Das jüngste Drama um Donald Trump beginnt um 13.12 Uhr Ortszeit an der Fifth Avenue in New York. Der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat der Republikaner verlässt seinen Wolkenkratzer unter den goldenen "Trump Tower"-Lettern, reckt die Faust in die Höhe und steigt in ein schwarzes Fahrzeug.
Der 45. Präsident der USA sei jetzt nur noch "irgendein Typ" in einem SUV, der in einem Konvoi zum Gericht fahre, wirft einer von gleich sieben Live-Kommentatoren ein, die das Spektakel während Stunden für CNN verfolgen.
Natürlich ist Trump nicht irgendein Typ - er ist der erste ehemalige US-Präsident, der als strafrechtlich Angeklagter vor einem Richter antreten muss. Es ist ein historisches Ereignis, ein TV-Kommentator beschreibt die "unglaubliche Szene" von Trumps Ankunft am Gericht: "Hunderte Kameras probieren, eine Aufnahme von Trump zu ergattern, während er ins Gericht tritt."
Um 13:24 Uhr ist es so weit: Trump gilt als festgenommen
Nach wenigen Minuten Fahrt hatte der Konvoi sein Ziel erreicht, das Strafgericht von Manhattan, abgeriegelt und von noch mehr Polizisten bewacht, als Kameras draußen warten. Es war spekuliert worden, Trump könne durch einen Seiteneingang schlüpfen; schließlich schirmen ihn große schwarze Busse von Schaulustigen und Kameralinsen ab. Selbstverständlich aber haben die TV-Sender Helikopter und Drohnen steigen lassen. So schauen ihm Millionen live dabei zu, wie er im blauen Anzug und roter Krawatte ins Gericht schreitet.
Um 13:24 Uhr, das Gericht befindet sich da offiziell noch in der Mittagspause, ist der erste historische Augenblick gekommen: Im Moment, in dem Trump durch die Tür geht, gilt er formell als "under arrest", als festgenommen, als erster ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten. Er, der 2016 danach gerufen hatte, seine Konkurrentin Hillary Clinton einzusperren.
Politisch aber ist bedeutender, dass Trump an diesem Tag, da er vor den Richter muss, der aussichtsreichste Kandidat der Republikanischen Partei ist für die nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2024. Den ganzen Tag über hat Trump die Lesart verbreiten lassen, er werde aus politischen Gründen vor Gericht gestellt. Man wolle ihn kaltstellen. Er wiederholt das seit dem vergangenen Donnerstag, als ein Geschworenengremium dafür stimmte, Trump anzuklagen. Gegenstand der Klage ist die möglicherweise illegale Verbuchung eines Schweigegelds an Pornodarstellerin Stormy Daniels.
Schweigegeld an Pornodarstellerin gesetzeswidrig verbucht?
Der ehemalige Präsident behauptet, Staatsanwalt Alvin Bragg, ein Demokrat, habe mit seiner Untersuchung eine Hexenjagd veranstaltet. Und von Richter Juan Merchan habe er keinen fairen Prozess zu erwarten, macht er geltend, weil der schon zwei seiner Firmen und deren Finanzchef wegen Steuerbetrugs verurteilt hatte. Überdies habe die Tochter des Richters für die Kampagne des demokratischen Präsidenten Joe Biden gearbeitet, beklagt sich Trump. Jener Mann, der seiner Tochter und deren Ehemann Prestigejobs als Berater im Weißen Haus zugeschanzt hatte. Die Zornesausbrüche verhindern jedoch nicht, dass Trump im Gericht seine Fingerabdrücke geben und ein Polizeifoto machen lassen muss.
Für 14.15 Uhr war der zweite historische Moment angesetzt. Es dauert dann etwas länger, und schließlich wird es 14.28 Uhr, bis Trump mit ernster Miene in Begleitung von Polizisten, aber frei von Handschellen, durch eine verdunkelte Türe tritt, die nicht einmal für ihn geöffnet wird. Kurz wird er von den Kameras erhascht, bevor er in den Saal des Supreme Court von New York County gebracht wird, dem Gericht des Bundesstaats für Kriminalfälle in Manhattan.
Live-Bilder aus dem Gericht gibt es an diesem Dienstag keine. Richter Merchan hatte schon am Vorabend entschieden, in seinem Saal keine Aufnahmen zuzulassen. Die ersten Details der Anklage dringen so erst mit Verzögerung nach außen, etwa, dass Trump in 34 Punkten wegen Buchhaltungsfälschung im Zusammenhang mit der Schweigegeldzahlung angeklagt wird. Wie erwartet plädiert er auf unschuldig.
Sieben Millionen Dollar Spendengelder will er schon eingesammelt haben
Trump habe mehrfach und auf betrügerische Weise die Buchhaltung von Unternehmen gefälscht, um Verbrechen zu vertuschen, sagt Staatsanwalt Alvin Bragg. Trump habe damit vertuschen wollen, wie er vor der Wählerschaft Informationen versteckte, die seiner Präsidentschaftskampagne im Jahr 2016 hätten schaden können - eine Operation, bei der negative Geschichten aufgespürt und Zeugen mit Zahlungen zum Schweigen gebracht wurden. "Die Spuren von Geld und Lügen decken ein Muster auf, das eines von New Yorks grundlegenden Wirtschaftsgesetzen verletzt", lässt sich Bragg in einer Medienmitteilung zitieren.
Gemäß den zunächst verfügbaren Unterlagen scheint sich Bragg zumindest teilweise auf eine Rechtstheorie zu stützen, die im Vorfeld kontrovers diskutiert wurde: eine möglicherweise problematische rechtliche Konstruktion, die besonderer Erklärung bedarf, um sie sieben Jahre nach den beanstandeten Ereignissen in einem historischen und politisch so aufgeladenen Prozess einzusetzen, gerade gegen einen Ex-Präsidenten.
Um 15:26 Uhr schließlich verlässt Trump den Gerichtssaal und fährt los Richtung Flughafen La Guardia. An die Medien wendet sich Trump nicht, er hat noch für denselben Abend einen TV-Auftritt zur besten Sendezeit in Florida angesetzt.
Die Trump-Kampagne lässt ein falsches Polizeifoto auf T-Shirts drucken
Dafür ziehen wenig später seine Anwälte vor dem Gericht vom Leder. "Der Rechtsstaat ist soeben gestorben", sagt sein Verteidiger Joe Tacopina. Es gehe nicht an, dass ein Staatsanwalt des Bundesstaats New York den früheren Präsidenten auf der Basis von Gesetzen auf Bundesebene zu verfolgen versuche.
Die Trump-Kampagne geht derweil sofort wieder in die Offensive. Unter anderem lässt sie ein falsches Polizeifoto von Trump auf ein T-Shirt drucken, um Spenden zu sammeln. Inzwischen will Trump dank der Anklage schon mehr als sieben Millionen Dollar an Spenden eingenommen haben.