Es gibt Themen aus der deutschen Kriegs- und Nachkriegszeit, da sind Emotionen und Empörung garantiert. Das war so bei der umstrittenen Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht", das ist so bei der Frage nach der Bombardierung Dresdens. Und es ist immer noch so, wenn es um die "deutsche Trümmerfrau" geht.
Im Dezember 2013 etwa verhüllten zwei Politiker der Grünen das Münchner Trümmerfrauen-Denkmal. Die Ehrung sei Geschichtsklitterung. Im Internet gab es einen Shitstorm, es gab Unterschriftenkampagnen mit Namen "Ehrt die Trümmerfrauen" und Morddrohungen.
Da ist es ganz schön, dass nun eine dicke, faktengesättigte Monografie zu dem Thema vorliegt, die allerdings vielen Shitstormern nicht gefallen wird, denn das gut begründete Fazit lautet: Die Trümmerfrauen sind ein Mythos, es hat sie einfach nicht gegeben. Jedenfalls nicht in der Zahl, wie das deutsche Kollektivgedächtnis sich zu erinnern meint.
Fotos von Trümmerfrauen waren oft inszeniert
Die Essener Historikerin Leonie Treber befasst sich seit fast zehn Jahren mit dem Thema und ging eher naiv an ihren Forschungsgegenstand heran. Sie habe an die Überlieferung geglaubt und wollte eigentlich die Geschichte der Erinnerung an die Trümmerfrauen schreiben, gestand sie jüngst in einem Interview.
Viele Lokal- und Regionalarchivare wissen längst, dass sich in ihrer Stadt kaum Frauen an der Beseitigung des Bombenschutts des Zweiten Weltkriegs beteiligt haben. Doch Treber gebührt das Verdienst, diese Erkenntnisse nun auf eine breitere Basis gestellt zu haben, wodurch sich der Mythos womöglich leichter zertrümmern lassen wird.
Kurz gesagt: Ein Massenphänomen waren die Trümmerfrauen nur in Berlin und in einigen Städten der SBZ. In Westdeutschland erledigten vornehmlich Baufirmen die Schuttbeseitigung. Kritiker werden einwenden - und das zu Recht -, Treber habe sich bei ihrer Forschung nur auf elf ausgewählte Städte konzentriert, allerdings ist es ihr dennoch überzeugend gelungen, den Blick auf alle Besatzungszonen zu werfen und die dort durchaus unterschiedlichen Ausgangslagen für die Enttrümmerung auszuleuchten.
Besonders beeindruckend sind die Kapitel zur Frage, wie die zeitgenössische Presse kräftig an der kollektiven Erinnerungsarbeit mitstrickte und wie sich zunächst in der BRD und der DDR völlig unterschiedliche Narrative entwickelten, ehe sich in den 1980er-Jahren der heute bekannte Topos von der selbstlosen, fast heldenhaften Wiederaufbau-Generation herausbildete, an der sich die Republik nach der finsteren Nazizeit aufrichten konnte.
Spannend fallen auch die Abschnitte aus, in denen die wenigen, oft arrangierten Fotos von schwer arbeitenden Frauen - meist mit Hammer und Eimer - in Schuttbergen analysiert werden. Sie waren der Hauptgrund dafür, dass sich der Mythos ohne hinterfragt zu werden, ausbreiten konnte. Bis heute.
Leonie Treber: Mythos Trümmerfrauen. Klartext-Verlag, 2014. 483 S., 29,95 Euro.