Trend in Meinungsumfragen:Nach der Show die Seriosität

Fünf Monate nach dem Rücktritt von Guttenberg erreichen hart arbeitende Politiker wie de Maizière, Schäuble und Steinmeier höchste Zustimmungswerte. Es wirkt fast, als wolle die Masse Buße tun für ihre frühere Leichtfertigkeit.

Nico Fried

Am 3. März 2011 ist Karl-Theodor zu Guttenberg als Verteidigungsminister zurückgetreten. Er war der König der Meinungsumfragen, eine Projektionsfigur weit über das Politische hinaus. Ja, diese Projektionen waren geradezu apolitisch, weil ein Einzelner mit Hoffnungen überfrachtet wurde, die Guttenberg sowohl als Person wie auch im demokratischen System nie hätte erfüllen können. Zugleich gewann er Sympathie durch eine Selbstinszenierung, mit der er sich vom Durchschnittspolitiker abgrenzte und seine Politik als fortwährendes, überaus unterhaltsames Event erscheinen ließ.

Karl-Theodor zu Guttenberg, Thomas de Maiziere, Hans-Peter Friedrich

Karl-Theodor zu Guttenberg (rechts) bei der Übergabe seines Amtes als Verteidigungsminister an Thomas de Maiziere.

(Foto: AP)

Fünf Monate später stehen an der Spitze der Umfragen gleich drei Politiker, die das Gegenteil jenes Typus verkörpern, den Guttenberg darstellte. Thomas de Maizière, Wolfgang Schäuble und Frank-Walter Steinmeier sind jeder für sich das Mensch gewordene protestantische Arbeitsethos. Sie personifizieren den 16-Stunden-Tag, an dessen Ende noch die letzten Akten mit nach Hause genommen werden. De Maizière, Schäuble und Steinmeier als populärste Politiker, das wirkt so, als wolle die von den Demoskopen befragte Masse Buße tun für die Leichtfertigkeit, mit der sie dem Doktor zu Guttenberg vertraute, als der noch ein Doktor war.

Bei Guttenberg erschien Politik wie eine Frage der Entschlossenheit, der Leichtigkeit und der Wendigkeit. Bei den drei anderen denkt man an Mühsal, Disziplin und Stoizismus. Guttenberg zischte durch seine Karriere wie eine Silvesterrakete; Schäuble, Steinmeier und de Maizière arbeiteten sich einst als Kanzleramtsminister durch den schmutzigen, lautesten Maschinenraum der Politik. Fehler sind hier nicht vorgesehen, den Ruhm für Gelungenes aber erntet auf jeden Fall der Chef (oder die Chefin). Gute Kanzleramtsminister sind fleißig, effizient und bescheiden, aber nie populär.

Die Beliebtheit dieser Ex-Beamten, die mittlerweile mehr oder weniger Politiker geworden sind, lässt sich nicht nur, aber auch von Merkmalen ableiten, die ihrerseits wiederum mit Eigenschaften des Typus Guttenberg kontrastieren. Am offensichtlichsten ist das bei de Maizière, den viele als die optimale Besetzung für das Amt des Verteidigungsministers sehen. Jetzt muss er eine Reform umsetzen, die sein Vorgänger ihm nur in Bruchstücken hinterlassen hat.

Knorrige Hartnäckigkeit

Schäubles knorrige Hartnäckigkeit in der Verweigerung von fast allem, was nach Steuersenkung riecht, ist das Gegenteil von Guttenbergs fröhlichem Heute-so-und-morgen-anders. Und Steinmeier strahlt als Politiker wie als Mensch jene Seriosität aus, an der es Guttenberg jedenfalls beim Verfassen wie beim Verteidigen seiner Doktorarbeit gebrach.

Nun genossen die drei Herren auch früher Ansehen. In den Umfragen hielten sie sich schon lang (de Maizière, Steinmeier) oder länger (Schäuble) in jener Politikergruppe, die sich zeitweilig hinter dem Strahlemann geballt hatte wie das Hauptfeld eines Radrennens hinter einem Ausreißer. Die Deutschen mochten einen Politiker, der so ganz anders daherkam als die anderen. Aber sie legten auch Wert darauf, die anderen in Reserve zu wissen. Guttenberg war die Verheißung, aber irgendjemand muss das Land ja durch das Jammertal des Alltags führen.

Es gibt nur selten Politiker, denen die Deutschen beides zuschreiben: Show und Seriosität. Joschka Fischer, große Klappe im Dreiteiler, war einer der letzten aus dieser Abteilung. Ein Klon aus dem scharfzüngigen, manchmal unbeherrschten Peer Steinbrück und dem gediegenen, manchmal langweiligen Frank-Walter Steinmeier könnte noch so einer sein. Und die amtierende Kanzlerin? Sie verliert seit Wochen Platz um Platz in den Umfragen. Am schwindenden Unterhaltungswert kann es bei ihr nicht liegen. Angela Merkel mag es als Trost empfinden, dass dieselben Erhebungen nun in de Maizière wenigstens einen Nachfolger anbieten, falls sie das Ende der Legislaturperiode nicht erreicht.

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