Anklage gegen Donald Trump:Eine historische Zäsur für Amerika

Donald Trump

Es ist ein historischer Gerichtstermin, wenn in der kommenden Woche Donald Trumps Fingerabdrücke abgenommen werden.

(Foto: Octavio Jones/Reuters)

Der frühere US-Präsident Donald Trump wird angeklagt und will daraus nun Kapital für seinen Wahlkampf schlagen. Die meisten Republikaner halten weiter zu ihm.

Von Peter Burghardt, Washington

Jetzt erlebt Amerika eine Premiere, einen früheren US-Präsidenten unter Anklage gab es ja noch nie. Und erst recht keinen früheren US-Präsidenten, der 2024 wieder zum US-Präsidenten gewählt werden will, denn das hat Donald Trump trotz allem vor. Anfang April 2023 wird er kurz sein Hauptquartier Mar-a-Lago am Strand verlassen und aus Florida nach New York fliegen müssen, vielleicht in seiner Boeing 757 mit Aufdruck "Trump". In seiner Heimatstadt wurde er reich und berühmt, und dort hat er nun einen eindeutig historischen Gerichtstermin.

Die Welt staunt darüber, dass der Kandidat und Unternehmer nach Jahrzehnten der Straflosigkeit tatsächlich angeklagt wird. Fast zwei Wochen lang war bereits darüber gesprochen worden, vorneweg von Trump selbst. Vor zwei Wochen kündigte er seine Festnahme an, das Votum der Geschworenen in Manhattan kam am Donnerstag dann auch für ihn etwas überraschend. Wohl am kommenden Dienstag wird er als erstes ehemaliges Staatsoberhaupt der USA wegen einer mutmaßlichen Straftat vor Gericht erscheinen müssen, es geht um die Verrechnung von Schweigegeld für einen Pornostar. Wie ungefähr hat man sich diesen Auftritt und seine Folgen vorzustellen?

Sicher ist nach Stand der Dinge, dass vor dem Criminal Court im New Yorker Süden seine Fingerabdrücke abgenommen und Profilfotos angefertigt werden. Außerdem wird der Angeklagte erfahren, was ihm Staatsanwalt Alvin Bragg exakt vorwirft, und darüber aufgeklärt, dass er die Aussage verweigern und sich einen Rechtsbeistand nehmen darf. Wie jeder Mensch, dem die Justiz ein Verbrechen zur Last legt. Mit dem Unterschied, dass es sich hier um einen 76 Jahre alten Milliardär handelt, der seit Jahren die Vereinigten Staaten spaltet und beinahe die amerikanische Demokratie gestürzt hätte.

Deshalb wird mit Spannung erwartet, was Trump und seine Entourage aus der Sache machen. Wird er sich stellen oder sich Handschellen anlegen lassen und eine Show abziehen? Untersuchungshaft bleibt ihm wohl erspart - wegen einer Gewalttat muss er sich ja nicht verantworten, und Fluchtgefahr ist kaum zu erwarten bei einem Präsidentschaftsbewerber mit medialer Dauerpräsenz. Allerdings droht Trump auf eine Weise, die an den tödlichen Sturm aufs Kapitol vom 6. Januar 2021 erinnert.

Für ihn ist dies "politische Verfolgung und Wahleinmischung auf dem höchsten Niveau der Geschichte". Der Ankläger Bragg, ein Demokrat, sei "eine Schande" (und "ein degenerierter Psychopath"). Sich selbst nennt er wie üblich "eine völlig unschuldige Person". In seinem Netzwerk Truth Social warnte Trump, "so eine falsche Anklage" könne "katastrophale Folgen für unser Land" haben. Er schrieb von "potenziellem Tod und Zerstörung", die Behörden sind in Alarmbereitschaft, bisher werden relativ wenige Anhänger auf den Straßen gesichtet.

Die Republikaner stehen weitgehend Spalier. Einerseits nehmen selbst die Zweifel der Grand Old Party an Trump zu, andererseits ist er ihr Frontmann. Basis und Teile des Establishments folgen dem Narrativ von der links motivierten Hexenjagd. Floridas Gouverneur Ron DeSantis, Trumps vermutlich schärfster Rivale bei republikanischen Vorwahlen, machte sich kürzlich über Trumps Probleme mit der Nacktdarstellerin lustig und hält sich ansonsten zurück. Die Demokratin Nancy Pelosi twitterte: "Niemand steht über dem Gesetz, und jeder hat das Recht auf einen Prozess, um seine Unschuld zu beweisen. Hoffentlich wird der ehemalige Präsident das System, das ihm dieses Recht gewährt, friedlich respektieren."

Von mehr als 30 Anklagepunkten wegen Geschäftsbetrugs ist die Rede. Strafbar wäre nicht, dass Trump vor seinem Wahlsieg 2016 über einen Anwalt 130 000 Dollar an die Erotikschauspielerin Stormy Daniels bezahlt haben soll, damit sie die mutmaßliche Affäre der beiden aus dem Jahre 2006 in Stille hüllt. Der schlüpfrige Teil der Story erinnert natürlich ein wenig an Bill Clinton und dessen Praktikantin im Oval Office, das Abenteuer brachte Clinton ein Impeachment ein. Trump jedoch scheint nach Ansicht der Staatsanwaltschaft und der Grand Jury aus 23 US-Bürgern mit der Rückerstattung der Zahlung an seinen Anwalt vor allem gegen Regeln der Wahlfinanzierung verstoßen haben.

Noch ist die Anklageschrift nicht entsiegelt, es dürfte jedenfalls der Anfang einer für Trump eventuell recht unangenehmen Serie von Prozessen sein. Ermittelt wird unter anderem auch deshalb gegen ihn, weil er seine Fans nach seiner Wahlniederlage 2020 zum Aufstand aufrief und versucht haben soll, Joe Bidens Wahlerfolg zu kippen. Nun erlebt New York, die Stadt mit dem Trump Tower, vielleicht seinen Niedergang, aber wer weiß das schon so genau.

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