Süddeutsche Zeitung

US-Präsidentschaftswahl:Trump ist Europas Albtraum

Lesezeit: 3 min

Populisten und Nationalisten begrüßen die Wahl des neuen US-Präsidenten. Auch ihre Länder, glauben sie, würden jetzt "wieder groß". Sie werden sich noch wundern.

Kommentar von Daniel Brössler

Seit seinem Wahlsieg muss der künftige amerikanische Präsident Donald Trump mit vielen Menschen telefonieren, die er zuvor vermutlich nicht einmal dem Namen nach gekannt hat. Dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán war dies offenkundig bewusst, als er vor einigen Wochen durchgestellt wurde in den New Yorker Trump Tower. Er sei, erklärte er Trump nach eigener Darstellung, bisher wie ein schwarzes Schaf behandelt worden. Er selbst auch, soll Trump zur Antwort gegeben haben. Es könnte dies der Beginn einer wunderbaren Freundschaft gewesen sein, jedenfalls aus Orbáns Sicht. Für Europa markiert es eine weitere, nicht unwesentliche Facette in einem Albtraum.

Im Osten der Europäischen Union fiebert eine Reihe maßgeblicher Politiker dem Einzug Trumps ins Weiße Haus als einem Tag der Befreiung entgegen. Neben Orbán gilt das für den tschechischen Präsidenten Miloš Zeman und mit Abstrichen auch für den polnischen Parteichef Jarosław Kaczyński. Angesichts der Differenzen in der großen Schicksalsfrage der Region, dem Umgang mit Russland, scheint das zunächst erstaunlich zu sein. Während Kaczyński in Wladimir Putin den Mörder seines Zwillingsbruders sieht, wirkt Zeman dem Kremlchef in fast kindlicher Begeisterung ergeben. Dementsprechend unterschiedlich sind Ängste und Erwartungen im Hinblick auf das künftige Verhältnis von Trump zu Putin. Was Stramm-Nationale, Vulgär-Populisten und National-Katholiken aber verbindet, ist die Überzeugung, dass Trump die Kräfteverhältnisse in der EU verändern wird. Das Schlimme an dieser Überzeugung ist, dass sie begründet ist.

Zunächst können sich die Regierenden in Warschau und Budapest darauf freuen, freiere Hand zu haben in ihrem Feldzug gegen alles, was sie als liberal verachten oder was ihnen innenpolitisch im Wege steht. Unter Barack Obama haben die USA sowohl in Polen als auch in Ungarn den Respekt vor demokratischen Prinzipien, Gewaltenteilung und Medienfreiheit angemahnt. Stets kam der Druck nicht nur aus Brüssel, sondern auch aus Washington. Was Orbáns Sprecher unlängst als Heranbrechen einer neuen Ära bezeichnete, werden Ungarns Nichtregierungsorganisationen schon bald zu spüren bekommen.

Freie Hand gegen Kritiker im eigenen Land allein freilich begründet noch keine neue Ära. Trump beflügelt vielmehr die Hoffnung auf eine fortschreitende Renationalisierung in der EU. Frei nach Trump geht es darum, jeden EU-Staat für sich "wieder groß" zu machen. Worauf Orbán und Kaczyński hinarbeiten, ist durchaus eine EU der Freiheiten, allerdings in ihrem ganz speziellen Sinne: Was ihnen vorschwebt, ist die freie Machtentfaltung innerhalb der eigenen Grenzen bei gleichzeitigem freien Warenverkehr innerhalb der Union. Es ist dies ein Plan, der nicht funktionieren, aber eine Menge Schaden anrichten wird. Am größten wird er für die Nationen ausfallen, deren Interessen zu vertreten Kaczyński und Orbán für sich in Anspruch nehmen.

Die EU verliert einen wichtigen Freund

Dabei müsste das Brexit-Votum der Briten insbesondere den Polen bereits vor Augen geführt haben, wohin die Befreiung von den vorgeblichen Brüsseler Fesseln führt. Der Austritt Großbritanniens aus der EU beschert Hunderttausenden polnischen Arbeitnehmern im Land eine ungewisse Zukunft. Nationalisten und Populisten aller Länder sind gut darin, sich zu vereinigen, wenn es gegen einen vermeintlichen gemeinsamen Gegner geht. Die Konsequenzen aber tragen die Nationen dann wieder für sich allein. Es wäre unsagbar dumm, würde in Budapest oder Warschau in blindem Hass gegen alles Liberale eine Welle des Trumpismus in Europa herbeigesehnt. Im äußersten Falle würde sie Marine Le Pen ins französische Präsidentenamt tragen. Dies wäre das Ende der EU und eine Katastrophe, unter der niemand mehr zu leiden hätte als die Völker Mittel- und Osteuropas.

Auch wenn es so schlimm nicht kommt, verliert die EU einen Freund. Obama hat der europäischen Idee mehr als eine Liebeserklärung gemacht. Trumps Interesse an der EU beschränkt sich bisher auf die Frage, wer als Nächstes aus der Union austritt. Was die Nato betrifft, so treten Trumps künftige Minister Zweifeln an der Bündnistreue der USA zwar entgegen. Doch vor den Launen des künftigen Präsidenten wird niemand sicher sein - auch jene in Europa nicht, die ihn jetzt beklatschen. Die amerikanischen Panzer und Soldaten, die Obama auf Wunsch der Polen geschickt hat, kann Trump jederzeit wieder abziehen.

Auf den neuen US-Präsidenten können die Europäer nicht bauen. Das ist schlecht. Schlimmer ist, dass sie sich womöglich auch aufeinander nicht werden verlassen können.

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Quelle:
SZ vom 16.01.2017
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