Süddeutsche Zeitung

Donald Trump:Grenzen der Wut

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Die Demokraten sollten keine Amtsenthebung inszenieren, die sich um Trumps Sexleben dreht. Es gibt eine demokratischere Möglichkeit als das Impeachment, den Präsidenten loszuwerden.

Kommentar von Hubert Wetzel, Washington

In der US-Verfassung sind mehrere Straftaten genannt, die ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten rechtfertigen: Verrat, Bestechung oder Bestechlichkeit sowie "andere schwere Verbrechen und Vergehen". Dieser Zusatz ist so vage formuliert, dass ein Impeachment in der Praxis keine juristische, sondern eine politische Angelegenheit ist, zumal es nicht vor einem Gericht stattfindet, sondern im Parlament. Die Partei, die im Abgeordnetenhaus die einfache Mehrheit hat, kann Anklage gegen den Präsidenten erheben und so ein Amtsenthebungsverfahren beginnen. Für einen Schuldspruch ist dann eine Zweidrittelmehrheit im Senat notwendig.

Derzeit beherrschen die Republikaner das Repräsentantenhaus. Doch das kann sich im November ändern. Den meisten Prognosen zufolge werden die Demokraten bei der Kongresswahl das Abgeordnetenhaus erobern, wenn auch nicht den Senat. Sie werden dann vor der Frage stehen, ob sie ein Impeachment gegen Präsident Donald Trump einleiten sollen. Und vermutlich werden sie die Frage mit Ja beantworten. Aber das wäre ein Fehler.

Sofern Sonderermittler Robert Mueller bis dahin keine anderen, schwereren Verbrechen ausgegraben hat, wird die Anklage auf den geheimen Schweigegeldzahlungen fußen, die Trumps Anwalt Michael Cohen vergangene Woche gestanden hat. Im Auftrag Trumps, so Cohen, habe er vor der Wahl fast 300 000 Dollar an zwei Frauen bezahlt, damit diese nicht über ihre Affären mit dem Kandidaten reden und ihm dadurch politisch schaden. Der Zweck der Zahlungen war also, den Wahlausgang zu beeinflussen. Das war ein Verstoß gegen Wahlfinanzierungsgesetze.

Aber rechtfertigen diese Zahlungen tatsächlich ein Impeachment? Die Ankläger werden - nicht zu Unrecht - so argumentieren: Trump wäre überhaupt nicht Präsident geworden, hätte er nicht kurz vor der Wahl durch Bestechung zwei Frauen zum Schweigen gebracht, die sein Lotterleben ans Licht bringen wollten. Die Tat beging er zwar vor seiner Amtszeit, aber die illegalen Überweisungen waren allein dadurch motiviert, dass er seine Siegchancen nicht beschädigen wollte. Andernfalls hätte Trump sich nicht darum geschert, dass eine Pornodarstellerin und ein Playboy-Model vom Sex mit ihm erzählen.

Man könnte den Vorgang aber auch anders bewerten: Zwei Frauen, die vor etlichen Jahren einmal freiwillig mit Trump liiert waren, witterten 2016 die Chance, ihre alten Affären zu Geld zu machen. Sie erpressten den Präsidentschaftskandidaten daher genau in dem Moment, als dieser aus politischen Gründen keine andere Möglichkeit hatte, als zu bezahlen. Warum sonst boten sie ihre Geschichten ausgerechnet wenige Wochen vor der Wahl der Boulevardpresse an?

Vermutlich steckt in beiden Versionen ein Stück Wahrheit. Doch um die Wahrheit im juristischen Sinne ginge es natürlich in einem Amtsenthebungsverfahren gegen Trump nicht - genauso wenig, wie es den Republikanern um Wahrheit ging, als sie im Abgeordnetenhaus Anklage gegen den Demokraten Bill Clinton erhoben, weil dieser wegen seiner Affäre mit Monica Lewinsky gelogen hatte. Damals war das Impeachment ein politischer Rachefeldzug der republikanischen Mehrheit im Kongress gegen einen verhassten Präsidenten, aufgehängt an einem eher zweitrangigen Gesetzesverstoß. Dass der Senat Clinton nicht verurteilte, war richtig. Ähnliches könnte man sagen, wenn bald die Demokraten auf Trump losgehen.

Trumps Sexleben wird ihn nicht aus dem Amt hebeln

Anders sähe die Lage aus, sollte Mueller dem Präsidenten eine illegale Zusammenarbeit mit Moskau im Wahlkampf nachweisen oder ihn bezichtigen, die Ermittlungen der Justiz zu dessen Russland-Verbindungen sabotiert zu haben. Das wären höchst politische Vergehen - Verrat oder Vertuschung von Verrat -, eher vom Kaliber der Untaten Richards Nixons als Clintons. Ein Impeachment wäre dann zwingend. Und in diesem Fall würden wohl auch etliche Republikaner den Präsidenten schuldig sprechen.

Die Wut vieler Amerikaner über den Schaden, den Trump dem Land zufügt, ist berechtigt. Doch der Wunsch, Trump so rasch wie möglich und um jeden Preis loszuwerden, sollte bei seinen Gegnern nicht den Blick darauf verstellen, dass die Verfassung, bei allen Klauseln über Impeachment, ein anderes, demokratischeres Verfahren vorsieht, um einen unfähigen Präsidenten aus dem Amt zu werfen: Wahlen.

Die Demokraten haben es geschafft, die Präsidentschaftswahl 2016 gegen Donald Trump zu verlieren. Und selbst wenn man alles zusammennimmt, was über die russische Einmischung bekannt geworden ist, so war diese Niederlage doch vor allem der Unfähigkeit der Demokraten geschuldet. Diesen Fehler können sie nicht dadurch ausbessern, dass sie ein Impeachment mit zweifelhaften Erfolgsaussichten inszenieren, das sich um Trumps Sexleben dreht. Das war bei Clinton falsch, es wäre bei Trump falsch. Die Demokraten sollten sich lieber darum kümmern, dass sie die Präsidentschaftswahl 2020 gegen Donald Trump gewinnen.

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SZ vom 28.08.2018
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