Treffen der Währungsretter auf Zypern:Schwitzen in Nikosia

Betont entspannt geben sich die Währungsretter von Euro-Gruppe, EU-Kommission und IWF bei ihrem Treffen auf Zypern. Doch die großen Probleme in den krisengebeutelten Mitgliedsländern schwelen ungelöst weiter. Eine zündende Idee um das Wachstum anzukurbeln, tut sich nicht auf. Der IWF zeigt sich immerhin offen, den Griechen mehr Zeit bei ihren Reformen zu geben.

Cerstin Gammelin, Nikosia

Am Freitag, unter der Spätsommersonne Zyperns, fühlte sich die Euro-Krise plötzlich nicht mehr so bedrohlich an. Die Mitarbeiter der Finanzminister aus den 17 Euro-Ländern, die am frühen Morgen schon hinter verschlossenen Türen im Konferenzzentrum der zyprischen Hauptstadt Nikosia über Spanien, Griechenland und all die anderen schuldengeplagten Euro-Länder berieten, nutzten jede kleine Pause, um ein paar Sonnenstrahlen zu ergattern. Wäre Europas Hauptstadt nicht das verregnete Brüssel, sagte einer von ihnen, sondern eine Stadt mit sonnigem Klima, "dann wäre sicher die europäische Politik auch ein wenig entspannter".

European Union Economic and Financial Affairs Council (ECOFIN) me

Christine Lagarde, Präsidentin des Internationalen Währungsfonds IWF, und Bundesfinanzminister Schäuble beim Treffen in Nikosia.

(Foto: dpa)

Betont entspannt traten später am Mittag auch die prominenten Euro-Retter vor die Presse. Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, Chef der Euro-Gruppe, vermeldete "spürbare" Fortschritte im Kampf gegen die Krise. Christine Lagarde, Präsidentin des Internationalen Währungsfonds IWF, erklärte mit Blick auf die Situation in Portugal und Irland, "die Euro-Zone hat Erfolgsgeschichten zu erzählen".

Der Finne Olli Rehn, EU-Wirtschafts- und Währungskommissar, sprach von "einer sehr guten Woche für den Euro". Deutschland habe den Weg frei gemacht für den Euro-Rettungsschirm ESM, Brüssel eine zentrale Bankenaufsicht vorgeschlagen. Und die Zinsen für spanische Staatsanleihen seien gesunken - auch dank der Ankündigung von Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, unter bestimmten Voraussetzungen Staatsanleihen aufzukaufen, um die Zinsen niedrig zu halten.

Draghi nickte dazu - und gab das Wort weiter an den Fünften in der Runde der Euro-Prominenz, Klaus Regling. Und auch der deutsche Chef des Euro-Rettungsfonds ESM beschränkte sich auf eine positive Botschaft: Vom 8. Oktober an werde der Fonds arbeitsfähig sein, und zwar vollständig.

Arbeitslosigkeit weiter größtes Problem

Noch im Oktober würden alle Anteilseigner des ESM, also alle 17 Euro-Staaten insgesamt, 16 Milliarden Euro an den ESM überweisen, um wie vereinbart den Kapitalstock des Fonds von 80 Milliarden Euro aufzubauen. Woher Staaten wie Griechenland, Portugal oder Irland diese Milliarden nehmen, blieb allerdings offen. Wie vieles andere auch.

Denn trotz der verbalen Entspannungsoffensive war schnell klar, dass die großen Probleme in den klammen Euro-Ländern weiter ungelöst vor sich hin schwelen. Die Menschen verlieren weiterhin Jobs, die Jugendarbeitslosigkeit liegt in einigen Regionen bei mehr als 50 Prozent - und vor allem hat bisher keiner zündende Ideen, um das Wachstum anzukurbeln. Was dazu führt, dass die Euro-Retter zwar ihre Loblieder über Länder wie Portugal und Irland singen, die alle Verpflichtungen zum Sparen und Reformieren erfüllen - und trotzdem auch dort weitere Zugeständnisse machen müssen, weil die Krise eben weiter zu spüren ist.

Große Sorgen um Griechenland

In Portugal ist die Regierung in eine tiefe politische Krise geschlittert, weil sie ohne jede Vorankündigung den Bürgern weitere Sparrunden zumutete. Zwar exportiert das Land wieder mehr Güter, allerdings kaufen die Portugiesen selbst kaum noch ein, sodass weitere Jobs verloren gehen und die Einnahmen wegbrechen. Die Euro-Länder räumten Portugal deshalb ein Jahr mehr Zeit ein, um die Sparziele zu erreichen.

In Irland sieht es ähnlich aus. Zwar gibt es keine politische Krise, allerdings ächzt die Regierung noch immer unter der Last der staatlichen Milliarden-Beihilfen, mit denen sie vor zwei Jahren einige Banken vor der Pleite rettete. Deshalb verhandelt Dublin mit den Euro-Ländern , diese Schulden umzuschichten - und möglicherweise neue Kredite zu beantragen.

Nach den Beratungen am Freitag stand allerdings ein weiteres Mal fest: Das größte Problem bleibt Griechenland. Schafft es das Land, die Verpflichtungen zu erfüllen, unter denen es bereits zwei Hilfspakete bekommen hat? Seit Anfang Juli prüfen die Experten der Troika, also der Geldgeber von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF schon die Lage vor Ort, aber noch immer liegt kein gemeinsamer Bericht vor. Die Geldgeber sind sich uneins.

Einen Tag vor dem Treffen verlautete vom Sitz des IWF in Washington, es sei eine gute Idee, darüber nachzudenken, den Griechen mehr Zeit zu geben. Damit schlug der IWF überraschend einen anderen Kurs als die Euro-Länder ein. Deren Credo lautet: Zuerst müssen die Griechen bestätigen, dass sie alle Versprechen erfüllen. Dann müssen sie die Versprechen in die Realität umsetzen. Dann erst könne man vielleicht über Zugeständnisse reden.

Spanien will neues Sparpaket vorlegen

Die Ankündigung aus Washington brachte IWF-Präsidentin Lagarde in Nikosia in die für sie ungewohnte Lage, im Ungefähren bleiben zu müssen, schließlich wollte sie ihre Kollegen aus der Euro-Zone nicht düpieren. Auf die Frage, ob Griechenland auf gutem Weg sei, seine Staatsschulden bis 2020 auf 120 des Bruttosozialproduktes zu reduzieren, antwortete sie: "Es ist zu früh, das zu sagen." Es sei womöglich wichtig, noch einmal über den Zeitplan zu reden. Die Frage, was passiere, wenn Griechenland die Vorgaben nicht einhalte, beantwortete dann nicht mehr Lagarde, sondern Jean-Claude Juncker:

"Wissen Sie", beschied er den Frager, "wenn der Esel eine Katze wäre, säße er jeden Tag in der Baumkrone." Er hoffe, dass der Troika-Bericht in den nächsten Tagen vorliege, spätestens Anfang Oktober, und dass dann Ende Oktober endlich politische Entscheidungen getroffen werden könnten.

Wesentlich konkreter hörte sich der spanische Finanzminister Luis de Guindos an. Er kündigte an, seine Regierung werde Ende September ein weiteres Sparpaket vorlegen - mit konkreten Maßnahmen und Zeitplänen. Details nannte er nicht, diese wolle er zuerst den Bürgern mitteilen. Und er stellte klar: Madrid werde keinesfalls komplett unter den ESM schlüpfen. Das bedeutet nicht, dass Spanien keine Hilfen beantragen wird.

Teilnehmer bestätigen, dass die Minister in Nikosia zwei Stunden lang beraten hätten, wie Spanien geholfen werden könne. Zwar wurde nichts beschlossen, aber "ein gangbarer Weg gefunden".

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