USA:Donald Trump wird strafrechtlich angeklagt

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Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen der mutmaßlichen Schweigegeldzahlung an Ex-Pornostar Stormy Daniels. Es ist das erste Mal in der Geschichte der USA, dass einem Ex-Präsidenten offiziell ein Verbrechen vorgeworfen wird - mit unabsehbaren Folgen.

Von Peter Burghardt, Washington

Nun ist es also tatsächlich so weit, Donald Trump wird als erster ehemaliger US-Präsident angeklagt. Am Donnerstagnachmittag Ortszeit wurde bekannt, dass der New Yorker Staatsanwalt Alvin Bragg wegen der mutmaßlich verschleierten Zahlung von Schweigegeld an einen ehemaligen Pornostar Anklage gegen Trump erhebt. Zuvor hatte eine Runde von Geschworenen für Braggs Vorstoß gestimmt. Laut CNN geht es sogar um mehr als 30 Anklagepunkte wegen Geschäftsbetrugs, was den Fall dann doch größer machen würde als bisher vermutet.

Jedenfalls wird zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika einem früheren Staatschef und aktuellen Kandidaten offiziell ein Verbrechen vorgeworfen. Die Nachricht dürfte die USA und besonders den beginnenden Wahlkampf prägen, denn Trump hatte bereits vor Monaten angekündigt, sich 2024 wieder für die Republikaner um die Präsidentschaft zu bewerben. Dies sei "politische Verfolgung und Wahleinmischung auf dem höchsten Niveau der Geschichte", sagte Trump in einer Erklärung, nannte Bragg "eine Schande" und sich selbst "eine völlig unschuldige Person".

Wenn der Angeklagte beziehungsweise seine Anwälte formell informiert werden, dann müsste er sich in den folgenden Tagen stellen und sich aus Florida nach New York begeben (zum Beispiel in seiner Boeing 757) oder verhaftet und dorthin gebracht werden. Begleiten würde ihn die Polizeieinheit Secret Service, denn die bewacht wie den gegenwärtigen Präsidenten Joe Biden auch dessen Vorgänger. Offenbar soll es am kommenden Dienstag so weit sein - unter welchen Umständen, darüber wird eifrig spekuliert.

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In New York muss sich Donald Trump vor Gericht verantworten. Das wird ihn schwächen. Aber der Prozess wird die USA nicht vom Trumpismus befreien.

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Die Behörden bereiten sich schon auf eine Eskalation vor

Untersuchungshaft steht Trump wohl kaum bevor, Fluchtgefahr besteht ja eher nicht. Aber der Unternehmer und Politiker wäre gezwungen, im New Yorker Gerichtsgebäude fotografiert zu werden und seine Fingerabdrücke abzugeben, das kann relativ diskret vor sich gehen oder von Trump in eine Show verwandelt werden. Außerdem müsste er über die genauen Vorwürfe in Kenntnis gesetzt werden und routinemäßig über sein Recht, zu schweigen und einen Anwalt zu Rate zu ziehen. Wie jeder Angeklagte, theoretisch.

Praktisch wird bereits seit Tagen über denkbare Konsequenzen debattiert, so richtig damit begonnen hatte Trump sogar selbst. Am Samstag vor fast zwei Wochen erklärte er in seinem sozialen Netzwerk Truth Social, dass er am Dienstag danach unter Arrest gestellt werde. Das geschah dann nicht, die Tage vergingen ohne Vollzugsmeldung. Zuletzt hieß es, die Sache könne sich doch noch hinziehen. Das Votum der Grand Jury von 23 US-Bürgern kam an diesem 30. März entsprechend überraschend.

Allerdings bereiten sich die Behörden schon länger darauf vor, seit Trump mehrfach sehr direkt auf möglicherweise gewalttätige Reaktionen hingewiesen hatte. Er drohte unter anderem, "so eine falsche Anklage" könne "katastrophale Folgen für unser Land" haben. Er schrieb von "potenziellem Tod und Zerstörung" und attackierte den Ankläger Bragg: "Warum und wer würde so etwas tun? Nur ein degenerierter Psychopath, der die USA wahrhaftig hasst."

Trump-Unterstützer versammeln sich in Mar-a-Lago. (Foto: MARIA ALEJANDRA CARDONA/REUTERS)

Trump: "Angriff auf unser Land"

Vor Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Palm Beach versammelten sich am Donnerstagabend ein paar Anhänger, während der Hausherr auf Truth Social gegen "diese Verbrecher und linksradikalen Monster" wetterte, die ihn angeklagt hätten. "Dies ist ein Angriff auf unser Land, wie es ihn noch nie zuvor gegeben hat. Eine Nation im ernsthaften Niedergang. So traurig!" Sein Parteifreund Lindsey Graham bezeichnet die Anklage als "juristisches Voodoo". Demokraten im US-Kongress dagegen wiesen darauf hin, dass niemand über dem Gesetz stehen dürfe. "Wenn wir eine Nation der Gesetze sein wollen", so der demokratische Abgeordnete Adam Schiff, "dann müssen wir das Gesetz gleichmäßig und für jeden anwenden, unabhängig von seinem Stand."

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Nach Bekanntmachung der Anklage gegen ihn gibt Trump ein vor Wut schäumendes Statement heraus. Auch andere US-Spitzenpolitiker äußern sich schnell.

Von Laurenz Gehrke

Polizisten in New York und anderen US-Städten sind in Alarmbereitschaft, das zuständige Bezirksgericht in Manhattans Süden wurde abgeriegelt. Ob und wann es wirklich zu einem Prozess gegen Trump kommt, ist ungewiss. Auch wird ihn diese historische Causa wohl kaum dazu bringen, seine Bewerbung fürs Weiße Haus zurückzuziehen. Juristisch würde ihn fürs Erste nichts davon abhalten, weiter zu kandidieren und zu versuchen, sich in republikanischen Vorwahlen gegen voraussichtliche Rivalen wie Ron DeSantis durchzusetzen.

In moderaten republikanischen Kreisen wächst zwar die Skepsis, ob Trump angesichts seiner diversen Skandale der geeignete Mann für einen erneuten Versuch ist. Laut Umfragen ist er allerdings dennoch der nach wie vor populärste Vertreter der Partei, mit einer stabilen Wählerbasis. Seine fanatischsten Anhänger werden von der Anklage eher bestärkt, auch gemäßigtere Republikaner wettern gegen die Justiz, die von Linken instrumentalisiert werde. Der Bezirksstaatsanwalt Bragg ist Demokrat und wurde auf seinen Posten gewählt.

Erstmals angeklagt wird Trump ausgerechnet in dem vergleichsweise wohl harmlosesten seiner diversen Fälle. Wie exakt die Anklageschrift aussieht, ist geheim. 2006 soll Trump eine Affäre mit einer Erotikdarstellerin namens Stormy Daniels gehabt haben. 2016 hat sein damaliger Anwalt Michael Cohen der Frau dann offenbar 130 000 Dollar gezahlt, damit sie vor der Wahl stillhält. Nachher bekam er das Geld plus Aufschlag dem Vernehmen nach von Trump zurück, der scheint die Summe dann als Anwaltskosten deklariert zu haben, was als Verstoß gegen die Wahlkampffinanzierung und mithin als Straftat gelten könnte. Cohen wurde verurteilt, saß im Gefängnis und ist jetzt der Kronzeuge.

Deutlich dramatischer ist der Inhalt anderer Ermittlungen. Im Bundesstaat Georgia geht es um die Frage, ob der damals amtierende Präsident Trump versucht hatte, mit Druck auf regionale Entscheidungsträger den dortigen Wahlsieg von Joe Biden zu kippen. In Washington befasst sich ein Spezialermittler im Auftrag des Justizministeriums mit Trumps mutmaßlichem Beitrag zum Sturm auf das Kapitol vom 6. Januar 2021, er hatte den Mob angestachelt. Im Frühling 2023 hofft Amerika, dass in diesen Tagen nicht die nächste Welle der Gewalt bevorsteht.

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