Treffen in Südrussland:Vertraute Gegner

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Putin und Erdoğan stehen in Syrien auf gegnerischen Seiten, haben sich zuletzt aber stets abgesprochen. Am Dienstag ringen sie in Sotschi erneut um den Einfluss in Nordsyrien. Einen militärischen Konflikt möchten sie vermeiden.

Von Silke Bigalke

Mehr als sechs Stunden lang hatten sie gesprochen, es seien "ernste Verhandlungen" gewesen, sagte Wladimir Putin im Anschluss, um Lösungen in einer "sehr angespannten Situation" zu finden. Der russische Präsident hatte mit Recep Tayyip Erdoğan über den umkämpften Norden Syriens gesprochen. Er und der türkischen Präsidenten einigten sich darauf, die Waffenpause um 150 Stunden, also um etwa sechs Tage, zu verlängern. Sie diskutierten, wie es danach weitergehen sollte in der Sicherheitszone, die sich Erdoğan an der Grenze zur Türkei gewünscht hatte. Die Details allerdings ließen sie später von ihren Außenministern vortragen.

Putin war es wichtiger, seine langfristigen Ziele in Syrien zu betonen: Er wolle die Souveränität und territoriale Unversehrtheit des Landes bewahren, das hatte er schon früher betont. Für ihn heißt das prinzipiell: keine ausländischen Truppen auf syrischem Boden. Ausgenommen sind davon russische und iranische Kräfte, die der syrische Machthaber Baschar al-Assad eingeladen hatte. "Das ist unsere prinzipielle Position und darüber haben wir ausführlich gesprochen", sagte Putin, als er neben Erdoğan vor der Presse stand.

Der wollte an dieser Formulierung nicht rütteln. Souveränität für Syrien sei es, was auch er erreichen wolle, so Erdoğan, die Türkei wolle keinen Boden dazugewinnen. Trotzdem werden die türkischen Truppen zunächst nicht aus dem Norden des Landes verschwinden. Nach Ablauf der Waffenpause werden sie in einem zehn Kilometer breiten Streifen gemeinsam mit russischen Truppen an der türkischen Grenze patrouillieren. In dem Gebiet, in das die Türkei bereits einmarschiert ist, darf sie sogar bis zu 32 Kilometer tief in Syrien bleiben. Das Ziel sei, terroristische Organisationen von dort zu vertreiben, so Erdoğan. Er meint vor allem kurdische Milizen.

Die beiden Präsidenten, die in Sotschi nun betont freundlich übereinander sprachen, stehen in Syrien eigentlich auf gegnerischen Seiten. Sie haben sich zuletzt aber stets abgesprochen. Erdoğan hat jene Kräfte unterstützt, die Diktator Baschar al-Assad stürzen wollten. Putin dagegen unterstützte Assad und sicherte dessen Macht. Nun möchte er das Land wieder völlig unter Kontrolle der syrischen Armee bringen, auch die Grenze zur Türkei. Putin kennt Erdoğans Wunsch nach einer Sicherheitszone dort längst. Vor dem Treffen in Sotschi hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow daher wiederholt auf ein Abkommen hingewiesen, das 1998 im türkischen Adana geschlossen wurde: Es erlaubt der Türkei, kurdische Terroristen bis nach Syrien zu verfolgen, sieht aber keine Stationierung türkischer Soldaten vor. In Sotschi einigte man sich auch darauf, an diesem Abkommen festzuhalten.

Insofern ist Putin einen Schritt auf Erdoğan zugegangen, indem er dessen Truppen vorerst in der Sicherheitszone duldet. Einen militärischen Zusammenstoß möchten beide Seiten vermeiden, längst gibt es Kontakte zwischen türkischem und syrischem Militär, Russland vermittelt. Eine langfristige Lösung steht aber weiterhin aus, auch für die Flüchtlinge, die Erdoğan nach Syrien zurückschicken möchte. Putin möchte das Land unter Assads Kontrolle wieder fest in der Region verankern. Mit Erdoğan und dem iranischen Präsidenten hat er sich auf ein Komitee geeinigt, das Syrien eine neue Verfassung geben soll. Beide Präsidenten haben sich in Sotschi erneut dazu bekannt.

© SZ vom 23.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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