe er das Geld für die Ukraine so lange zurückgehalten.

Es war der Anwalt der Republikaner im Geheimdienst-Ausschuss, Steve Castor, der diese Argumentationsstrategie in seiner Zeugenbefragung ausgiebig getestet hat. Castor hat in den Anhörungen versucht, die Zeugen auf Aussagen festzunageln, die diese Geschichte stützen. Etwa so: Castor: "Die Ukraine ist ein korruptes Land, korrekt?" Und die Zeugen konnten dann nur mit einem pflichtschuldigen "Ja" antworten. Botschafter Taylor hat er diese leicht durchschaubare Frage gestellt: "Sie erkennen bestimmt an, dass Präsident Trump sehr beunruhigt war und glauben musste, dass manche Kräfte aus der Ukraine gegen ihn waren, ihn nicht unterstützt haben und ihn drankriegen wollten", sagte Castor und schob die Frage nach: "Also erkennen Sie sicher die Besorgnis des Präsidenten an?" Taylor schaut verdutzt. Und antwortet, das wisse er nicht.

Für den Beobachter hat diese Geschichte aus drei Gründen Lücken:

  • Zum einen haben jene ukrainische Politiker, die Trump im US-Wahlkampf 2016 kritisiert haben, auf Trumps Aussagen reagiert, die Krim gehöre vielleicht doch zu Russland. Das war ein Affront, auf den sie entsprechend angefressen reagiert haben, wie die frühere US-Botschafterin in der Ukraine Marie Yovanovitch anmerkte.
  • Außerdem hat das US-Verteidigungsministerium schon im Mai die Freigabe der Militärhilfe befürwortet, weil die Bedingungen, nämlich dass die ukrainische Führung sich der Korruptionsbekämpfung verschreibe, eingehalten sei. Überwiesen wurde die Hilfe aber erst am 11. September. Zwei Tage nachdem drei Ausschüsse im Repräsentantenhaus mit ersten Untersuchungen wegen der Sache begonnen haben.
  • Und: In den bisher veröffentlichten Gesprächsprotokollen von Telefonaten zwischen Trump und Selenskij benutzt Trump nicht einmal das Wort Korruption. Stattdessen nennt er Biden namentlich.

6. "Es mag ja alles stimmen, aber wenn schon?"

Mit dieser Argumentationsstrategie ist am 17. Oktober Trumps geschäftsführender Stabschef Mick Mulvaney vor die Presse getreten. In einem turbulenten Austausch hat er erklärt, dass es selbstverständlich ein Gegengeschäft gegeben habe, dass so etwas völlig normal sei. Einige Stunden später erklärte er, dass er nichts von dem gesagt habe, was er gerade gesagt habe.

Einige Republikaner aber fanden das offenbar gar nicht so schlecht. Die Beweislage ist ziemlich erdrückend. Warum also nicht alles zugeben, aber erklären, dass das ja wohl auf keinen Fall amtsenthebungswürdig ist?

Mac Thornberry etwa, republikanischer Abgeordneter aus Texas, fand: "Wenn es eine Bedingung war, dass die Militärhilfe nur gegen Ermittlungen gegen einen politischen Rivalen fließt, dann ist das unangemessen. Aber dass das ein amtsenthebungswürdiges Vergehen ist, das ist eine ganz andere Frage."

Trump gefällt diese Strategie überhaupt nicht. Er bleibt dabei: Ein Gegengeschäft hat es nie gegeben. "Mag sein", schrieb Trump auf Twitter, "aber lest das Transkript, da ist kein Quidproquo." Er meint die Mitschrift des Telefonates mit Selenskij. Wer das liest, kann allerdings schwer glauben, dass es kein Quidproquo gab.

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