Es sei ein historischer Tag, sagte Donald Trump am Montagnachmittag bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus: „Einer der größten Tage der Zivilisation.“ Es gebe nun nicht nur einen Plan für Frieden in Gaza, sondern für Frieden im Nahen Osten – nach „Tausenden Jahren“ Krieg. Man sei einer Lösung „sehr, sehr nahe“. Trump dankte dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu für dessen Zustimmung, und dieser bezeichnete den US-Präsidenten als „größten Freund, den Israel im Weißen Haus je hatte“.
Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass sich die Dinge als komplizierter herausstellen, als Trump sie präsentiert. Der US-Präsident hat auch bei Russlands Krieg gegen die Ukraine schon davon gesprochen, man sei einer Lösung sehr nahe, diese aber lässt nach wie vor auf sich warten.
Bei einem Nein soll die Hamas zerstört werden
In die Erarbeitung des Plans für Gaza waren laut Trump viele Staaten involviert – arabische, aber auch europäische. Nicht involviert war hingegen die Hamas. Ein Hamas-Führer sagte am Montag in einem TV-Interview, niemand habe die Hamas dazu kontaktiert, man habe diesen Plan nie gesehen. Später hieß es, man werde den Friedensplan „in gutem Glauben“ prüfen und dann eine Antwort geben. Der katarische Ministerpräsident und der ägyptische Geheimdienstchef hätten der Hamas den Plan vorgestellt.
Dabei enthält der Plan ein Ultimatum für die Terrorgruppe: Er sieht vor, dass die Hamas die noch lebenden 20 Geiseln sowie die Leichname getöteter Geiseln unverzüglich an Israel übergibt – innerhalb von 72 Stunden, nachdem Israel dem Plan zugestimmt hat. Die Hamas soll ferner entwaffnet werden und in Zukunft im Gazastreifen keine Rolle mehr spielen.
Er habe jedoch nicht mit der Hamas gesprochen, sagte Trump. Die arabischen Staaten, die den Plan befürworteten, täten dies. Lehne die Hamas ab, habe Israel seine volle Unterstützung dafür, „den Job zu beenden“ und die Terrororganisation zu zerstören.
Netanjahu ließ bei dem Auftritt keinen Zweifel daran, dass er den Krieg fortsetzt, wenn die Hamas dem Plan nicht zustimmen sollte. Bisher hatte die Hamas als Bedingung für die Freilassung der Geiseln auf einem vollständigen Rückzug der israelischen Armee bestanden.
Friedensrat unter Trumps Leitung
Nun aber sieht der Plan vor, dass nach der Freilassung von Geiseln und in Israel inhaftierten Palästinensern sowie dem Rückzug der Armee ein international zusammengesetzter „Friedensrat“ unter Mitwirkung palästinensischer Technokraten vorübergehend die Verantwortung für den Gazastreifen übernimmt.
Vor dem Treffen zwischen Trump und Netanjahu war spekuliert worden, der ehemalige britische Premierminister Tony Blair könnte dessen Leitung übernehmen. Doch er werde dies persönlich tun, sagte Trump in Washington; Blair werde dem Rat angehören.
Die palästinensische Bevölkerung erhalte eine Chance, ein besseres Gaza aufzubauen. Im Februar hatte der US-Präsident noch vorgeschlagen, aus dem Gazastreifen eine „Riviera des Nahen Ostens zu machen“ – und zwar ohne die palästinensische Bevölkerung.
Diese sollte anderswo „ein Stück Land bekommen“, also den Gazastreifen verlassen oder von dort vertrieben werden. Später zirkulierten Pläne, jene zu entschädigen, die das Gebiet freiwillig verlassen. Trump deutete auch an, er könne Jordanien und Ägypten zwingen, die zwei Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser aus dem Gazastreifen aufzunehmen.
Kein Zeitplan für Rückzug Israels
Von all dem war am Montag keine Rede mehr. Trump hat in diesem Punkt eine Kehrtwende vollzogen. Bereits vor dem Treffen mit Netanjahu hatte er eine gewisse Distanz zu Israel markiert. So machte er deutlich, dass er Israel nicht erlauben werde, das Westjordanland zu annektieren. Israel verärgerte die USA nicht zuletzt mit Angriffen auf Vertreter der Hamas in Katar.
Trump brachte Netanjahu beim Treffen vom Montag dazu, in seinem Beisein den Premierminister von Katar anzurufen. Medienberichten zufolge entschuldigte sich Netanjahu bei Mohammed bin Abdulrahman Al Thani – was Minister der israelischen Regierung umgehend kritisierten. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich schrieb auf der Plattform X, die Entschuldigung sei eine Schande.
Dass Netanjahu dem Friedensplan zustimmte, wurde in ersten Reaktionen als positives Zeichen gewertet. Vergangene Woche hatte der Premierminister in seiner Rede vor den Vereinten Nationen noch sein Ziel bekräftigt, die Hamas militärisch zu besiegen.
Allerdings blieb am Plan, auf den sich Trump und Netanjahu geeinigt haben, vorerst vieles unklar. So ist zwar ein schrittweiser Rückzug Israels aus dem Gazastreifen vorgesehen. Dafür gibt es aber keinen Zeitplan.
Wenig Konkretes enthält der Plan auch zur Frage der Zweistaatenlösung. Die Initiative lässt zwar die Möglichkeit eines späteren palästinensischen Staates offen und erkennt an, dass dies das Ziel der palästinensischen Bevölkerung ist. Der palästinensischen Seite dürfte das aber zu vage sein. Viele Staaten – zuletzt auch diverse europäische – haben inzwischen Palästina als Staat anerkannt, um Druck auf Israel auszuüben.
Der Plan sieht auch vor, dass die Palästinensische Autonomiebehörde Aufgaben im Gazastreifen übernimmt, sobald sie ein Reformprogramm umgesetzt hat. Die Autonomiebehörde ist für die Verwaltung des Westjordanlands verantwortlich. Dass sie in Gaza eine Rolle übernimmt, hatte Israel bisher abgelehnt. Ihr Rückhalt ist auch in der palästinensischen Bevölkerung gering. Wie die Hamas reagiert, wird sich in den kommenden 72 Stunden zeigen.

