Trump, AfD & Co.:Der Mob rückt in die Mitte der Gesellschaft

Donald Trump

Gefeiert von seinen Anhängern: Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Phoenix, Arizona.

(Foto: REUTERS)

Angstparolen, wie sie in den USA Donald Trump verkündet und in Deutschland die AfD, verbinden den Mob mit der Mitte. Das ist brandgefährlich - es droht die Radikalisierung der Haltlosen.

Kommentar von Heribert Prantl

Der Mob ist wieder da, in neuer Gestalt, aber in alter Primitivität. Er macht Krawall, er zündelt, er randaliert, er pöbelt, ist aggressiv, er hält den Rest der Welt für naiv, schwächlich und blöde. Zum neuen Mob gehören Hooligans und Pegidisten; zu ihm gehören haltlose Bürger und ungehaltene Arbeitslose. Zum Mob gehören die Hetzer im Internet, in dem sie Hass und Verschwörungstheorien verbreiten. Die dortigen Kampfvokabeln gegen den Islam und die Angstparolen von der Fremdheit im eigenen Land verbinden den neuen Mob zumindest mit einem Teil der verunsicherten gesellschaftlichen Mitte. Diese Verbindung ist gefährlich, weil sie eine Infusion ist zur Radikalisierung dieser Mitte.

Die AfD steht erst einmal noch gar nicht für eine Zunahme an Radikalität in den politischen Einstellungen der deutschen Gesellschaft. Die AfD hat zunächst nur den radikaleren Teil der Wähler aufgesaugt, der bisher CDU/CSU, SPD und (im Osten) die Linke gewählt hat, den aber diese Parteien nicht mehr halten können. Mit diesem Erfolg begann die Aufheizphase und Selbstradikalisierung der AfD, die sich immer mehr von mobistischen Parolen leiten lässt.

Der neue Mob hat in Donald Trump eine globale Leitfigur. Trump, der Anführer der westlichen Führungsnation werden will, ist demnächst US-Präsidentschaftskandidat. Mit seiner Dauerhetze gegen Einwanderer, Behinderte und Muslime geriert er sich wie der Anführer eines universalen weißen Lynchmobs. Sein Rassismus, sein Nationalismus, seine Xenophobie und Verfassungsverachtung sind aufreizend und ansteckend; man tut aber in gewissen Kreisen so, als würde das alles durch sein Milliardenvermögen nobilitiert; die grandiose Aufmerksamkeit, die Trump erhält und der Erfolg, den er im Wahlkampf gehabt hat, stachelt auch Nationalisten und Fremdenfeinde in Europa an.

Die rasende Radikalisierung der deutschen AfD-Führung zumal in Person des Alexander Gauland, die man in den vergangenen Wochen beobachten konnte, hat auch damit zu tun: Vorbild Trump.

Früher war der Mob das Abfallprodukt der Bourgeoisie

Früher, im Dickicht der Städte des beginnenden industriellen Zeitalters, war der Mob das Abfallprodukt der Bourgeoisie. Heute ist der Mob ein Zerfallsprodukt der bürgerlichen Gesellschaft. Die bürgerliche Gesellschaft, in die auch das Gros der alten Arbeiterklasse aufgerückt ist, hat in der globalen Welt jedenfalls teilweise ihren Halt verloren; die politisch verwaiste Restarbeiterklasse hat ihn oft gar nicht erst gefunden. Diesen Halt muss ihr eine kluge, demokratische, soziale und europäische Politik wiedergeben. Das ist Heimatpolitik in globalen Zeiten.

Den frühen Mob nannte Karl Marx das "Lumpenproletariat"; er unterschied dessen Pöbeleien strikt von den Aktionen des "Proletariats", das sich in Gewerkschaften und linken Parteien organisierte und politisierte. Der frühe Mob verschwand mit dem Entstehen der industriellen Arbeiterklasse, er ging auf in deren zentralisierten Organisationsformen und langfristigen Strategien. In den Zeiten der wirtschaftlichen Großkrisen ist dann der Mob immer wieder aufgetaucht. Im Aufstieg des Nationalsozialismus verband sich die Vulgarität des Mobs mit dem Fanatismus Hitlers und seiner Lumpen.

In der Geschichte des Mobs erscheint es bisweilen so, als handele es sich bei dessen Ansichten um die durch Vorsicht und Heuchelei nicht gemilderten Überzeugungen eines Teils des Bürgertums. Vielleicht macht das den Erfolg der Trumpisten aus.

Die "Rechtspopulisten" in Europa und den USA eint ein hedonistischer, nationaler Egoismus

Trump gibt dem rechten Rand eine schrille und geldschwere Stimme und beeindruckt dabei mit brachialer Frechheit eine sehr breite Schicht: einen Teil der Gesellschaft, die in ihrer Angst vor Terror, finanzieller Not und gesellschaftlichen Umbrüchen auf eine Erlösung, zumindest auf einen Befreiungsschlag hofft, den ihr dieser US-Narzisst rhetorisch täglich bietet. Man muss die deutsche AfD des Herrn Pretzell, den französischen Front National von Frau Le Pen und die FPÖ des Herrn Strache, die sich soeben in Wien zu einem "Patriotischen Frühling" treffen, nicht mit den Trump-Republikanern in einen Topf werfen. Die Entstehungsgeschichten dieser Parteien sind zu unterschiedlich, die Umstände, in denen sie gedeihen, zu verschieden - aber gemeinsam ist die Missachtung der Humanitas, die sich auf der Anerkennung der Würde des Menschen gründet, ohne Unterschied von Herkunft, Rasse und Religion. Die "Rechtspopulisten" in Europa und den USA eint ein hedonistischer, nationaler Egoismus, der zwar an das Konservative appelliert, aber dessen Werte brutal reduziert.

Rechtspopulisten? Dieser gängige Ausdruck ist verharmlosend. Trump ist kein Populist, sondern zumindest ein halber Faschist. Und die sogenannten Rechtspopulisten in Europa zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Wort Patriotismus pervertieren und das Wort Heimat zu einer nationalistischen Vokabel machen wollen.

Den Unterschied hat Johannes Rau einmal schön erklärt: Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt; ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet. Wer bei den großen Fußballspielen im Nationaltrikot zum Public Viewing geht, wer sich ein schwarz-rot-goldenes Kondom über den Auto-Außenspiegel zieht - der ist ein Patriot, der den Patriotismus auf seine Weise feiert; er ist deswegen kein Nationalist, auch wenn ihn die Nationalisten gern für sich vereinnahmen würden. Und Heimat, dies von Nationalisten gekaperte Wort, ist kein giftiges, sondern ein heilsames Wort.

Wenn die Heimat schwächelt, muss Europa Mittel finden

Heimat Demokratie: Wenn die Menschen in einer Demokratie das Gefühl haben, etwas zu sagen zu haben, wird sie ihnen heimatlich. Heimat Sozialstaat: Wenn der Sozialstaat glückt, ist er Heimat für diejenigen, die sich eine Villa nicht leisten können. Heimat Europa: Wer den Nationalstaat als Heimat erlebt hat, will daraus nicht vertrieben werden. Wenn diese Heimat schwächelt, weil sie gegen Arbeitslosigkeit kein Mittel findet, dann muss Europa diese Mittel finden und den Menschen zweite Heimat werden. Wenn die Menschen das spüren, werden sie wieder Europäer und schieben die Rechtsaußenleute dahin, wo sie hingehören: an den Rand.

In flüchtigen Zeiten Heimat schaffen, das ist Politik gegen die Parolen des Mobs.

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