Trump feuert FBI-Chef:Die Rod-Rosenstein-Story

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Der stellvertretende Justizminister Rod Rosenstein spielt eine Schlüsselrolle im unrühmlichen Spiel um Trumps Entlassung von FBI-Chef Comey (Foto: AFP)

Der stellvertretende US-Justizminister hatte einen hervorragenden Ruf. Warum nur hat er Trumps schmutziges Spiel um die Entlassung von FBI-Chef Comey mitgespielt?

Von Thorsten Denkler, New York

Es gibt wenig in Rod Rosensteins Biografie, das auf eine Leidenschaft für schmutzige politische Spielchen hindeutet. Im Gegenteil: Rosenstein, stellvertretender US-Justizminister, dient seiner Behörde seit fast 30 Jahren. Er gilt geradezu als das Paradebeispiel für einen besonnenen, unparteiischen und sachlichen Staatsdiener. Umso verwunderlicher, dass er es allein gewesen sein soll, der am vergangenen Dienstag mit seinem Memorandum FBI-Chef James Comey zu Fall gebracht hat.

So hätte es nämlich US-Präsident Donald Trump offenbar gerne aussehen lassen: Erst schreibt Rosenstein ein Memorandum, das die Verfehlungen von Comey in der E-Mail-Affäre von Hillary Clinton im vergangenen Jahr zusammenfasst. Das geht an Justizminister Jeff Sessions, der es dann mit einem Begleitschreiben an Trump weiterleitet. Rosenstein und Sessions empfehlen, Comey zu entlassen. Trump muss der Empfehlung dann nur noch folgen.

Vieles an der Geschichte passt nicht zusammen. Memorandum, Sessions-Brief und Trumps Entlassungsschreiben datieren alle vom Dienstag. Keine Bedenkzeit, kein Innehalten. Einfach gefeuert.

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Comey erfuhr von seiner Kündigung, als er vor FBI-Agenten in Los Angeles sprach. Die Nachricht lief über einige Fernsehschirme. Comey hielt das zunächst für einen Scherz.

Trump selbst gab dann am Donnerstag in einem NBC-Interview eine ganz andere Version zum Besten. Er habe sich bereits entschlossen gehabt, Comey zu feuern, bevor er am Montag mit Sessions und Rosenstein zusammengetroffen sei, erklärte er, und widersprach damit der Version seiner Berater im Weißen Haus, der sich auch sein Vizepräsident Mike Pence angeschlossen hatte.

In diesem schmutzigen taktischen Spiel ist die Rolle Rosensteins zentral. Er genießt - oder besser genoss - höchstes Ansehen in beiden politischen Lagern. Obwohl der von den Demokraten gehasste Trump ihn als neuen stellvertretenden Justizminister vorschlug, ist er im Senat Ende April mit 94 zu sechs Stimmen bestätigt worden. Die Republikaner haben dort nur 52 Stimmen.

Die Demokraten hatten gehofft, Rosenstein werde den unbeirrbaren Rechtsausleger Sessions bändigen helfen. Sessions wird latenter Rassismus nachgesagt. Und, dass er Bürgerrechte in manchen Fällen eher für hinderlich hält.

Der Harvard-Absolvent Rosenstein, geboren 1965 in Philadelphia, überzeugte in seiner Anhörung unter anderem mit seinem deutlichen Bekenntnis, dass die Justiz unabhängig sein muss. Politische Entscheidungen müssten strikt von der Strafverfolgung getrennt werden, sagte er da. Aber das sei ohnehin "tägliches Geschäft" im Justizministerium. Darauf sei er regelrecht "trainiert". Und er werde daran nichts ändern.

Sein Memorandum erweckt einen anderen Eindruck. Es hat erheblich dazu beigetragen, Zweifel an der beschworenen Unabhängigkeit der Justiz zu wecken. Comey hatte die Ermittlungen gegen einige Figuren aus Trumps Umfeld zu verantworten, die teils enge Kontakte zu Russland pflegten. Hinter allem steht die Frage, ob und wie Russland Einfluss auf die US-Wahl 2016 genommen haben könnte. Und welche Rolle Trumps Team dabei gespielt haben könnte.

Rosenstein wurde 2005 vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush als Bundesanwalt für den US-Staat Maryland eingesetzt. Als Barack Obama ins Weiße Haus einzog, bat er Rosenstein, im Amt zu bleiben. Rosenstein hat es geschafft, in seiner Amtszeit weder den Demokraten noch den Republikanern auf die Füße zu treten. Auch Trump ließ ihn zunächst auf seinem Posten. Und beförderte ihn jetzt zum stellvertretenden Justizminister. Kein US-Bundesanwalt vor ihm hat länger am Stück gedient.

Mit Comey hat Rosenstein schon zusammengearbeitet, er kennt ihn gut. Bei der Anhörung im März deutete nichts darauf hin, dass er mit der Arbeit Comeys unzufrieden wäre. Und nun, nach nur zwei Wochen im Amt, dieses Memorandum.

Die Wahrheit ist wohl: Trump und Sessions haben Gründe zusammengetragen, die einen Rauswurf Comeys rechtfertigen können. Diese Gründe musste Rosenstein schriftlich zusammenfassen. Mit der Empfehlung versehen, Comey zu feuern.

Trump hätte Comey auch ganz ohne Angabe von Gründen feuern können. Das Recht dazu hätte er. Also warum dann der Aufwand?

Eine mögliche Erklärung: Um sich nicht die Hände schmutzig zu machen. Zu nahe läge sonst der Verdacht, dass sich Trump eines unbequemen Ermittlers entledigen möchte. Damit läge noch deutlicher als jetzt schon der Vorwurf des Amtsmissbrauchs in der Luft. Und noch deutlicher als jetzt käme wohl die Forderung nach einem Amtsenthebungsverfahren auf.

Rosenstein scheint die Darstellung aus dem Weißen Haus nicht zu gefallen: Er habe sich geweigert, nun plötzlich als Alleinverantwortlicher dazustehen, berichtet die Washington Post. Angeblich soll er mit Rücktritt gedroht haben, wenn die US-Regierung weiterhin die bisherige Version der Geschichte verbreitet. Rosenstein hat das dementiert.

"Das war alles er", hatte Trumps Sprecher Sean Spicer am Dienstag noch erklärt. "Niemand aus dem Weißen Haus. Das war eine Entscheidung des Justizministeriums." Das Weiße Haus hat sogar mit seiner hohen Reputation dafür geworben, die Entlassung Comeys nicht weiter in Frage zu stellen. Über alle Parteigrenzen hinweg habe jeder eindeutig gesagt, dass Rosenstein ein "Mann von herausragendem Charakter ist", sagte eine Sprecherin des Weißen Hauses. Er sei der "Goldstandard" im Justizministerium. Mit anderen Worten, so einer würde doch nie und nimmer die Grundsätze einer unabhängigen Justiz verraten, oder?

Genau der Verdacht aber steht jetzt im Raum, gewollt oder nicht. Dass Trump inzwischen die Verantwortung auf sich nimmt und die Kündigung von Comey als seine alleinige Entscheidung reklamiert, macht es für Rosenstein nicht unbedingt besser. Es zeigt nur, dass er offenbar nicht den Mut hatte, sich zu weigern, das Memorandum zu verfassen. Er hat das Spiel lieber mitgespielt, als persönliche Konsequenzen zu ziehen.

So wie einer seiner Vorgänger. In der in diesen Tagen viel zitierten Watergate-Affäre hatte der damalige Präsident Richard Nixon einen Sonderermittler feuern wollen. Der damalige Justizminister und sein Stellvertreter weigerten sich beide, die Entlassung umzusetzen. Sie traten lieber zurück.

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Der demokratische Senator Chris Murphy hat für Rosenstein ein klare Botschaft. Auf Twitter schreibt er an diesem Mittwoch: "Die Rücktrittsdrohung ist bedeutungslos, Mr. Rosenstein. Sie haben ein Memo geschrieben, von dem Sie wussten, dass es eine Lüge fortschreibt. Sie sind verantwortlich für dieses Debakel." Der gute Ruf, den Rosenstein genoss, er ist dahin.

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