Afghanistan:Drei Tweets und kein Frieden

Afghanistan: Zwölf Menschen starben am Donnerstag bei der Explosion einer Autobombe in der afghanischen Hauptstadt Kabul.

Zwölf Menschen starben am Donnerstag bei der Explosion einer Autobombe in der afghanischen Hauptstadt Kabul.

(Foto: Rahmat Gul/AP)
  • Nach einer Serie von Anschlägen in Kabul setzt US-Präsident Trump die Friedensverhandlungen mit den Taliban aus.
  • So wird bekannt, dass Trump ein Geheimtreffen mit den Taliban in der Sommerresidenz Camp David anberaumt hatte.
  • Das Datum des geplanten Treffens nur wenige Tage vor dem 11. September sorgt für Empörung.

Von Moritz Baumstieger

Zunächst herrschte ungläubiges Kopfschütteln, wenig später folgte eine Welle der Empörung - die Reaktionen auf Donald Trumps jüngsten Anlauf, Weltpolitik auf Twitter zu betreiben, folgten also den mittlerweile routinierten Mustern. Dennoch wird die Serie von drei Tweets, die der US-Präsident in der Nacht zum Sonntag absetzte, länger nachhallen als andere Obskuritäten, mit denen er die Welt zuletzt in Aufregung versetzte: Die Verhandlungen mit den Islamisten aus Afghanistan seien abgebrochen, schrieb Donald Trump. "Was für Leute bringen so viele Menschen um, nur um ihre Verhandlungsposition scheinbar zu stärken?"

Bis hierhin konnten die meisten Beobachter dem US-Präsidenten folgen. In den vergangenen 18 Monaten hatten Abgesandte der USA in Katars Hauptstadt Doha mit Spitzen der Taliban verhandelt. Der Deal, den der afghanischstämmige US-Sondergesandte Zalmay Khalilzad vor einer Woche als unterschriftsreif bezeichnete, sah vor, dass die USA binnen fünf Monaten mit einem Abzug großer Truppenkontingente und dem Schließen mehrerer Stützpunkte beginnen. Die Taliban sollten im Gegenzug garantieren, dass von afghanischem Boden keine Terrororganisationen mehr Anschläge gegen den Westen vorbereiten, außerdem sollten sie in Friedensverhandlungen mit der Regierung in Kabul treten.

Was auf diese Ankündigung folgte, war jedoch alles andere als friedlich: Um Stärke zu demonstrieren, überzogen die Taliban vor allem Kabul mit Anschlägen, die unter anderem dazu führten, dass die Bundespolizei ihre Ausbilder aus Kabul abzog, wie das Bundesinnenministerium am Sonntag bestätigte. Bereits am Donnerstag starben zehn Afghanen, ein Rumäne und ein US-Soldat, als eine Autobombe explodierte.

Die USA sind seit 18 Jahren in Afghanistan - der längste Krieg, in dem sie je gekämpft haben

Mit solchen Leuten, die nicht einmal während Verhandlungen einen Waffenstillstand einhalten, werde er nicht weiter sprechen, schrieb nun Trump und berührte in seinem Tweet eine Frage, die internationale Afghanistanexperten sehr unterschiedlich beantworten: "Vielleicht haben sie überhaupt nicht die Macht, ein bedeutendes Abkommen auszuhandeln?", schrieb Trump. Inwieweit die jüngere Generation der Talibankommandeure, die in Afghanistan gegen die Regierung kämpfen, den Weisungen des aus gealterten Veteranen bestehenden Verhandlungsteams in Doha folgen, ist tatsächlich umstritten.

Ob Trump die Gespräche mit den Islamisten nur unterbrechen will oder gänzlich als gescheitert ansieht, wurde aus seinen Tweets nicht ersichtlich. Außenminister Mike Pompeo schloss am Sonntag eine Wiederaufnahme der Verhandlungen nicht aus. Dass Trump aus dem aggressiven Verhalten der Islamisten Konsequenzen zieht, stößt in Washington durchaus auf Zustimmung: Als Details des Vertragsentwurfs bekannt wurden, sahen Kritiker ihre Befürchtungen bestätigt, dass Trump Afghanistan im Zweifelsfall den Taliban überlassen würde, wenn er sich im Präsidentschaftswahlkampf 2020 nur als derjenige hinstellen könnte, der den mittlerweile seit 18 Jahren andauernden Einsatz der US-Truppen beendet hat. Sowohl auf Seiten der Demokraten als auch in Trumps Regierung befürchten viele, dass die Kabuler Regierung nach einem Abzug der US-Truppen nicht lange überleben würde. Und sind der Meinung, dass die gewonnenen Wählerstimmen den Verlust Afghanistans an die Taliban nicht wert seien. Außenminister Pompeo soll gedroht haben, das Abkommen nicht zu unterschreiben. Sicherheitsberater John Bolton soll Trump zuletzt unablässig bearbeitet haben, den Deal platzen zu lassen.

Aus Frust über die Uneinigkeit seiner Regierung soll Trump laut der Nachrichtenagentur Bloomberg beschlossen haben, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. An dieser Stelle nun nahm die Angelegenheit jene Wendung, die seit Trumps Tweets für Kopfschütteln und Wut sorgt. Vertrauend auf sein Verhandlungsgeschick - der US-Präsident sieht sich als bester Dealmaker aller Zeiten - ließ er sowohl die Taliban, als auch Afghanistans Präsident Aschraf Ghani für Sonntag nach Camp David einladen. Im Sommerhaus der US-Präsidenten in Maryland, wo einst Jimmy Carter 1978 den historischen Frieden zwischen Israel und Ägypten aushandelte, wollte Trump nun das Ende des längsten Krieges besiegeln, den die USA je gekämpft haben.

Doch dazu sollte es nicht kommen. Er habe das Treffen nach dem Attentat in Kabul sofort gestrichen, twitterte Trump. Die Taliban erklärten am Sonntagabend, die Amerikaner selbst hätten durch die Absage der Gespräche am meisten zu verlieren. In den USA hingegen wurde bei vielen aus der Überraschung schnell Empörung: Drei Tage vor dem Jahrestag des 11. September Vertreter jener Dschihadisten in die USA einzuladen, unter deren Schutz die Terrorattacken von New York und Washington geplant wurden - das ist selbst für Trumps Verhältnisse außergewöhnlich.

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