Wenn Donald Trump am 20. Januar das Präsidentenamt in den USA übernimmt, wird das transatlantische Verhältnis zu einem europäischen Staat besonders spannend: zu Spanien. Dort führt Ministerpräsident Pedro Sánchez die letzte rein linke Regierung der EU, und inhaltlich könnten die Gegensätze zwischen der neuen US-Administration und Spaniens Regierung kaum größer sein.
Zwar hat Sánchez seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2018 Geschick auf dem diplomatischen Parkett bewiesen. So gelang es ihm insbesondere zu Italiens rechtspopulistischer Ministerpräsidentin Giorgia Meloni über inhaltliche Differenzen hinweg eine gute Arbeitsbeziehung zu pflegen. Das Verhältnis der beiden Mittelmeerländer blieb auf einem friedlichen, ja sogar freundlichen Niveau. Auch ein Telefonat mit Donald Trump nach dessen Wahlsieg sei „überaus positiv“ verlaufen, hieß es aus spanischen Regierungskreisen.
Trump sucht seine Verbündeten unter den ärgsten Feinden von Sánchez
Doch auf Dauer wird sich nicht leugnen lassen, dass Trump und seine politischen Weggefährten, allen voran Elon Musk, ausgerechnet unter Sánchez’ ärgsten Feinden Verbündete suchen: unter rechtspopulistischen Parteien wie der AfD in Deutschland oder der FPÖ in Österreich sowie in Spanien selbst unter den Postfranquisten und Ultranationalisten der Partei Vox.
Deren Anführer, Santiago Abascal, ist in der internationalen rechten Szene bestens vernetzt. Im vergangenen Sommer hatte Abascal in Madrid ein internationales Treffen der Rechtspopulisten organisiert, Gastredner waren unter anderem Marine Le Pen und Argentiniens Präsident Javier Milei. Im November wurde Abascal zum Anführer des Bündnisses Patrioten für Europa gewählt, der mit 86 Abgeordneten drittgrößten Gruppe im EU-Parlament.
Derzeit scheinen Abascal und seine Mitstreiter von Vox von dem weltweiten Aufschwung des Rechtspopulismus zu profitieren. Die jüngste Umfrage des Instituts 40dB im Auftrag des Rundfunksenders Cadena SER sowie der Zeitung El País sieht Vox als größten Gewinner seit den vergangenen spanischen Parlamentswahlen im Sommer 2023. Erhielten die Rechtsnationalisten damals nur zehn Prozent der Stimmen, würde derzeit fast jeder siebte Spanier für sie stimmen, darunter auffallend viele aus der jüngsten Wählerschicht. Hinzu kommt, dass sich eine weitere, auf Verschwörungserzählungen basierende rechte Partei namens „Das Fest ist vorbei“ zwischen zwei und drei Prozent einpendelt.
All das lässt bei Premier Sánchez und seinen Sozialisten der Partei PSOE die Alarmglocken schrillen. Schließlich war es bei den vergangenen Wahlen im Sommer 2023 die in Spanien weitverbreitete Angst vor einem Aufstieg der Ultranationalisten (und einem möglichen Rückschritt in die düsteren Zeiten der Diktatur), die maßgeblich zur Fortsetzung der links-sozialistischen Regierung Sánchez beitrug.
Wie wird sich der Sozialist Sánchez gegenüber dem künftigen US-Präsidenten positionieren?
Seit Längerem schon gehört die Warnung vor der „Faschosphäre“ und den „Ultrarechten“ zu Sánchez’ stimmungspolitischem Werkzeugkasten. Nachdem seine Partei bei der Wahl von 2023 keine absolute Mehrheit erreicht hatte, konnte der gewiefte Taktierer unter anderem zwei konservative Regionalparteien aus dem Baskenland und Katalonien davon überzeugen, ihn als Regierungschef zu unterstützen. So groß war die Sorge vor einer Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten von Vox, denen die konservative Volkspartei Partido Popular die Tür öffnen wollte.
Für Sánchez ist nun innenpolitisch die Frage, inwieweit das internationale Erstarken des Rechtspopulismus die Postfranquisten im eigenen Land zusehends hoffähig macht. Und außenpolitisch wird spannend, wie sich der Sozialist gegenüber Trump & Co. positioniert. Spaniens Regierungschef sei „immer mehr und immer klarer der große progressive Widerstandskämpfer in einer zunehmend konservativen Welt“, analysierte die Zeitung El País.
Verbündete im Kampf gegen rechts will Sánchez demnach unter anderem beim internationalen Wirtschaftstreffen in der kommenden Woche in Davos suchen. Neben europäischen Mitstreitern setzt der Spanier dabei auf linke oder gemäßigte Regierungen in Lateinamerika, dem Kontinent außerhalb Europas, zu dem Spanien traditionell die engsten Beziehungen pflegt.
Mit Bangen blickt Spaniens Regierung auf die Aktivitäten von Elon Musk und dessen vom Kurznachrichtendienst zur Propagandamaschine ausgebauten Social-Media-Plattform X. Dort hat Trumps neuer Adlatus unter anderem Vergewaltigungsfälle in Katalonien mit Einwanderung in Zusammenhang gebracht. „Der internationale Rechtsextremismus, angeführt vom reichsten Menschen der Welt, greift unsere Institutionen unverhohlen an“, warnte Pedro Sánchez in der vergangenen Woche bei einer Gedenkveranstaltung zum 50. Todesjahr des Diktators Francisco Franco. Spaniens Regierungschef forderte eine „umfangreiche Mobilisierung der Demokraten“, schließlich könne sich in Europa und Amerika durchaus wiederholen, was dort im 20. Jahrhundert unter Diktaturen geschah.
Sánchez’ Außenminister José Manuel Albares rief Europas Regierungen gegenüber Journalisten dazu auf, separate Verhandlungen mit Trump zu vermeiden. Zudem verfüge man über Instrumente, „um ausländische Einflüsse zu neutralisieren, die das Ziel haben, Wahlen zu beeinflussen“, ließ Albares wissen, womit er auch jene von Elon Musk meinte. Ob in Spanien eine Abschaltung von X möglich wäre? Darüber wolle er derzeit nicht spekulieren, sagte der Außenminister im staatlichen Fernsehen.