Süddeutsche Zeitung

Illegales Schweigegeld:So gefährlich ist der Fall Cohen für Trump

  • An diesem Mittwoch wird in New York das Strafmaß für Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen verkündet.
  • Wenn er verurteilt wird, könnte das auch für Trump zu einem großen Problem werden.
  • Die Ankläger halten den US-Präsidenten für den Auftraggeber illegaler Schweigegeldzahlungen an zwei Frauen.

Von Thorsten Denkler, New York

Wird Michael Cohen in Freiheit bleiben? Oder muss er ins Gefängnis, weil er für einen Mann gearbeitet hat, der heute Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist? Bundesrichter William Pauley am United States District Court for the Southern District of New York wird das Strafmaß für die Taten verkünden, derer sich Cohen selbst schuldig bekannt hat. Cohen war jahrelang der persönliche Anwalt von Donald Trump. Sein Fixer, wie es so schön heißt. Er hat Dinge geregelt, die Trump verbockt hat.

Würde es nur um Cohen gehen, wäre das schon Sensation genug. Aber es geht vor allem darum, ob sich der US-Präsident nicht auch strafbar gemacht hat. Und ob er dafür nicht ins Gefängnis gehen müsste. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Welcher Vergehen hat sich Cohen schuldig bekannt?

Als im Frühjahr FBI-Mitarbeiter die Privaträume und Büros von Cohen durchsuchten und jede Menge Akten, Festplatten und Tonträger beschlagnahmten, da war zu ahnen, dass es sehr eng werden könnte für ihn. Es galt als ausgeschlossen, dass Cohen keine sprichwörtliche Leiche im Keller haben würde. Ende August schließlich gab er dem Ermittlungsdruck nach, und erklärte sich in mehreren Fällen der Steuerhinterziehung, eines Bankbetrugs und der illegalen Wahlkampfhilfe für Trump schuldig. Zusammen sind es acht Einzeltaten.

Warum hat sich das FBI überhaupt für Cohen interessiert?

Der Sonderermittler in der Russland-Affäre, Robert Mueller, gab den New Yorker FBI-Kollegen die entscheidenden Hinweise auf die Schweigegeldzahlungen an zwei Nacktmodels, denen eine Affäre mit Trump nachgesagt wird. Mueller untersucht, ob und inwieweit Trump oder seine Wahlkampfhelfer mit der russischen Regierung zusammengearbeitet haben, um die Wahl 2016 zu gewinnen. Cohen spielte da als persönlicher Anwalt von Trump eine wichtige Rolle, weshalb er ihn genauer unter die Lupe nahm. Die Hinweise auf die Straftaten, die er an das FBI in New York gegeben hat, waren quasi Abfallprodukte dieser Ermittlungen.

Welche Strafe hat Cohen zu erwarten?

In den Strafempfehlungen, die sein Anwalt dem Gericht schriftlich gegeben hat, wird Cohen als liebender Familienvater dargestellt, und als gebrochener Mann, der nur in Schwierigkeiten gekommen ist, weil er Trump so sehr vertraut habe. Die Ankläger sehen das anders. Sie erwarten eine "substanzielle" Strafe für Cohens Vergehen. Er habe aus Gier gehandelt und verdiene deshalb keine Milde. Die Richtlinien der USA sehen in Cohens Fall eine Strafe von etwa 51 bis 63 Monaten vor. Der Richter kann aber davon sowohl nach oben als auch nach unten abweichen. Im Fall Cohen wird erwartet, dass er darunter bleiben wird.

Hat Cohen nicht mit den Ermittlern zusammengearbeitet und verdient deshalb Strafnachlass?

In der Tat hat er mit den Ermittlern kooperiert. Und die Ankläger selbst würden ihm dafür einen gewissen Strafnachlass einräumen. Aber Cohen hat eben keine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Dafür hätte er vollkommen kooperieren müssen. Ganz oder gar nicht, lautet das Prinzip für solche Vereinbarungen. Cohen wollte aber ein paar Dinge für sich behalten. Er hat nur die Dinge offengelegt, von denen er wohl glaubte, sie könnten vor Gericht Eindruck machen.

Was hat Cohen zu den Ermittlungen beigetragen?

Er hat seine Kontakte mit russischen Regierungsvertretern offengelegt, preisgegeben, dass er Trumps Traum von einem Trump-Tower in Moskau noch bis in den Juni 2016, also mitten in den Wahlkampf hinein, verfolgt hat. Er solle auch "hilfreiche Informationen" über Koordinierungen zwischen Russland und der Trump-Kampagne sowie über seine eigenen Kontakte zum Weißen Haus in den Jahren 2017 und 2018 gegeben haben.

Was die FBI-Ermittlungen in New York angeht, so sticht vor allem heraus, dass Cohen seinen Ex-Chef beschuldigt, ihm die direkte Anweisung gegeben zu haben, im Wahlkampf Geld an die zwei Nacktmodels zu zahlen. Damit habe er verhindern sollen, dass deren Behauptungen im Wahlkampf öffentlich werden, sie hätten außereheliche Affären mit Trump gehabt. Das zählt als illegale Wahlkampf-Finanzierung.

Warum hängt für Trump so viel von der Entscheidung des Richters ab, welche Strafe Cohen bekommt?

Wer zu einer Straftat anstiftet, macht sich in den USA ebenso schuldig, wie der, der die Straftat ausführt. In dem Empfehlungsschreiben für den Richter geben die Ankläger selbst an, dass Cohens Version richtig ist: Trump habe diesen beauftragt, das Schweigegeld an zwei Frauen zu zahlen. Um das so zu behaupten, müssen die Ankläger mehr Beweise haben, als nur Cohens Aussage. Anders ausgedrückt: Ist Cohen schuldig, ist Trump es auch.

Trump ist Präsident. Genießt er da nicht Immunität?

Zumindest gibt es das ungeschriebene Gesetz, wonach amtierende Präsidenten keiner Strafverfolgung ausgesetzt werden. Ob die Erhebung einer Anklage aber zulässig ist oder nicht, darüber streiten die Rechtsgelehrten. Die offene Frage ist: Warum haben die New Yorker Ankläger Trumps Mitschuld so klar beschrieben, wenn sie ihn nicht dafür vor Gericht bringen wollen?

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Trump angeklagt wird?

So lange er im Amt ist, sehr gering. Allerdings dürfte er jetzt ein gesteigertes Interesse daran haben, auch die Wahl 2020 zu gewinnen. Die Verjährungsfrist für die illegale Wahlkampffinanzierung läuft wohl 2022 aus. Wenn Trump die Wahl 2020 verlieren sollte, dann könnten die Ankläger am Tag nach der Amtsübergabe ein Verfahren gegen ihn eröffnen. Können sie nachweisen, dass Trump Cohen beauftragt hatte, das Schweigegeld zu zahlen und wird Cohen deswegen zu Haft verurteilt, dann wäre es schon ziemlich außergewöhnlich, wenn der US-Präsident nicht angeklagt würde.

Ist es da nicht Zeit für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump?

Das ist vor allem eine politische Frage. Die Demokraten könnten so ein Verfahren ab Januar mit ihrer zurückeroberten Mehrheit im Repräsentantenhaus anstoßen. Aber am Ende muss auch der Senat zustimmen. Dort haben die Republikaner die Mehrheit. Die Demokraten werden ein Impeachment überdies nur dann anstrengen, wenn sie sich davon einen politischen Erfolg erhoffen können. Das aber ist nicht unbedingt gesagt. Nur 42 Prozent der Amerikaner unterstützen die Idee eines Amtsenthebungsverfahren gegen Trump.

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