In Washington spricht US-Präsident Donald Trump vom Frieden, der gewissermaßen eine ausgemachte Sache sei, nur noch eine Frage von einigen Tagen und Stunden. In Gaza gehen derweil die Angriffe der israelischen Armee weiter. Am Samstag sollen nach palästinensischen Angaben ein Wohnhaus getroffen und 17 Menschen getötet worden sein, vorwiegend Frauen und Kinder, eine Bäckerei wurde offenbar angegriffen und ein Zelt in einem Flüchtlingslager. Und das, obwohl Trump am Freitag Israel aufgefordert hatte, die Bombardements sofort einzustellen. Man habe die Offensive in Gaza-Stadt unterbrochen, teilte die israelische Armee mit, und führe nur noch defensive Angriffe durch. Die gingen auch am Sonntag weiter, wieder gab es Tote.
Trump bedankte sich dennoch bei Netanjahu für das Ende der Bombardements, so, als sei seine Forderung vollständig erfüllt worden. Der US-Präsident ist dieser Tage bereit, es nicht so genau zu nehmen mit den Details, um das große Ziel zu erreichen, einen Waffenstillstand oder gar Frieden in Gaza. Sein 20-Punkte-Plan, der vor einer Woche vorgestellt wurde, hat ein Momentum geschaffen, das es lange nicht gegeben hat, ein echtes Bemühen um das Ende eines Kriegs, der nun zwei Jahre tobt.
Am Freitag hatte die Hamas ihre Antwort zu Trumps 20 Punkten übermittelt, die so vage wie unvollständig war. Die meisten der Punkte wurden ignoriert, vorrangig die Forderung nach ihrer eigenen Entwaffnung. Auch hier nahm es Trump nicht so genau mit den Details, und postete in den sozialen Medien: „Die Hamas ist zum vollständigen Frieden bereit.“ Eine sehr optimistische Interpretation, die auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu überrascht haben soll. Nach einem Bericht des US-Nachrichtenportals Axios habe der Regierungschef fest damit gerechnet, dass Trump die Antwort der Hamas als Ablehnung interpretieren würde – und er den Krieg in Gaza fortsetzen könnte, was seine Koalition zusammenhalten und ihn vor seinem Strafprozess beschützen würde. Es kam anders.
Axios erzählte Trump auch, wie er Netanjahu dazu brachte, den 20-Punkte-Plan zu akzeptieren, der auch viel beinhaltet, was die Radikalen in Israel nicht gerne hören: ein Stopp der Annexion des Westjordanlands, keine dauerhafte Besatzung und Besiedlung von Gaza.
„Ich sagte: ‚Bibi, das ist deine Chance auf den Sieg.‘ Er war damit einverstanden. Er muss damit einverstanden sein. Er hat keine Wahl. Mit mir muss man einverstanden sein.“ Auch Netanjahu scheint nun seine Sprache an den Erwartungen Trumps auszurichten, am Samstag sprach er ebenfalls davon, dass der Frieden greifbar nahe sei. Israel stehe „kurz vor einem sehr großen Erfolg“, er sei zuversichtlich, dass Israel „in den kommenden Tagen“ die Rückkehr aller in Gaza festgehaltenen Geiseln erleben werde.
Von Montag an sollen Delegationen der Israelis, der Hamas, der USA und Ägypten weiter über Details verhandeln. Hamas möchte möglichst weitreichende Änderungen des ursprünglichen Plans, Israel und die USA möglichst wenige. Netanjahu sagte, er habe das israelische Verhandlungsteam angewiesen, „die Verhandlungen auf wenige Tage zu beschränken“. Für die Hamas soll offenbar Khalil al-Hayya teilnehmen, einer der politischen Führer der Hamas, den Israel vor einem Monat bei einem Raketenangriff in Katar zu töten versuchte.
Die politischen Führer der Hamas gelten als kompromissbereiter als die militärischen Kommandeure in den Tunneln von Gaza. Diese wehren sich vor allem gegen die Forderung nach Entwaffnung. Ein möglicher Kompromiss wäre, dass die Hamas ihre Raketen und Offensivwaffen abgibt, kleinere aber behalten darf. Die Hamas scheint aber zumindest von ihrer Forderung abgerückt zu sein, dass alle 48 lebenden und toten Geiseln nur dann übergeben werden, wenn sich Israel komplett aus Gaza zurückzieht. Trump teilte am Samstag auf den sozialen Medien eine Karte, nach der die Truppen etwa 60 Prozent des Gebietes räumen würden – worüber er die Hamas informiert habe. Antwort bisher offen.
Die Hamas hat zwar behauptet, sie würde alle Geiseln freilassen, nannte bisher aber keinen Zeitraum. Die vor zwei Jahren verschleppten und unter unmenschlichen Bedingungen festgehaltenen Israelis sind für die Terrorgruppe das letzte Faustpfand, sie fordern internationale Garantien, dass Israel nach ihrer Freilassung den Krieg nicht wieder aufnimmt. Im März hatte Netanjahu nach der Freilassung von Geiseln den Waffenstillstand gebrochen.
Dann geht es bei den Verhandlungen noch darum, wer in Gaza künftig das Sagen hat: Die Hamas hat zwar angeboten, sich aus der politischen Führung zurückzuziehen. Ob sie eine Administration unter dem früheren britischen Premier Tony Blair akzeptiert, die Trump vorgeschlagen hatte, ist äußerst fraglich. Genauso wie die Forderung von Israel und den USA, all diese Punkte in wenigen Tagen zu klären. Ohne Druck wird es aber nicht gehen, die Hamas ist ein Meister darin, auf Zeit zu spielen. Und Trump hat bereits bewiesen, es mit den Details nicht so genau zu nehmen. Solange er das Gefühl hat, dass sich die Dinge in die richtige Richtung entwickeln.

