Treffen von Bund und Ländern:Worum es beim Flüchtlingsgipfel geht

A migrant child stands next to a bed at an improvised temporary shelter in a sports hall in Hanau

Mehr sozialer Wohnungsbau: Ein kleines Kind steht zwischen Reihen von Feldbetten in einer zur Notunterkunft für geflohene Menschen umfunktionierten Turnhalle in Hanau.

(Foto: REUTERS)

Kopfpauschalen und Gesundheitskarten: Bund und Länder beraten im Kanzleramt über die Flüchtlingspolitik. Die wichtigsten Streitfragen im Überblick.

Um 23 Uhr an diesem Donnerstag soll Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Flieger steigen, um rechtzeitig zum UN-Nachhaltigkeitsgipfel in New York zu kommen. Aus der Abflugzeit ergibt sich ein erwartbares Ende des für Donnerstagnachmittag angesetzten Bund-Länder-Gipfels, auf dem das Asylrecht, die Versorgung und Betreuung von Asylsuchenden sowie deren Integration in Deutschland neu geregelt werden sollen. Es geht um Leistungen, Zuständigkeiten und Kosten. Auf einige Punkte - wie die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer oder der Sachleistungen für Flüchtlinge - hat sich die Koalition bereits verständigt. Gestritten wird noch um wenige, aber wesentliche Fragen:

Um wie viele Milliarden Euro geht es, wie werden die Kosten aufgeteilt?

Der Deutsche Städtetag will eine Kopfpauschale von 10 000 Euro pro Flüchtling, die von den Ländern direkt an die Kommunen weitergeleitet werden soll. Nimmt man die geschätzte Zahl von einer Million Flüchtlingen, die dieses Jahr nach Deutschland kommen könnten, ergibt sich ein Finanzbedarf von zehn Milliarden Euro jährlich. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat bisher zwar keine Zahlen genannt, aber im Bundestag angekündigt, dass die Versorgung der Flüchtlinge oberste Priorität hat. Sein Sprecher sagte am Mittwoch, Schäuble werde die "finanziellen Erfordernisse auf Basis des künftigen Umgangs mit Asylsuchenden" berechnen lassen. Gestritten wird auch über die Forderung der Länder, der Bund müsse die Registrierung und Verteilung der Flüchtlinge übernehmen.

Kommt eine Pauschale pro Flüchtling?

Die SPD favorisiert eine Pauschale, ebenso das Bundesfinanzministerium. Als Vorteil wird angeführt, dass man flexibel auf die Zunahme oder Abnahme der Flüchtlinge reagieren kann. Allerdings ist es kompliziert sicherzustellen, dass das Geld, das vom Bund über das Finanzausgleichsgesetz an die Länder gehen könnte, von diesen komplett an die Kommunen überwiesen wird, in denen die Flüchtlinge betreut werden. Man müsse darauf hoffen, dass die Länder die Finanzmittel über den kommunalen Länderfinanzausgleich weiterleiteten, heißt es beim Bund.

Soll es Aufnahmebegrenzungen geben?

Nein und ja. Immer wieder haben die Bundeskanzlerin und der Bundesinnenminister erklärt, das Asylrecht kenne keine Obergrenze. Gleichzeitig denkt vor allem der Innenminister weiter darüber nach, im Rahmen der EU für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien wieder Kontingente einzuführen. Das würde bedeuten, dass für eine bestimmte Anzahl die Einreise von Anfang an legal sein würde. Sie müssten nicht mehr lange und gefährliche Fluchtwege auf sich nehmen. Dahinter steckt aber auch der Gedanke, dass mit festen Kontingenten auch eine feste Zahl an syrischen Flüchtlingen in andere EU-Länder ginge. Das, so die Hoffnung, könne den aktuellen Trend Richtung Deutschland bremsen und damit die Zahl am Ende auch begrenzen.

Wie soll mehr Wohnraum entstehen?

Wie soll mehr Wohnraum entstehen?

Der Koalitionsausschuss vom 6. September hat sich bereits darauf verständigt, den sozialen Wohnungsbau zu verstärken. Der Bund wird Länder und Kommunen beim Neubau von Wohnungen und bei der Ausweitung des Bestandes an Sozialwohnungen unterstützen. Im Gespräch sind steuerliche Anreize, um den Neubau von preiswertem Wohnraum in Gebieten mit Notstand zu fördern. Auf dem Gipfel am Donnerstag geht es noch um finanzielle Details.

Für wen sind Verschärfungen geplant?

Die Regierung hat auch im August und September, als sie im Kern erklärte, Deutschland werde seine Grenzen für Syrien-Flüchtlinge offen halten, stets betont, dass man jenen, die nicht aus Gefahr und Bürgerkrieg fliehen, keine Bleibeperspektive geben werde. Das bezog sich vor allem auf Menschen, die der wirtschaftlichen Not in den Staaten des westlichen Balkans entfliehen möchten. Entsprechend sollen nach Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina auch Albanien, Montenegro und Kosovo zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Die Folge: Asylverfahren würden verkürzt ablaufen. Im Gegenzug allerdings, und das ist neu, liegen Pläne auf dem Tisch, Menschen aus diesen sechs Ländern die Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt deutlich zu erleichtern. Dies müsste verbunden werden mit dem Aufbau von Anwerbebüros, die über die fachlichen Voraussetzungen und rechtlichen Bedingungen aufklären. Außerdem wird zwischen Bund und Ländern offenbar darüber gesprochen, für die Sinti und Roma in den Westbalkanstaaten ein spezielles Hilfsprogramm aufzulegen.

Können die Länder die Schuldenbremse einhalten?

Es gibt Länder, deren Haushaltslage so gut ist, dass sie auch mit den Kosten für die Flüchtlinge von 2020 an ohne neue Schulden auskommen. Wenn die Prognosen über die Zahl der Flüchtlinge stimmen, werden es aber wenige sein. Es sei denn, der Bund übernimmt die Kosten als nationale Aufgabe. Dann jedoch ist die schwarze Null im Bundeshaushalt gefährdet.

Kommt die Gesundheitskarte?

Kommt die Gesundheitskarte?

Die Einführung einer Gesundheitskarte für Asylbewerber ist noch stark umstritten. Der Vorstand der Unionsfraktion hat sich erst Anfang September deutlich gegen eine solche Karte ausgesprochen. In dem Beschluss heißt es, angesichts der hohen Zahl an Asylbewerbern wolle die Unionsfraktion "jeden weiteren Anreiz, nach Deutschland zu kommen, vermeiden". Asylbewerber, die akut erkrankt seien oder unter Schmerzen litten, würden schon jetzt versorgt. Die von mehreren Bundesländern verlangte Einführung einer Gesundheitskarte wäre dagegen ein "falsches Signal". Eine solche Karte sei ein "erheblicher Anreiz für einen Asylantrag".

Trotz des Widerstands der Unionsfraktion dürfte die Karte kommen. Das liegt nicht nur daran, dass sie vom Koalitionspartner SPD gefordert wird. Auch die meisten Kommunen befürworten sie, weil die Karte den Verwaltungsaufwand für die Behandlung der Flüchtlinge reduzieren würde. Vor allem aber braucht die Bundesregierung ein Angebot an die Grünen. Wegen der vielen rot-grünen Landesregierungen können die Grünen einige geplante Änderungen in der Länderkammer blockieren.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat bereits einen Gesetzentwurf zu der Karte vorgelegt. Er sieht vor, dass den Ländern die Einführung einer Gesundheitskarte erleichtert wird, es aber keine bundeseinheitliche Regelung geben soll. Dafür könnten die Leistungen etwas erweitert werden, zum Beispiel beim Impfschutz oder bei der Traumabehandlung.

Wie werden private Spender behandelt?

Das Bundesfinanzministerium will Bürger, Unternehmen, Initiativen und Organisationen, die privat für Flüchtlinge spenden wollen, steuerlich begünstigen. Als Spendennachweis genügt auch ein Bareinzahlungsbeleg, ein Kontoauszug oder der PC-Ausdruck. Alle gemeinnützigen Organisationen dürfen unabhängig von ihren Satzungszwecken Spenden für Flüchtlinge sammeln. Diese und weitere Erleichterungen sollen bis 31. Dezember 2016 gelten.

Ist Frank-Jürgen Weise jetzt der Chefkoordinator der Krise?

So sieht es aus. Auch wenn der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit nicht so genannt wird und auch nicht Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) werden darf - das Gesetz erlaubt es nicht, beide Jobs hauptamtlich zu bekleiden. Also wird Weise ehrenamtlich arbeiten, aber faktisch die Oberhoheit über die Neuaufstellung des Bamf behalten.

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