Treffen in Südkorea:G 20 - pazifische Rivalen

Zwei Jahre nach dem Kollaps der Weltfinanzmärkte ist die Dringlichkeit verschwunden, die zu schnellen Ergebnissen geführt hatte. Jetzt zerfallen die G 20. Nationalismus und Protektionismus sind stärker als der Krisendruck - vor allem Amerikas Bindekraft verpufft.

Stefan Kornelius

Speed-Dating soll ja nach einem einfachen Gesetz funktionieren: Entweder man mag sich, oder man mag sich nicht. Die Beziehungsforschung weiß, dass sich die Verträglichkeit der menschlichen Chemie innerhalb von Sekunden erweist. Man kann sich riechen, oder man kann sich nicht riechen - das jedenfalls lässt sich in kurzer Zeit feststellen. Mehr braucht es also nicht, um mit einem Menschen in Kontakt zu kommen.

Treffen in Südkorea: Große Gipfelei in Seoul: Die G 20 treffen sich - und es ist fast wie beim Speed-Dating. Wegen der schnellen Abfolge von Gesprächen, Fototerminen und Diskussionen in großer Runde.

Große Gipfelei in Seoul: Die G 20 treffen sich - und es ist fast wie beim Speed-Dating. Wegen der schnellen Abfolge von Gesprächen, Fototerminen und Diskussionen in großer Runde.

(Foto: AFP)

Die Welt der politischen Gipfeltreffen funktioniert in etwa wie Speed-Dating - eine schnelle Abfolge von Gesprächen und Fototerminen, ein paar Diskussionen in großer Runde, ein Essen. Beziehungspflege im Eiltempo, vorbereitet von Abteilungsleitern, Staatssekretären und Ministern in nicht minder komplex ablaufenden Vor- und Vorvortreffen. Abgesichert von einem Wust an Papieren, Memoranden, Absichtserklärungen - alle geschrieben in der Absicht, die Beziehungsfähigkeit des anderen zu testen und die chemischen Komponenten vorab abzugleichen.

Gipfeltreffen haben einen großen Vorteil, aber auch einen Nachteil im Vergleich zu Speed-Dating in der Kneipe. Der Vorteil: Die Partner kommen nicht ganz unvorbereitet zusammen. Sie bemühen sich, Emotionen zu zügeln und zu rationalisieren. Allerdings haben sie auch keine Alternative zu ihrem Paar-Gespräch: Die Auswahl an potentiellen Partnern ist begrenzt, es gibt nun mal nur knapp zwei Dutzend Staaten auf der Erde, die sich ihre Verträglichkeit beweisen müssen, wenn das Räderwerk der internationalen Beziehungen und der Weltwirtschaft laufen soll. Klappt die Anbandelung nicht, dann lässt sich die Niederlage auch nicht verheimlichen.

Wenn nun Barack Obama nach seiner Asia-Woche eine Bilanz der Beziehungsarbeit seiner Regierung zieht, dann sollte ihm das Ergebnis Anlass zur Sorge sein. Nach zwei Großgipfeln und wichtigen direkten Werbeversuchen in Indien, Indonesien, Korea und Japan bleibt der amerikanische Präsident ein einsamer Freier. Der Junge aus Hawaii, aufgewachsen in Jakarta, gepriesen als erster wahrhaft pazifischer Präsident der USA, wurde zurückgewiesen. Eine Woche nach dem innenpolitischen Debakel bei den Zwischenwahlen zum Kongress ist nun auch der Machtverlust in der amerikanischen Außenpolitik messbar. Selbst auf seinem ureigenen Spielplatz, der internationalen Politik, findet der US-Präsident keine Entlastung mehr. Barack Obama steckt in einer tiefen Krise, die USA erleben einen außergewöhnlichen Verfall ihrer Autorität und damit ihrer Macht.

Der Wohlstands-Konflikt

Die Welt hat in der vergangenen Dekade wahrlich genug Krisen erlebt - ausgelöst durch Terror, durch Kriege, durch Fanatismus. Die vergangenen Jahre aber gehorchten dem Rhythmus der Märkte, die sich unkontrolliert Bahn brachen und in ihrer globalisierten Verflechtung eine zerstörerische Kraft entfalteten, die an die Urängste aller Menschen rührte: der Sorge um die eigene Existenz, der Angst um Aufstieg und vor Absturz, der Furcht um Arbeit, Brot und Haus.

In ihren Bemühungen, diese Ängste zu bannen, hat die internationale Gemeinschaft unmittelbar nach dem Kollaps der Finanzmärkte eine bemerkenswerte Geschlossenheit entwickelt und erkannt, dass die herkömmlichen Institutionen der internationalen Beziehungen - die Vereinten Nationen und die Gemeinschaft der acht westlich geprägten industrialisierten Nationen - nicht stark genug waren, um die Probleme zu lösen. So entstand die Gruppe der 20, die vor allem den schnell wachsenden Schwellenländern eine Plattform bot, diese Länder aber auch in die Pflicht zur Zusammenarbeit nahm. Bei alledem blieb die amerikanische Führungsrolle in der internationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik zunächst unangefochten.

Innen gelähmt, außen lahm

Zwei Jahre nach dem Kollaps der Finanzmärkte ist die Dringlichkeit verschwunden, die alle Arbeit der G20 ursprünglich gekennzeichnet hat und die zu bemerkenswert schnellen Ergebnissen geführt hatte. Jetzt zerfällt die Gruppe. Nationalismus und Protektionismus sind stärker als der gemeinsam empfundene Krisendruck.

Barack Obama

Barack Obama hat es auch auf der internationalen Bühne nicht leicht - die Kraft der USA schwindet.

(Foto: AP)

Vor allem aber ist Amerikas Bindekraft geschwunden. Die Regierung in Washington wird absorbiert von innenpolitischen Problemen, geschwächt durch die nun verschobenen Mehrheiten im Kongress, sie steht unter dem Druck der eigenen, linken und gewerkschaftlich denkenden Klientel. Diese Schraubstock-Position lähmt Präsident Obama, sie führt beispielsweise dazu, dass ein Freihandelsabkommen der USA mit Südkorea nicht unterschrieben werden kann - der amerikanische Präsident würde weder im Kongress noch bei den protektionistischen Gewerkschaften Unterstützung finden.

Amerikas innere Reformunfähigkeit wirkt sich nun also aus auf die Attraktivität des Landes als Partner und Leitnation. Obama hätte zu Beginn seiner Reise in Indien mehr Zustimmung zu seinen Avancen erwartet, in Indonesien allemal. Chinas hegemoniale Zuckungen in den vergangenen Monaten - besonders zu beobachten beim Inselstreit mit Japan und beim Konflikt um den Export von Seltenen Erden - hätten zu einer natürlichen Gegenbewegung der Pazifik-Anrainer führen müssen. US-Außenministerin Hillary Clinton hat in fast schon plumper Direktheit Amerikas "Vermittlerdienste" in den Grenzstreitigkeiten angeboten. In Zeiten des Kalten Krieges hätte man von Blockbildung gesprochen.

Aber das böse Wort vom Containment, der politischen, ökonomischen und auch militärischen Eindämmung, verfängt nicht im geografischen Spannungsraum zwischen den USA und China. Indien scheut den geopolitischen Konflikt mit China, selbst Japan wird im Währungsstreit die Seite Washingtons nicht teilen können. Die Staaten Asiens fechten ihre Rivalitäten mit geschlossenem Visier aus. Wer Staatenbündnisse mit verbindlichen Regeln und gar Apparaten scheut, der wird erst recht der aggressiven Konfrontation aus dem Weg gehen.

Die neue Rivalität zwischen den USA und China entfaltet erst noch ihren Bann, noch spaltet der Währungskonflikt die Welt nach immer neuen Mustern. Plötzlich findet sich Deutschland gemeinsam mit China auf der Bank der Kläger, auf der anderen Seite deuten die USA auf die Wirtschafts-Champions und verlangen, dass die Exportkraft künstlich gebremst werden müsse - eine zutiefst unamerikanische Idee.

Die G 20 sind kein Bündnis der Gleichgesinnten. Die Gruppe wird vom nackten Interesse um die Maximierung nationaler Vorteile getragen. Ist der Leidensdruck nicht hoch genug und das nationale Interesse nicht offenkundig, dann zerfällt die Gemeinschaft und bietet lediglich die Bühne für die Rivalität im Zentrum der neuen Weltordnung: die Auseinandersetzung zwischen China und den USA um Märkte und Einflusszonen. Der Gipfel in Seoul hat da nur einen Vorgeschmack gegeben. Die USA, aber auch ihre alten Verbündeten wie Deutschland haben gezeigt, dass sie auf den pazifischen Konflikt nicht vorbereitet sind.

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