Der erste präsidiale Erlass zum Einreisestopp für Bürger aus mehreren muslimisch geprägten Ländern sorgte für Chaos und wurde von den US-Gerichten gestoppt. Nun hat das Weiße Haus eine neue Version vorgelegt. Was dahintersteckt und welche rechtlichen Probleme es gibt: ein Überblick.
Wer ist betroffen?
Das von US-Präsident Donald Trump am Montag unterzeichnete Dekret verbietet Bürgern aus Iran, Syrien, Somalia, Libyen, dem Sudan und Jemen die Einreise. Reisende aus diesen vorwiegend muslimischen Ländern sollen zunächst für drei Monate keine Visa mehr erhalten. Durch die Order sollen laut Trump als Touristen oder Flüchtlinge getarnte Terroristen an der Einreise gehindert werden.
Was bedeutet das für Flüchtlinge?
Die neue Verordnung setzt auch die Aufnahme von Flüchtlingen für die nächsten 120 Tage aus, egal, woher sie stammen. Außerdem werden künftig nicht mehr als 50 000 Flüchtlinge pro Jahr akzeptiert. Während der Obama-Regierung waren es 110 000 pro Jahr. An diesen Teilen des Erlasses hat sich nichts geändert.
Was unterscheidet den neuen vom alten Einreisebann?
Der neue Erlass ist im Vergleich zum ersten etwas entschärft worden. So bleiben bisher erteilte Visa weiterhin gültig. "Wer ein gültiges Einreisevisum besitzt, ist willkommen", sagte John Kelly, Leiter der Heimatschutzbehörde.
Besitzer einer Greencard, also einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis in den USA, sind ebenfalls von dem Einreisestopp ausgenommen. Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft können ebenfalls aufatmen: Besitzt etwa ein Exil-Iraner einen deutschen aber auch weiterhin seinen iranischen Pass, kann er ohne Probleme in die USA einreisen.
Neu ist zudem, dass sich der Irak nicht mehr auf der Liste der geblockten Länder befindet. Das Land gilt den USA als wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat. Offenbar hatte das Verteidigungsministerium darauf gedrungen, das Land zu streichen.
Ab wann tritt das Dekret in Kraft?
Der neue Erlass gilt vom 16. März 2017 an. Damit soll Grenzbehörden die Möglichkeit gegeben werden, sich vorzubereiten. Auch Szenen mit plötzlich an US-Flughäfen festsitzenden Menschen sollen sich nicht wiederholen.
Könnte der Einreisebann auch auf weitere Länder ausgeweitet werden?
Im Moment ist davon nicht die Rede. Heimatschutzminister Kelly sagte am Montag auf CNN allerdings, es gebe 13 oder 14 andere Länder, deren Sicherheitsüberprüfung fragwürdig sei und die genauer unter die Lupe genommen werden müssten. Kelly nannte keine Ländernamen. Es seien jedoch nicht nur muslimische Länder, sagte er.
Was passiert mit dem alten Dekret?
Die erste Version des Einreisestopps, die Trump am 27. Januar unterzeichnet hatte, wurde von Bundesrichtern vor etwa einem Monat gestoppt. Im neuen Dekret ist die Gültigkeit des entsprechenden Erlasses explizit aufgehoben. Damit wären die laufenden Klagen dagegen überflüssig, so das Justizministerium.
Wie reagieren Migranten- und Bürgerrechtsorganisationen auf den Erlass?
Auch wenn die neue Order abgemildert daherkommt, ist sie für viele Kritiker immer noch eine Diskriminierung von Muslimen. "Lassen Sie sich nicht täuschen, das ist immer noch ein handfester Muslimen-Bann", sagte Ahlam Jbara, Vorstandsmitglied des Arab American Action Network. Omar Jadwat von der American Civil Liberties Union erklärte, er halte das neue Dekret nach wie vor für einen Muslimen-Bann und erwarte, dass es vor Gericht auf die gleichen Probleme stoße wie schon das Vorgänger-Papier. Chuck Schumer, Chef der Demokraten im Senat, nannte die Verordnung einen "verwässerten Bann", der "niederträchtig und unamerikanisch" sei.
Gibt es Hinweise darauf, dass Terroristen in die USA einreisen wollten?
Im Dekret schreibt Trump: "Der Justizminister hat mir von mehr als 300 Personen berichtet, die in die USA als Flüchtlinge eingereist sind und derzeit vom FBI wegen Terrorismusverdachts überprüft werden." Wie die New York Times schreibt, hat das Justizministerium diese Personen wegen ihrer Verbindungen zu islamistischen Terrorgruppen oder Positionen, die den Islamischen Staat gutheißen, identifiziert. Es wird nun überprüft, ob der Terrorismusverdacht haltbar ist. Einige dieser Personen hätten bereits eine permanente Aufenthaltsgenehmigung in den USA, heißt es weiter.
Wie viele dieser mehr als 300 Personen aus den vom Einreisestopp betroffenen Ländern stammen, wurde weder von der Heimatschutzbehörde noch vom Justizministerium bekannt gegeben.
Charles Kurzman, Soziologieprofessor an der University of North Carolina at Chapel Hill, hat jedoch in einer Studie hervorgehoben, dass seit Jahrzehnten in den USA kein Anschlag mehr von muslimischen Extremisten ausgeführt wurde, die einen Familienhintergrund in einem der sechs geblockten Länder haben.
Wird es auch gegen die neue Verordnung Klagen geben?
Wie schon beim ersten Dekret werden auch gegen die neue Fassung zahlreiche Klagen erwartet. Bürgerrechtsorganisationen haben entsprechende Schritte bereits angekündigt.
Wie werden die Gerichte dieses Mal entscheiden?
Auch das neue Dekret enthält einige juristische Unklarheiten, die zu einem Stopp der Umsetzung führen könnten. Vermutlich wird der Fall durch mehrere Instanzen wandern und früher oder später vom Obersten Gerichtshof verhandelt werden.
Juraprofessorin Ruthann Robson von der City University of New York (CUNY) sagt, Gerichte könnten den Erlass als "religiös motiviert" betrachten und deshalb für unrechtmäßig erklären.
Außerdem erscheine die Begründung, warum der Irak als "Sonderfall" von der Liste der blockierten Länder gestrichen sei, problematisch. "Ist der Irak mit seinen 'aktiven Kampfzonen' so unterschiedlich im Vergleich zu Libyen und Jemen, die ähnlich beschrieben werden?", fragt Robson. Dies müssten nun die Richter genauer untersuchen.
Die Streichung des Irak sei auch deshalb problematisch, weil die neue Order als Teil ihrer Begründung diesen besonderen Vorfall zitiere: "Zum Beispiel im Januar 2013 wurden zwei irakische Staatsangehörige, die 2009 als Flüchtlinge in die Vereinigten Staaten aufgenommen wurden, zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt für mehrere terroristische Straftaten." Wenn der Irak als Beispiel für ein Terrorherkunftsland genannt wird, wieso wird er dann von dem Dekret ausgenommen?
Juristisch angreifbar sei laut Robson zudem Trumps Bemerkung, der Justizminister habe ihm von 300 Flüchtlingen berichtet, die unter Terrorverdacht stünden (siehe oben). "Die Einwände anderer Regierungsbeamter in Bezug auf die Wirksamkeit des Einreiseverbots würden sicherlich in jeder gerichtlichen Überprüfung den Fokus auf die Verbindung zwischen dem Reiseverbot und den Absichten der Regierung legen", meint Robson. In einem geleakten Gutachten hatten Mitarbeiter des Heimatschutzministeriums bezweifelt, dass Staatsbürgerschaft ein verlässlicher Indikator für eine terroristische Bedrohung sei.
Was bedeutet ein Einreisebann für amerikanische Firmen?
Schon nach dem ersten Erlass haben sich mehr als hundert Tech-Unternehmen - darunter Apple, Google, Facebook und Microsoft - zusammengetan, um Klagen gegen den Einreisestopp zu unterstützen. Es ist anzunehmen, dass Ähnliches auch bei der neuen Verordnung passiert.
In einem Meinungsdokument, das sie an einem Bundesgericht in San Francisco einreichten, erklärten die Unternehmen, Trumps Order "verstoße gegen das Einwanderungsgesetz und die Verfassung". Die Tech-Firmen sind gegen einen Einreisestopp, da viele ihrer Programmierer und Spezialkräfte aus dem Ausland kommen. Sollten durch eine ausländerfeindliche Politik der neuen US-Regierung ausländische Fachkräfte fernbleiben, könnte das die Geschäfte der Tech-Konzerne empfindlich treffen.
Was hat es mit der Reisewarnung für Nigerianer auf sich?
Nigeria ermahnt seine Bürger, nur im Notfall in die USA zu reisen. Das Land steht zwar nicht auf der Blockliste, nach Aussage der Regierung sind jedoch mehrere nigerianische Bürger trotz gültigen Visums an der Grenze abgewiesen und zurückgeschickt worden. Nigerianer, die nicht dringend in die USA reisen müssen, sollten ihre Reisepläne besser verschieben, bis die Einreisepolitik klar geregelt sei.
Hat die neue amerikanische Politik Auswirkungen auf den Tourismus?
Die Nachfrage nach Reisen in die USA ist zurückgegangen, gab der Reiseanalyst ForwardKeys am Montag bekannt. Die Firma zieht ihre Erkenntnisse aus der Analyse von täglich 16 Millionen Flugreservierungen. Nach dem ersten Reisebann sei die Nachfrage nach USA-Flügen um 6,5 Prozent gesunken. Besonders eingebrochen seien Reisen vom und in den Nahen Osten, und zwar um 27 Prozent. "Es herrscht Unsicherheit, und die Rhetorik des Präsidenten scheint Besucher abzuschrecken", sagte ForwardKeys-Gründer Olivier Jager der Nachrichtenagentur Reuters.
Auch New York City spürt einen Besuchereinbruch seit den ersten Einreise-Restriktionen. Schätzungen zufolge werden in diesem Jahr 300 000 internationale Urlauber weniger in den Big Apple kommen. Die Stadt will nun eine drei Millionen Dollar teure Kampagne starten, um in Mexiko, Großbritannien und Deutschland für sich zu werben und Besuchern zu versichern, dass sie willkommen sind.