Süddeutsche Zeitung

Machtwechsel im Repräsentantenhaus:Wie die Demokraten Trump vor sich her treiben wollen

  • Mit ihrer neuen Mehrheit im House haben die Demokraten genug Macht, um Trump viel Ärger zu bereiten.
  • Ihre Mittel aber sind nicht unendlich. Sie müssen sich konzentrieren, zum Beispiel auf Trumps Steuererklärung oder die Russland-Affäre.

Analyse von Thorsten Denkler, New York

Am 6. November hat sich für die Demokraten etwas Grundlegendes geändert. Erstmals seit 2010 haben sie wieder die Mehrheit im Repräsentantenhaus. 40 Stimmen haben sie dazugewonnen. Der größte Zuwachs seit 1974. Eine blaue Welle ist über das Land geschwappt. Und hat die republikanischen Kandidaten selbst dort erfasst und hinweggespült, wo sie sich sicher gefühlt haben, weil Donald Trump in ihren Wahlkreisen 2016 noch deutlich gewonnen hatte.

Am 3. Januar 2019 wird die Zeitenwende vollzogen. Dann wird aller Voraussicht nach die Demokratin Nancy Pelosi die Rolle des Speaker of the House übernehmen. Sie würde damit wichtigste Repräsentantin ihrer Partei, mächtigste Frau der USA, und ständiger Stachel im Fleisch des Präsidenten sein. Pelosi ist zwar zögerlich, wenn es um ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump geht. Aber unter ihr soll das Parlament zu einer Gegenmacht zum Weißen Haus ausgebaut werden. Ein Powerhouse gegen Trump.

Dazu wird die Personalstruktur im House in den kommenden Wochen wohl massiv um- und ausgebaut. Die Demokraten werden wohl deutlich mehr Stellen ausschreiben für Leute mit Ermittlungserfahrung als Juristen, die Gesetzestexte formulieren können. Das hat einen einfachen Grund: Es ist unwahrscheinlich, dass die Demokraten eigene Gesetzesinitiativen werden umsetzen können. Dazu fehlt die Mehrheit im Senat. Sie können allenfalls symbolhaft Gesetze im House verabschieden, um den Menschen zu zeigen, was sie inhaltlich wollen.

Es wäre also wenig sinnvoll, hier zu viele Ressourcen einzusetzen. Die sind aus Sicht der Demokraten sicher besser angelegt, um die Verfehlungen und Skandale der Trump-Regierung aufzudecken und zu durchleuchten. Dennoch wären die Demokraten falsch beraten, sofort alle möglichen Ermittlungen loszutreten.

Sie haben die Mehrheit im House zurückerobert mit dem Versprechen, die Gesundheitsversorgung und das Leben der Menschen in den USA zu verbessern. Darum werden wohl erstmal ein paar Gesetze dazu verabschiedet, wie etwa die Anhebung des Mindestlohnes auf 15 Dollar pro Stunde. Auch wenn das Gesetz im Senat scheitern wird, das Signal ist nötig.

Wer die Mehrheit hat im House, der hat Macht über alles, was im House passiert. Minderheitenrechte, wie es sie etwa im deutschen Bundestag gibt, kennt das House so gut wie nicht. Die Chefposten aller Ausschüsse gehen jetzt an die Demokraten. Das sind, anders als im Bundestag, mächtige Positionen. Die Vorsitzenden der Ausschüsse bestimmen die Tagesordnung. Sie entscheiden, mit welchen Themen sich das House befasst. Sie können verpflichtende Vorladungen aussprechen.

Für Trump bedeutet das viel Ärger.

Die Demokraten haben eine Liste verfasst mit Fragen, die sie untersuchen wollen. 85 Punkte sind darauf. Ganz oben: Trumps Steuererklärungen, die er anders als die meisten Präsidenten der jüngsten Vergangenheit partout nicht veröffentlicht sehen will. Es geht zudem um Trumps Verbindungen zu Russland. Um mögliche Geldflüsse von Russland an die Trump Organization, in der die Geschäfte der Trump-Familie gebündelt sind. Oder auch um die engen geschäftlichen und persönlichen Beziehungen, die Trumps Schwiegersohn und Berater Jared Kushner zum saudischen Königshaus unterhält. Und was das womöglich mit der moderaten Reaktion der Trump-Regierung auf die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi zu tun hat.

Schon in der vergangenen Legislaturperiode haben die Demokraten im House versucht, Untersuchungen gegen die Trump-Regierung anzustellen. Oft sogar mit Unterstützung der Republikaner. Allerdings liefen die Vorhaben ins Leere, wenn die Trump-Regierung nicht von sich aus kooperiert hat. Mit dem scharfen Schwert der Vorladung wollten die Republikaner nicht gegen die eigene Administration vorgehen.

Drei Männer sollen Trump vor sich hertreiben: Elijah Cummings, Adam Schiff und Jerry Nadler.

  • Cummings wird den mächtigen Kontroll-Ausschuss im House leiten. Es ist die Kernaufgabe dieses Ausschusses, die Regierung bis unter die Fingernägel zu hinterfragen. Alle Skandale von Geldverschwendung bis zu Bereicherung landen hier. Und davon hat die Trump einige zu bieten. Mehrere Minister mussten schon wegen ethischen Fehlverhaltens zurücktreten.
  • Adam Schiff wird der neue Chef des Geheimdienstausschusses. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen die Russlandaffäre und die Frage, ob Trump oder einer seiner Leute mit Russland zusammengearbeitet hat, um die Wahl 2016 zu gewinnen. Im März hatten die Republikaner mit ihrer Mehrheit die Ausschuss-Untersuchung bereits für beendet erklärt. Was einigermaßen verblüffend war. Denn der Sonderermittler des Justizministerium in der Sache, Robert Mueller, hat seinen Bericht bis heute noch gar nicht vorgelegt. Wenn er das demnächst macht, wird dieser ziemlich sicher im Geheimdienstausschuss behandelt. Dafür muss Schiff aber die Untersuchung wohl erst wieder öffnen. Dann könnte er auch dafür sorgen, dass der Bericht oder zumindest Teile des Berichtes öffentlich werden.
  • Jerry Nadler wird den Justizausschuss leiten. Er wird versuchen, dafür zu sorgen, dass im Justizministerium, das die Aufsicht über Mueller hat, nichts verschwindet und dass Mueller seine Arbeit machen kann. Er hat schon angekündigt, dass er an die Verantwortlichen eine Reihe von Briefen schicken wird, in denen er sie ausdrücklich auffordert, keine Unterlagen im Schredder landen zu lassen. Nadler wird parallel zu Schiff versuchen, die Ergebnisse der Mueller-Ermittlungen vorgelegt zu bekommen. In der Hinsicht kommt der Druck auf die Trump-Regierung also von zwei Ausschüssen.

Zu den wichtigsten Waffen der Demokraten wird das Vorladungsrecht gehören. Wer so eine Vorladung bekommt, der darf sich ihr nicht verweigern. Sonst riskiert er eine Strafe. Vorladungen können Personen gelten, die als Zeugen vernommen werden solle. Und sie könnten auf Beweise zielen, zu deren Vorlage bestimmte Zeugen mit einer Vorladung verpflichtet werden.

Der Trump-Regierung könnte zum Beispiel einfallen, den Mueller-Report nicht den Demokraten im House zu übergeben. Was ein starkes Stück, aber nicht ungesetzlich wäre. Schiff und Nadler könnte dann mit ihrem Vorladungsrecht versuchen, den Justizminister zu zwingen, den Report herauszurücken. Und wenn der es auf einen Rechtstreit ankommen lässt, können sie immer noch Zeugen vorladen, die wissen, was im Report steht - zum Beispiel Robert Mueller und sein Ermittlungsteam.

Trumps Steuererklärung wird wohl von einem anderen Ausschuss angefordert werden, dem Committee on Ways and Means, was wörtlich übersetzt "Ausschuss für Mittel und Wege" bedeutet. Er kümmert sich um alles, was mit Geld zu tun hat: um Steuer-, Finanz und Haushaltsfragen und um soziale Sicherungssysteme. Dessen neuer Chef Richard Neal bereitet sich schon auf einen harten Kampf vor. Das Beste wäre, wenn Trump seine Steuererklärung freiwillig hergibt, sagte Neal. Aber davon sei nicht auszugehen. "Dann werden wir eine langes und ermüdendes Gerichtsverfahren vor uns haben", prophezeit er.

Die Regierung auf die Umsetzung von Vorladungen verklagen, das kann letztlich nur Nancy Pelosi als Speaker of the House veranlassen. Ihre Aufgabe wird es sein, darauf zu achten, dass die Ausschuss-Vorsitzenden mit ihren Vorladungen nicht die Kapazitäten des Parlamentes überfordern.

Es wird erwartet, dass die Demokraten die Trump-Regierung mit Vorladungen überschütten. Dass die Trump-Regierung vollständig kooperiert, glaubt niemand. Es ergibt allerdings wenig Sinn, wegen jeder nicht erfüllten Vorladung ein aufwändiges und teures Gerichtsverfahren anzustrengen. Pelosi wird also entscheiden müssen, woraus sich politisch das meiste Kapital schlagen lässt. Diese vermutlich ein bis zwei Fälle landen dann vor Gericht. Und können bis zum Supreme Court gehen.

Pelosi hat damit Erfahrung. Sie war schon einmal Speaker of the House. Und hat in der Rolle 2008 ihren damaligen House-Justitiar Irvin Nathan die Bush-Regierung verklagen lassen. Erstmals in der US-Geschichte. Die Bush-Administration hatte sich geweigert, bestimmte Mitarbeiter als Zeugen vor dem Kongress zuzulassen. Pelosi gewann. Das Urteil dürfte wegweisend sein für mögliche künftige gerichtliche Auseinandersetzungen. Nathan sagt heute über Pelosi: "Sie ist die Beste für den Job." Trump muss sich also warm anziehen.

Die mächtigste Waffe der Demokraten aber ist das alleinige Recht, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten in Gang zu setzen. Das ginge mit einfacher Mehrheit und würde den Justizausschuss in ein Ermittlungsorgan mit weitreichenden Kompetenzen verwandeln. Solche Impeachments können gegen jeden Offiziellen der Bundesregierung bis hin zum Präsidenten eröffnet werden. Das ist bereits über 60 Mal in der US-Geschichte passiert. In acht Fällen kam es tatsächlich zu einer Amtsenthebung, das betraf jedes Mal Bundesrichter. Nur zwei Präsidenten mussten sich dem Verfahren unterziehen: Andrew Johnson 1868 und Bill Clinton 1998.

Das Problem der Demokraten: Ein knappe aber stabile Mehrheit der US-Bürger lehnt eine Amtsenthebung grundsätzlich ab. Am Ende muss zudem der Senat zustimmen, in dem die Republikaner die Mehrheit haben. Erst wenn genug republikanische Senatoren signalisieren, dass sie den Präsidenten nicht länger stützen wollen, könnte ein Impeachment sinnvoll erscheinen.

Manche spekulieren deshalb, dass Trump unter dem Druck, den die Demokraten im House aufbauen werden, irgendwann einfach zurücktritt. Auch unwahrscheinlich. Andererseits: Trump ist ein Spieler. Einer, der sich für den größten aller Spieler hält. Aber er weiß in der Regel auch, wann Schluss ist. Er hat schon viele Vergleiche vor Gericht geschlossen, wenn abzusehen war, dass er keinen Sieg würde davontragen können. Sollte die Last der Beweise gegen ihn so groß werden, dass eine Gefängnisstrafe ernsthaft droht, dann könnte ein Rücktritt eine realistische Option sein. In dem Fall würde sein Vize Mike Pence das Amt übernehmen. Der könnte dann Trump begnadigen und Trump wäre fein raus.

Das hat es schon einmal gegeben, als der wegen der Watergate-Affäre zurückgetretene Präsident Richard Nixon von seinem Nachfolger Gerald Ford 1974 begnadigt wurde. Für Trump wäre das ein sicherer Weg, um einer Strafverfolgung zu entgehen. Sollte er aber 2020 wieder antreten und gegen einen demokratischen Bewerber verlieren, stehen die Chancen für eine Begnadigung schlecht.

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