Ausfälle des US-Präsidenten:Erste Republikaner werfen Trump Rassismus vor

  • Namhafte republikanische Parteifreunde Trumps ducken sich zunächst lieber weg als Trump für seine rassistischen Ausfälle zu rügen.
  • Nach der zweiten Tirade des US-Präsidenten gegen Politikerinnen der US-Demokraten sprechen erste Republikaner nun von Rassismus.
  • Die US-Demokraten sind jetzt zur Einigkeit gezwungen, was nicht ganz einfach ist.

Von Thorsten Denkler, New York

Im besten Fall haben die Republikaner im US-Kongress einfach nur abgewartet, ob da noch was kommt. Ob Donald Trump es bei einem Ausfall belässt, der in der liberalen amerikanischen Öffentlichkeit als einer der schlimmsten rassistischen Angriffe des Präsidenten bisher diskutiert wird. Wer so kalkuliert hat, sollte recht bekommen. Seinem Ausbruch vom Sonntag folgte inzwischen eine weitere Verbalattacke.

Es hat jedenfalls mehr als einen Tag gedauert, bis wenigstens ein paar Republikaner sich bemüßigt gefühlt haben, auf Trumps Twitter-Attacke auf vier junge, demokratische Kongressabgeordnete zu reagieren. Und als dann endlich die ersten Republikaner das Schweigen brachen, klangen die meisten nicht unbedingt so, als hätte Trump viel zu befürchten. Beides Zeichen dafür, wie fest Trump die Partei im Griff hat.

Geäußert haben sich zunächst Konservative, die in Wahlkreisen und Bundesstaaten beheimatet sind, wo die Demokraten durchaus stark sind. Die Senatorin Susan Collins aus Maine etwa. Sie twitterte, Trump sei "deutlich zu weit gegangen". Der Kongressabgeordnete Fred Upton aus Michigan fand die Kommentare des Präsidenten "wirklich unnötig" und "enttäuschend". Pete Olson, Kongressabgeordneter aus Texas, ging immerhin so weit, dass er Trump aufforderte, die Bemerkung zurückzunehmen. Was der nicht tat.

Ganz im Gegenteil. Am Montag legte er nach. Im Rosengarten des Weißen Hauses raunte er, die vier Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez, Ilhan Omar, Ayanna Pressley und Rashida Tlaib beschwerten sich doch nur die ganze Zeit über die USA und ihre Regierung. "Wenn es ihnen hier nicht gefällt, dann können sie gehen", sagte Trump. Und: "Sie hassen unser Land. Wenn sie hier nicht glücklich sind, sollten sie die Vereinigten Staaten eben verlassen."

Trump hatte die vier, die im politischen Washington als "the Squad" bekannt sind, bisher namentlich nicht genannt. Aber so viele "progressive demokratische Kongress-Frauen" gibt es nicht, die angeblich aus "Ländern gekommen sind", deren Regierungen "komplette und totale Katastrophen" sind, wie er am Sonntag auf drei Tweets verteilt geschrieben hat. Und die erlaubten sich jetzt, den Bürgern des "großartigsten und mächtigsten Landes der Erde" zu erzählen, wie ihre Regierung geführt werden sollte. "Warum gehen sie nicht zurück und helfen dort, diese kaputten und von Verbrechen zersetzten Länder wieder in Ordnung zu bringen", fragte Trump.

Die Frage ließe sich leicht beantworten: Alle vier Kongressabgeordnete sind US-Bürgerinnen. Und bis auf die in Somalia geborene Ilhan Omar sind sie auch alle in den Vereinigten Staaten auf die Welt gekommen. Omar ist auch nicht einfach irgendwo hergekommen. Sondern ihre Eltern sind mit ihren Kindern vor dem Bürgerkrieg geflüchtet.

Ausgerechnet Omar pickte er sich namentlich heraus, als er Montag im Rosengarten sprach. Dass es auch US-Bürger geben darf, die nicht mit ihm einverstanden sind, ignoriert er schlichtweg.

Selbst als anständig geltende Republikaner fanden nicht die richtigen Worte. Senator Mitt Romney etwa, Präsidentschaftskandidat der Republikaner 2012. Auf Trumps Ausfall angesprochen, kritisiert er erst mal die vier Abgeordneten für ihre politischen Ansichten. Auf die Frage, ob Trumps Aussagen rassistisch gewesen seien, drehte er sich weg und sagte, mehr habe er nicht zu sagen. Später besann er sich und verurteilte Trumps Aussagen formal. Als rassistisch bezeichnete er sie nicht.

Oder Lindsey Graham, Senator aus South Carolina, ein enger Freund des 2018 verstorbenen Trump-Gegners und Senators John McCain. Erst bezeichnete er die vier Abgeordneten als "einen Haufen von Kommunisten", die ihr Land hassten, die Israel hassten, die "Antisemiten" seien und "antiamerikanisch". Persönlicher konnte ein Angriff kaum ausfallen. Danach erklärte Graham, dass Trump die vier besser wegen ihrer Politik schelten sollte als sie derart persönlich anzugehen.

Kevin McCarthy, der republikanische Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, wollte auch nicht von Rassismus in Trumps Aussagen sprechen, im Gegenteil. Den Plan der Demokraten im Repräsentantenhaus, Trumps Äußerungen in einer Resolution als rassistisch zu verurteilen, kritisierte er.

Immerhin distanzierte sich McCarthy von Trumps Äußerung, wonach die vier Politikerinnen die Vereinigten Staaten verlassen sollten. "Dies ist ihr Land", sagte McCarthy. "Sie haben ein Recht, ihre Meinung zu sagen."

Scharf kritisierten bislang nur zwei afroamerikanische Republikaner den Präsidenten. Tim Scott, Senator aus South Carolina, äußerte ebenfalls deutliche Kritik an Trump. Dieser habe seine Tweets mit "inakzeptablen persönlichen Attacken und rassistisch beleidigender Sprache" aufgeladen. Ähnlich äußerte sich Will Hurd, der einzige schwarze Republikaner im Repräsentantenhaus. Trumps Tweets seien "rassistisch und fremdenfeindlich", sagte der Texaner dem Sender CNN, solche Äußerungen seien "des Anführers der freien Welt unwürdig".

Und ein früherer republikanischer Kongressabgeordneter aus Florida wurde ebenfalls deutlich: David Jolly sagte auf MSNBC, dass viele Amerikaner wahrscheinlich erst Wut gespürt hätten, ihnen inzwischen aber das Herz gebrochen sei. Sie müssten mit dem Umstand umgehen, dass der Präsident der Vereinigten Staaten sich eines rassistischen Narratives bedient.

Vier Frischlinge, die nicht hintanstehen wollen

Für Ocasio-Cortez, Omar, Pressley und Tlaib ist Trumps Gehabe allerdings auch ein politisches Geschenk. Ihre radikal linken Ansichten stören den Frieden unter den Demokraten erheblich. Sie haben es geschafft, die progressiven Stimmen in der Partei lauter tönen zu lassen, als sie innerparteilich an Macht haben.

Sie fordern ein Amtsenthebungsverfahren, höhere Steuern für Reiche, eine Krankenkasse für alle, kostenlose Bildung. Ihre Themen bestimmen die Debatten um die Präsidentschaftskandidatur. Moderate bis konservative Demokraten sehen darin die Saat für einen weiteren Wahlsieg von Trump 2020.

Doch die vier haben erkennbar keine Lust, sich als Neulinge im Kongress hintanzustellen. Und nutzen ihre Follower-Macht in den sozialen Medien. Ocasio-Cortez folgen auf Twitter, Instagram und Facebook zusammen fast zehn Millionen Menschen. Sechs Millionen mehr als der Sprecherin des Repräsentantenhauses und damit obersten Demokratin, Nancy Pelosi. Ocasio-Cortez ist allerdings erst seit 2015 Politikerin. Pelosi ist seit Jahrzehnten im politischen Geschäft.

Sie wurmt, dass die vier Frischlinge im Repräsentantenhaus so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Von ihr ist der Satz überliefert, dass die vier zwar ihr "öffentliches Was-auch-immer haben" und "ihre Twitter-Welt". Aber dass dann nichts nachkommt. Es seien eben "nur vier Menschen, die vier Stimmen" im Repräsentantenhaus haben.

Jetzt aber, nach Trumps Attacken, sind die Demokraten zu Einigkeit gezwungen. Pelosi ist Profi genug, um den Angriff auf die vier als Angriff auf alle Demokraten zu werten. Und die vier nutzen die Lage für sich. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Montagabend machen sie klar, dass sie sich von einem wie Trump nichts sagen lassen. Der wolle nur "von der gefühllosen, chaotischen und korrupten Arbeitsweise dieser Regierung ablenken", sagte Pressley. Und Omar schießt nach, Trump bediene "die Agenda weißer Nationalisten". Diese haben jetzt "den Garten des Weißen Hauses erreicht".

Trump wird das nicht stören. Er äußert weiter seine Aufforderungen, das Land zu verlassen, wenn es einem nicht gefällt, oder Mutmaßungen, Nancy Pelosi könne sicher kostenlose Flüge in die - vermeintliche - Heimat der vier organisieren.

Derartige Sprüche kommen in Deutschland eher aus der rechten Ecke von NPD und AfD. Aber das ist das Niveau, auf dem der US-Präsident derzeit versucht, seine Stammwähler zu mobilisieren. Und zu befürchten ist, dass es auch der Ton ist, den Trump im Wahlkampf setzen wird. In einer Ecke mit weißen Nationalisten zu stehen, "beunruhigt mich nicht", sagt er. "Weil viele Leute hinter mir stehen."

Trump hat den Konflikt gesucht. Er hat ihn bekommen. Das bringt ihn ein Stück näher zur zweiten Amtszeit.

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