Impeachment:Mehr Show als Strafprozess

Impeachment: Aus Sicht der Demokraten haben die beiden Topdiplomaten George Kent (rechts) und Bill Taylor den Präsidenten belastet - die Republikaner sind anderer Meinung.

Aus Sicht der Demokraten haben die beiden Topdiplomaten George Kent (rechts) und Bill Taylor den Präsidenten belastet - die Republikaner sind anderer Meinung.

(Foto: AP)
  • Zwei wichtige Zeugen haben bei ihren Aussagen im Impeachment-Verfahren gegen US-Präsident Donald Trump den zentralen Vorwurf der Demokraten bestätigt.
  • Demnach nutze Trump seine Macht, um Ermittlungen gegen seinen demokratischen Kontrahenten Joe Biden durch die Ukraine voranzutreiben.
  • Die Republikaner halten dennoch weiter zu ihrem Präsidenten.

Von Hubert Wetzel, Washington

Donald Trump war am Mittwochnachmittag recht guter Laune. Er hatte den türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdoğan zu Gast, dessen mitgereiste Hofjournalisten bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Weißen Haus so staatstragende Fragen stellten, dass selbst der US-Präsident, nicht als Fackelträger der Pressefreiheit bekannt, einen sarkastischen Scherz machte. "Sind Sie sicher, dass Sie Journalistin sind und nicht für die türkische Regierung arbeiten?", fragte er eine Reporterin, die ihn zuvor über das Wesen des kurdischen Terrorismus aufgeklärt hatte.

Dass auch Trump durchaus weiß, was Hofberichterstattung wert ist, zeigte sich dann daran, wem er die erste Frage bei der Pressekonferenz gewährte: der Korrespondentin des rechtspopulistischen Fernsehsenders One America News Network. Was er denn so von den Impeachment-Anhörungen im Kongress halte, fragte die pflichtschuldig und gab Trump damit das Stichwort. "Sie meinen die Hexenjagd?", fragte er zurück. "Nach allem, was ich gehört habe, war das alles ein Witz."

Damit lag Trump ganz bestimmt falsch. Die ersten öffentlichen Zeugenvernehmungen im Amtsenthebungsverfahren, zu denen der Geheimdienstausschuss des Abgeordnetenhauses am Mittwoch zwei ranghohe Diplomaten vorgeladen hatte und die an diesem Freitag fortgesetzt werden, waren keineswegs lustig. Bill Taylor, der geschäftsführende US-Botschafter in Kiew, und George Kent, der für die Ukraine zuständige Vizeabteilungsleiter im State Department, bestätigten dabei den zentralen Vorwurf der Demokraten gegen Trump: dass der Präsident sein Amt und seine Macht dazu missbraucht habe, die Ukraine zu Ermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden zu drängen. Sowohl die Auszahlung von knapp 400 Millionen Dollar an amerikanischer Militärhilfe als auch ein Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij im Weißen Haus seien davon abhängig gemacht worden, legte Taylor dar.

Der Diplomat überraschte Washington sogar damit, dass er den bekannten Fakten ein neues Detail hinzufügte, welches die Medien umgehend zu einer "Bombe" und die Demokraten zu einem "vernichtenden" Beweis erklärten. Ein Mitarbeiter, so sagte Taylor, habe ihm erzählt, dass er in einem Restaurant in Kiew ein Telefonat des amerikanischen Botschafters bei der EU, Gordon Sondland, mit Trump mitgehört habe. In diesem habe der Präsident sich nach den "Ermittlungen" gegen Biden erkundigt.

Am Donnerstag wurde bekannt, dass damals in dem Lokal noch eine zweite US-Diplomatin anwesend war, die Trumps Stimme ebenfalls gehört hat. Sondland pflegt Gespräche mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten anscheinend mehr oder weniger öffentlich in osteuropäischen Restaurants zu führen.

Ob das nun tatsächlich der entscheidende Beleg dafür ist, dass Trump persönlich Druck auf Kiew ausgeübt hat, kann man so oder so sehen. Die Demokraten schlossen sich aus naheliegenden Gründen dieser Interpretation an. Die Republikaner allerdings nutzten dieses Detail, um eine grundlegende Schwachstelle in Taylors gesamter Aussage bloßzulegen: Vieles von dem, was der Diplomat am Mittwoch über Trumps Bedingungen an Präsident Selenskij und den Druck des Weißen Hauses auf Kiew erzählte, weiß er nur aus zweiter oder dritter Hand. Mit Trump selbst hat der Botschafter nie geredet. Bei den entscheidenden Telefonaten und Treffen des Präsidenten mit jenen Mitarbeitern, die für ihn mit der Regierung in Kiew verhandelten, war Taylor nicht dabei. Genau das ist ja ein wesentlicher Teil der ganzen Affäre: Trumps Ukraine-Politik wurde an den Leuten vorbei gemacht, die in der Regierung eigentlich dafür zuständig waren. Stattdessen schwang sich Trumps Anwalt Rudy Giuliani zu einer Art Nebenaußenminister auf.

Inhaltlich hatten die Republikaner den Zeugen nichts entgegenzusetzen

Die Republikaner versuchten freilich, diesen schwerwiegenden Bruch sämtlicher Regeln, wie Außenpolitik in Washington gemacht wird, zu ihrem Vorteil zu nutzen. Alle Vorwürfe von Taylor und Kent beruhten nur auf Hörensagen und aufgeschnapptem Gerede - das war, in einem Satz zusammengefasst, das Verteidigungsargument, das Trumps Verbündete wieder vorbrachten, einschließlich des Präsidenten selbst: Er könne sich an das angeblich so verräterische Telefonat mit Sondland nicht erinnern, sagte Trump bei der Pressekonferenz mit Erdoğan. "Außerdem wäre das auch nur wieder eine weitere Information aus zweiter Hand."

Zumindest für den Augenblick war diese Abwehrstrategie für die Republikaner halbwegs erfolgreich. In der Sache war die Aussage von Taylor - ein Karrierediplomat mit makellosem Ruf und dekorierter Vietnam-Veteran - verheerend für Trump. Der Präsident wurde als ein Mann entlarvt, der seine persönlichen Wahlkampfambitionen ohne jeden Skrupel über das erklärte nationale Interesse der USA stellt, die Ukraine als Bollwerk gegen Russland zu stärken. Inhaltlich hatten die Republikaner den Zeugen nichts entgegenzusetzen.

Aber ein Impeachment ist kein juristischer Strafprozess, sondern zu einem Gutteil eine politische Show. Der Kampf dreht sich nicht um Paragrafen und Beweise, sondern um die öffentliche Meinung. Und um dabei zu gewinnen, ist es im Twitter-Zeitalter oft wichtiger, in einer Anhörung einen einzigen, nur ein paar Sekunden dauernden "viralen" Moment zu produzieren, anstatt die Zuschauer mit langatmigen, komplizierten Darlegungen von unbekannten Diplomaten zu langweilen, wie das bei Taylor und Kent zuweilen der Fall war.

Und das mit dem Twitter-Moment gelang am Mittwoch den Republikanern besser als den Demokraten. Sie hatten nicht ohne Grund dem Abgeordneten Jim Jordan kurzfristig einen Sitz im Geheimdienstausschuss verschafft. Jordan gilt als Trumps Wadenbeißer im Kongress, und am Mittwoch schnappte er nach Taylor. Nachdem er dem Botschafter entlockt hatte, dass dieser nie mit einer der wirklich wichtigen Personen im Weißen Haus über die Ukraine geredet hatte, schon gar nicht mit Trump, zog Jordan mit verächtlichem Unterton sein Fazit: "Und Sie sollen der Kronzeuge sein." Das war unhöflich, aber es war effektiv.

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