Treffen in Moskau:Russland gewährt Ukraine Milliardenkredit

Trotz des Widerstands in der Ukraine hat Präsident Viktor Janukowitsch eine engere Zusammenarbeit mit Moskau besiegelt. Die inhaftierte Oppositionelle Julia Timoschenko warnt, dies könne der Anfang vom Ende der Unabhängigkeit ihres Landes sein - und verlangt vom Westen Sanktionen.

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch vertieft die Zusammenarbeit seines Landes mit Russland - trotz der Widerstände im eigenen Land. Bei einem Treffen mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin einigten sich die beiden Spitzenpolitiker auf niedrigere Preise für russisches Gas sowie die Gewährung eines Milliardenkredits.

Die Ukraine zahle künftig nur noch 268,50 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas, sagte Kremlchef Putin der Agentur Interfax zufolge nach dem Treffen am Dienstag in Moskau. Er sprach allerdings von einem vorübergehenden Schritt, ohne dies genauer zu erläutern.

Zugleich gewährt Russland der nahezu bankrotten Ukraine einen neuen Kredit über 15 Milliarden US-Dollar (etwa elf Milliarden Euro). Das Geld stamme aus einem Staatsfonds, sagte Putin nach Angaben der Agentur Itar-Tass. Vor der Zusammenkunft hatte er die Ukraine "einen unserer strategischen Partner" genannt.

Schon vor dem Treffen der beiden Staatschefs hatte die inhaftierte ukrainische Oppositionelle Julia Timoschenko vor einem solchen Pakt ihres Landes mit Moskau gewarnt. "Mit Russland werden wir alles verlieren, was wir haben", teilte sie dem Magazin Stern in einem schriftlich geführten Interview mit. Die von Janukowitsch angestrebte Annäherung an Moskau könne "der Anfang vom Ende unserer Unabhängigkeit" sein.

Klitschko appelliert an Steinmeier

Außerdem forderte sie, der Westen müsse gegen Janukowitsch und sein Umfeld vorgehen. Sie verlangte Reiseverbote und das Einfrieren von Auslandskonten für den Präsidenten, seine Familie sowie Vertreter der Regierung und des Machtapparats. Zudem solle eine Expertengruppe aus Diplomaten, Ermittlern und Journalisten die "korrupten Machenschaften des Janukowitsch-Clans" untersuchen. Die endlosen Gespräche hätten keinen Sinn. "Man muss handeln!", forderte sie - eine Ansicht, die offenbar nicht von allen Oppositionellen geteilt wird.

So bat Oppositionspolitiker Vitali Klitschko den neuen deutschen Außenminister, Frank-Walter Steinmeier (SPD), um Vermittlung zwischen den Konfliktparteien in Kiew. "Es wäre ein großartiges Zeichen, wenn Herr Steinmeier auf einer seiner ersten Reisen nach Kiew kommen würde, um auf dem Maidan zu sprechen", schrieb Klitschko in der Bild-Zeitung. Steinmeier "wäre der richtige Vermittler in dieser schwierigen Situation".

Der SPD-Politiker reagierte prompt und kündigte an, am Donnerstag nach Polen zu reisen, um dort über die Hilfen für die benachbarte Ukraine zu beraten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel will eine Konfrontation zwischen der EU und Russland über die künftige Ausrichtung der Ukraine vermeiden. "Ich glaube, ein Bieterwettbewerb wird das Problem nicht lösen", sagte sie am Dienstagabend in der ARD-Sendung "Farbe bekennen". Nötig seien weitere Gespräche der EU und auch Deutschlands mit Russland. Derzeit gehe es für die Ukraine zu sehr um ein Entweder-Oder. "Ich möchte, dass eine unabhängige Ukraine ihre Entscheidungen selbst fällen kann", sagte die Kanzlerin.

Klitschko drohte im Falle der Unterzeichnung von Abkommen zwischen der Regierung in Kiew und Russland mit Massenprotesten neuen Ausmaßes. "Wenn sich Janukowitsch auf einen Deal mit Russland einlässt, werden wir mit unseren Demonstrationen das ganze Land lahmlegen", hieß es in dem Gastbeitrag Klitschkos.

Der prorussische Kurs und Kiews Verzicht auf eine EU-Partnerschaft sind die Auslöser für die seit Wochen andauernden Proteste ukrainischer Regierungsgegner, die weiterhin im Zentrum von Kiew für einen prowestlichen Kurs ihres Landes demonstrieren. Russland versucht, seinen Nachbarn zur Mitarbeit in einer Zollunion und späteren Eurasischen Wirtschaftsunion zu bewegen. Kritiker werfen Russland vor, eine Konkurrenz zur EU nach dem Vorbild der früheren Sowjetunion aufzubauen.

Weltmeister im Ruhestand

Als Chef der Oppositionspartei Udar hat sich Vitali Klitschko unterdessen für die ukrainische Politik und damit gegen eine Fortsetzung seiner Boxerkarriere entschieden - vorerst. Weil er wegen der politischen Verpflichtungen in seiner ukrainischen Heimat derzeit keine Pflichtverteidigung als Champion bestreiten kann, verlieh der Weltboxverband WBC dem 42-Jährigen am Montag statt seines Schwergewichtsweltmeistertitels den Status eines Champion Emeritus, wie aus einer WBC-Mitteilung hervorging.

Der Boxer kann jedoch jederzeit wieder einsteigen. Klitschko selbst erklärte auf seiner Internetseite, er sei "derzeit auf das politische Leben in der Ukraine konzentriert" und habe "das Gefühl, dass mein Volk mich braucht".

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