Trump droht Türkei:Eine Botschaft wie eine Bombe

Trump droht Türkei: Bereits seit Monaten zeigt die türkische Armee Präsenz an der Grenze zu Syrien, um gegen die Kurdenmiliz YPG vorgehen zu können. Das Foto vom Januar 2018 zeigt eine Panzereinheit in Hassa in der Provinz Hatay.

Bereits seit Monaten zeigt die türkische Armee Präsenz an der Grenze zu Syrien, um gegen die Kurdenmiliz YPG vorgehen zu können. Das Foto vom Januar 2018 zeigt eine Panzereinheit in Hassa in der Provinz Hatay.

(Foto: Bulent Kilic/AFP)
  • Sollte die Türkei die Kurden in Nordsyrien angreifen, "werden wir sie wirtschaftlich zerstören", droht US-Präsident Trump über Twitter.
  • Im August hatten die USA bereits Strafzölle gegen die Türkei verhängt. Nach Trumps Drohung sank die türkische Währung am Montagmorgen vorübergehend.
  • Nach einem Telefonat mit Erdoğan rudert Trump zurück und bietet plötzlich mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit an.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul, und Paul-Anton Krüger

Die Antwort des türkischen Außenministers auf die jüngsten Drohungen von Donald Trump war so kurz wie ein gewöhnlicher Tweet, auch wenn Mevlüt Çavuşoğlu sie am Montag während einer Pressekonferenz in Luxemburg vortrug: "Strategische Partner sollten nicht über soziale Medien miteinander sprechen." Sonntagabend hatte Trump getwittert: Sollte die Türkei die Kurden in Nordsyrien angreifen, "werden wir sie wirtschaftlich zerstören". Eine Botschaft wie eine Bombe, auch wenn Trump noch twitterte, auch die Kurden sollten die Türkei nicht "provozieren".

In einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdoğan am Montag forderte Trump nach Angaben des Weißen Hauses, die Türkei dürfe die Kurden "nicht schlecht behandeln". Allerdings nahm er seine ganz große Drohung, die Wirtschaft des Landes zu zerstören, doch wieder zurück. Jetzt sieht er "großes Potenzial für einen bedeutsamen Ausbau" der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern, twitterte Trump. Darüber habe er mit Erdogan gesprochen.

Dem türkischen Präsidialamt zufolge ging es in dem Gespräch auch um die Notwendigkeit eines Plans für die Zukunft der Grenzstadt Manbisch. Im Dezember noch hatte Trump bei einem Telefonat Erdoğan gefragt, ob die Türkei nicht den Kampf gegen die Reste des "Islamischen Staats" in Syrien übernehmen könne? Der bejahte, worauf Trump - noch während Erdoğan am Apparat war - überraschend den Rückzug aller US-Truppen aus Syrien befahl.

So schnell soll es mit dem kompletten Rückzug nun doch nicht gehen, wie man inzwischen weiß. Trumps Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo machen einen Abzug von Garantien der Türkei für die Sicherheit der Kurdenmiliz YPG in Syrien abhängig, die mit den USA gegen den IS kämpfte. Für Ankara aber ist die YPG Teil der türkisch-kurdischen PKK, die in der Türkei als Terrororganisation gilt. Ibrahim Kalın, der engste Berater Erdoğans, sagte es so - auch über Twitter: Es gebe "keinen Unterschied" zwischen der YPG und dem IS. "Wir werden weiter gegen sie alle kämpfen."

Dagegen beharrte Pompeo bei einem Besuch in der Region, die USA respektierten das Recht der Türkei, sich vor Terroristen zu schützen. "Aber wir wissen auch, dass diejenigen, die keine Terroristen sind und die ganze Zeit an unserer Seite gekämpft haben, es verdienen, geschützt zu werden." Eine neue Wende nun könnte wiederum in Trumps Tweet liegen, der ohne jede Details von einer 32 Kilometer tiefen "Sicherheitszone" sprach, die eingerichtet werden solle - ähnlich wie im nordsyrischen Afrin, wo die Türkei mit Billigung der USA und Russlands eingerückt war? Niemand weiß es, auch Pompeo offenkundig nicht. Man müsse Trump fragen, was dieser gemeint habe, sagte er, auf den Tweet angesprochen.

Im August hatten die USA gezeigt, dass sie die Türkei wirtschaftlich in die Knie zwingen können: Trump verhängte Strafzölle auf Stahl und Aluminium, die Lira ging in den Keller. Erst als die Türkei einen lange inhaftierten US-Priester freiließ, nahm er die Zölle zurück - die Lira zog wieder an. Nach den Drohungen Trumps verlor die türkische Währung am Montagmorgen sofort wieder; der Wert des Dollars stieg um 1,7 Prozent auf 5,54 Lira.

Die türkische Wirtschaft ist krisenanfällig geworden, das Land steht erstmals seit zehn Jahren womöglich vor einer Rezession. Am 31. März finden landesweite Kommunalwahlen statt, Erdoğan betätigt sich als oberster Wahlkämpfer für seine islamisch-konservative AKP. Eine Vertiefung der Wirtschaftskrise würde die Lage der AKP gewiss nicht verbessern. Çavuşoğlu versuchte denn auch, die Wirkung des Trump-Tweets zu dämpfen: Der US-Präsident, so der türkische Außenminister, stehe eben innenpolitisch unter Druck, deshalb twittere er solche Drohungen. Nachdem Bolton von der Türkei Sicherheitsgarantien gefordert hatte, wetterte Erdoğan jüngst noch vor dem Parlament, was für ihn zähle, sei alleine das Wort Trumps.

Kurdische YPG-Milizen feiern unter Öcalan-Banner

In der Türkei herrscht Unverständnis über die US-Haltung zu den YPG-Milizen, denn aus ihrer Nähe zur PKK machen die kein Geheimnis. In den von ihnen kontrollierten Gebieten in Syrien gab es am Samstag Freudenschüsse, als Mehmet Öcalan - erstmals seit zwei Jahren - seinen Bruder Abdullah Öcalan, den Gründer der PKK, auf der Gefängnisinsel Imralı im Marmarameer besuchen konnte. Die Befreiung Raqqas vom IS feierten die kurdischen Kämpfer unter einem riesigen Öcalan-Banner.

Öcalan ist seit 1999 inhaftiert und zu lebenslanger Haft verurteilt. Mehr als 100 kurdische Häftlinge, unter ihnen auch Politiker der legalen Kurdenpartei HDP, hatten zuletzt in einem Hungerstreik gegen Öcalans "Isolation" protestiert. Die Besuchserlaubnis könnte ein Zeichen dafür sein, dass Ankara die Situation nicht eskalieren will.

Auch Pompeo hatte sich am Samstag nach einem Telefonat mit Çavuşoğlu optimistisch gezeigt, dass sich die USA und die Türkei über Schutz für die Kurden in Syrien verständigen könnten. Es müssten jedoch noch viele Details ausgearbeitet werden, sagte er in Abu Dhabi. Nach dem rhetorischen Schlagabtausch zwischen Bolton und Erdoğan vergangene Woche ist die Stimmung zwischen den Nato-Partnern wieder äußerst angespannt, allerdings hatte auch Bolton angedeutet, dass sich die USA - entsprechende Garantien der Türkei vorausgesetzt - aus dem Norden Syriens zurückziehen und sich auf eine Präsenz im Südosten, vor allem auf dem Stützpunkt Tanf nahe der Grenze zu Irak und Jordanien, beschränken könnten.

Von dort aus ließen sich die Militäroperationen gegen die Reste der Terrormiliz IS im Euphrat-Tal steuern, auch könnten US-Soldaten von dort Versuchen schiitischer Milizen entgegentreten, Nachschubrouten von Iran über Irak bis nach Syrien und Libanon einzurichten, von denen die Hisbollah profitieren würde. Israel hatte sich entsetzt gezeigt über Trumps Rückzugsankündigung. Premier Benjamin Netanjahu sprach am Sonntag während der Kabinettssitzung von "Hunderten Malen", die das israelische Militär iranische Ziele in Syrien angegriffen habe, zuletzt am Wochenende Lagerhäuser am internationalen Flughafen von Damaskus. Das amerikanische Militär hatte am Freitag zwar den Beginn des Abzugs angekündigt, allerdings heißt es aus dem Pentagon, es werde zunächst nur Gerät aus Syrien wegverlegt.

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