Bundestagswahl:Zur Sache, bitte

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Das zweite Triell der Spitzenkandidaten von Grünen, SPD und Union beginnt unerwartet scharf. Dann aber werden die sachlichen Differenzen von Baerbock, Laschet und Scholz deutlich. Klar ist: Die Kandidaten pflegen ein sehr unterschiedliches Staatsverständnis.

Von Stefan Kornelius

Zwei Wochen vor der Bundestagswahl wird die Auseinandersetzung unter den Kontrahenten bissiger, die Kampfeslust steigt - genauso wie die Nervosität. Die zweite Dreier-Diskussion zwischen Annalena Baerbock (Grüne), Armin Laschet (CDU/CSU) und Olaf Scholz (SPD) geriet am Sonntagabend vor einem Millionenpublikum bei ARD und ZDF zum Schlagabtausch über Steuern, Klima, Rente und die Wohnungspolitik - und damit zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung über die Wahlalternativen. Die größte Aufmerksamkeit wurde allerdings dem Duell Laschet/Scholz zuteil - die Kandidaten beharkten sich über politische Verantwortung und über Koalitionsoptionen.

Eine direkte Umfrage des ZDF bei Zuschauerinnen und Zuschauern spiegelte die Sympathie wider, die sich schon seit Wochen in den Erhebungen zeigt: Olaf Scholz wurde als glaubwürdiger und überzeugender eingestuft. Annalena Baerbock schien die Erwartungen übertroffen zu haben und legte zu. Laschet hingegen zeigte im Vorher-nachher-Vergleich die stärksten Veränderungen - seine Werte sind von einem sehr niedrigen Ausgangsniveau deutlich gestiegen.

Allerdings waren die Auftritte der drei Kandidaten auch klar an das eigene Parteilager gerichtet und dienten der Mobilisierung und Festigung der eigenen Klientel. Vor allem Laschet, der einen Tag zuvor auf einem Parteitag der CSU zum härteren Wahlkampf aufgerufen hatte, fiel durch seine Angriffslust und Direktheit auf - Eigenschaften, die unentschlossene Wähler eher abschrecken, das eigene Lager aber begeistern.

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So nutzte Laschet auch im Triell die erste sich bietende Gelegenheit, und warf Scholz mangelnde Aufsicht in seinem Finanzressort vor. Als Beleg nannte er die Pleite des Finanzdienstleisters Wirecard und die Durchsuchung der Staatsanwaltschaft zu einer Steuerfahndungseinheit - einen Vorgang, den Scholz als nachgeordnet abtat, aber schwer erklären konnte. Laschet steigerte den Angriff, indem er Scholz vorwarf, "abfällig über die Justiz" zu reden, wie "Populisten in anderen Ländern". Scholz konterte mit dem Vorwurf, Laschet verdrehe Tatsachen, konnte die sich hinziehende Konfrontation aber nicht zu seinen Gunsten wenden, zumal auch Baerbock dem Finanzminister den Vorwurf machte, die Bekämpfung von Steuerbetrug und Geldwäsche habe bei ihm nicht die nötige Priorität.

In ähnlicher Heftigkeit stritten die Kandidaten über die Frage, ob eine Koalition mit der Linkspartei ausgeschlossen werden müsse. Während Scholz immer wieder auf die Beteiligung der Bürger bei der Wahlentscheidung verwies, einen Koalitionsausschluss verweigerte und weniger als im ersten Triell seine außenpolitischen Bedenken gegenüber der Linkspartei hervorhob, nannte Laschet diese taktische Haltung unredlich. Baerbock wollte sich Gesprächen mit den Linken nicht verschließen, sagte aber, die Partei wolle keine außenpolitische Verantwortung tragen. Laschet wich der Frage aus, ob die Union auch als Juniorpartner in eine Koalition zu gehen bereit sei.

Getrieben von den Moderatoren jagten die Kandidatin und ihre beiden männlichen Kontrahenten dann durch die großen Themengebiete Pandemie, Steuern, Rente, Wohnen und Klima. Dabei wurden Differenzen im Kleinen wie im Grundsätzlichen sichtbar. In der Frage der Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen zeigten sich alle drei bereit, bestimmten Berufsgruppen eine Corona-Impfung abzuverlangen.

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Wie viel Steuern dürfen es denn sein?

Prinzipielle Differenzen offenbarten sich in der Debatte über die Belastung der Bürger und den Umgang mit Steuern und Finanzen. Obwohl die Parteiprogramme schon seit Monaten grundsätzliche Unterschiede ausweisen, erreichte das Thema der ökonomischen Ausrichtung des Landes vermutlich zum ersten Mal eine breite Wählermenge.

Baerbock schilderte ihre Finanzierungspläne für den ökologischen und sozialen Umbau des Landes, den sie mit einer höheren Einkommensteuer für die Top-Verdiener, einer konsequenten Verfolgung von Steuerbetrug und - falls gesetzgeberisch mit den Bundesländern möglich - über eine Vermögensteuer finanzieren will.

Scholz sprach von einer "moderaten Verteuerung" des CO₂-Preises, stellte eine Stabilisierung des Rentenniveaus, die Ankurbelung des Wohnungsbaus, ein Moratorium bei Mietsteigerungen (in Höhe des Inflationswertes), eine einheitliche Gesundheitsversicherung und ebenfalls eine Vermögensteuer in Aussicht - ohne freilich im Detail auf die Finanzierung einzugehen. Wie Baerbock strebt er eine Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro die Stunde an.

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Laschet sprach sich strikt gegen Steuererhöhungen aus, stellte sich auch gegen die Abschaffung der privaten Krankenversicherung und die Einführung einer Vermögensteuer und betonte, dass der Klimaumbau des Landes mit marktwirtschaftlichen Anreizen und weniger staatlich gelenkt organisiert werden müssen. Eine Erhöhung des Mindestlohns sieht er als gefährlich für die Konjunktur an. Anders als Baerbock und Scholz stellte er den Wählern hingegen eine große Rentenreform in Aussicht. Es sei nicht seriös, der jungen Generation zu sagen, es bleibe alles wie es sei.

Prinzipiell wurde hier der vielleicht größte Unterschied zwischen den Kandidaten deutlich: Während vor allem Baerbock aber auch Scholz auf die Steuerungsmacht des Staates setzen und Deutschland mit einem Ausgabenpaket nach ihren Plänen reformieren wollen, setzt Laschet bei seinen Regierungsvorstellungen auf die Kräfte des Marktes und warnt vor zu radikalen Einschnitten und einer staatlichen Übermacht.

In einer Woche können die Wählerinnen und Wähler die inhaltlichen Differenzen noch einmal studieren - im letzten Triell, acht Tage vor dem Wahltag.

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