Treffen der Nato-Außenminister:Nato legt Beziehungen zu Russland auf Eis

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Die Nato stärkt die Kooperation mit Georgien in einer neuen Kommission, bricht die Zusammenarbeit mit Moskau im Nato-Russland-Rat ab - und verärgert so den Kreml.

Als Reaktion auf den jüngsten Kaukasus-Konflikt will die Nato ihre Zusammenarbeit mit Georgien vertiefen. Die Außenminister der 26 Nato-Staaten verständigten sich in Brüssel auf die Einrichtung einer permanenten Nato-Georgien-Kommission. Damit wird die Kooperation der westlichen Militärallianz mit der ehemaligen Sowjetrepublik institutionalisiert. Das Bündnis will zudem beim Wiederaufbau von Infrastruktur helfen.

Jaap de Hoop Scheffer nach einem Krisentreffen der Nato-Außenminister: "Wir werden nicht alle Kommunikationsmöglichkeiten mit Russland abschneiden." (Foto: Foto: dpa)

Dem neuen Gremium wird vor allem symbolische Bedeutung beigemessen, um Georgien im Konflikt mit Russland zu stärken.

Eine vergleichbare Institution gibt es bislang nur für die Zusammenarbeit der Nato mit Moskau: den Nato-Russland-Rat. Dass Georgien nun praktisch mit Russland auf eine Stufe gestellt wird, ist die Antwort der Nato auf den Krieg zwischen den beiden Nachbarstaaten. Für die Einrichtung der Nato-Georgien-Kommission hatte sich vor allem die US-Regierung stark gemacht.

Die Zusammenarbeit mit Russland wird die Nato vorerst jedoch nicht fortsetzen. "Solange die russischen Truppen Georgien praktisch besetzt halten, kann ich nicht sehen, wie wir den Nato-Russland-Rat einberufen können", sagte Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer nach einem Krisentreffen der Nato-Außenminister.

Damit seien vorerst nicht nur Treffen auf Ministerebene, sondern auch auf Botschafterebene ausgesetzt. Die Zukunft der Beziehungen liege nun in den Händen der russischen Regierung. "Aber wir werden nicht alle Kommunikationsmöglichkeiten mit Russland abschneiden", versicherte er.

US-Außenministerin Condoleezza Rice sprach von "einem starken Signal, dass wir es nicht dulden werden, dass eine neue Trennungslinie durch Europa gezogen wird zwischen jenen, die Glück hatten, in die Nato zu kommen, und jenen, die das nicht schafften".

Der russische Präsident Dmitrij Medwedjew müsse dafür sorgen, dass der von ihm versprochene Abzug der russischen Truppen aus Georgien auch tatsächlich erfolge. "Die USA haben keine Absicht, Russland zu isolieren", sagte sie. Russland isoliere sich durch sein Handeln selbst.

Die Minister seien sich nach den Worten De Hoop Scheffers darüber einig gewesen, "dass wir nicht so tun können, als sei nichts passiert". In einer gemeinsamen Erklärung der Minister heißt es: "Wir fordern Moskau auf, in Worten und Taten zu zeigen, dass es sich nach wie vor jenen Prinzipien verpflichtet fühlt, auf denen wir unsere Zusammenarbeit aufgebaut haben." Die Nato forderte Russland zum sofortigen Abzug aus Georgien auf. Dies sei bislang trotz der Zustimmung der russischen Regierung zum Waffenstillstandsplan nicht geschehen.

Die Minister bekräftigten das Versprechen, Georgien ebenso wie die Ukraine zu einem späteren Zeitpunkt in das Bündnis aufzunehmen.

Steinmeier: "Nato-Russland-Rat kein Schönwettergremium"

Deutschland hatte sich Diplomaten zufolge zunächst skeptisch gezeigt, ob eine weitere Institution nötig sei.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die Nato aufgefordert, den Kontakt zu Russland nicht auf Dauer abreißen zu lassen. Der Beschluss der Außenminister, bis zum Abzug der russischen Truppen aus Georgien den Nato-Russland-Rat nicht mehr einzuberufen habe gezeigt, dass die Nato "zu einer gemeinsamen Antwort in der Lage ist". Sie sei auch "bereit, angemessen und vernünftig in einer Weise zu handeln, die mehr Stabilität in der Region ermöglicht."

Steinmeier sagte, er hoffe darauf, dass der Nato-Russland-Rat nach dem Abzug der russischen Truppen rasch wieder einberufen werde. "In meinem Verständnis ist der Nato-Russland-Rat kein Schönwettergremium. Er wird gerade gebraucht, wenn wir uns in schwierigem Fahrwasser befinden."

Nach den Ereignissen in Georgien müsse die Nato intensiv miteinander und auch mit Russland über das künftige Verhältnis zwischen dem Bündnis und Moskau reden. "Der Konflikt ist klar, erste Antworten sind gegeben. Aber dies ist weder das Ende des Konflikts noch das Ende der Diskussion innerhalb der Nato."

Der britische Außenminister David Miliband hat das russische Vorgehen gegen Georgien in ungewöhnlich scharfen Worten verurteilt. In einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung nannte er die Aktionen Russlands "untragbar".

Moskau habe eklatant die Souveränität eines benachbarten und demokratischen Staates verletzt, obwohl es sonst immer gegen Einmischung in die innere Angelegenheiten souveräner Staaten argumentiere.

Die militärische Antwort auf Georgiens auf südossetische Provokationen bezeichnete Miliband als russischen "Vorwand für einen massiven Angriff in Südossetien und über dessen Grenzen hinaus". Zur russischen Behauptung, es habe nur auf georgische Kriegsverbrechen reagiert, schreibt der britische Außenminister: "Beweise für Kriegsverbrechen konnte Russland bisher nicht vorlegen."

Scharfe Kritik aus Moskau

Russland hat mit scharfer Kritik an der Nato auf die Entscheidung des Bündnisses reagiert, die weitere Zusammenarbeit mit Moskau von einem Abzug der russischen Truppen aus Georgien abhängig zu machen.

Die Nato verfolge eine antirussische Politik und unterstütze ein aggressives Georgien, sagte Außenminister Sergej Lawrow vor Journalisten. Er betonte, Moskau halte Georgien nicht besetzt und habe keine Pläne, die abtrünnigen georgischen Regionen Südossetien und Abchasien zu annektieren. Lawrow legte nahe, die Nato behandle Russland wie ein Kind, das diszipliniert werden müsse.

Die russische Marine hat die Beteiligung an einem Nato-Manöver in der Ostsee abgesagt. Russische Minensuchboote würden nicht an dem internationalen Manöver "Open Spirit 2008" teilnehmen, sagte Marinesprecher Igor Digalo der Nachrichtenagentur AFP.

Zudem werde die US-Fregatte USS Ford Anfang September entgegen den ursprünglichen Planungen nicht in den Hafen Petropawlowsk-Kamtschatski im Osten Russlands einlaufen können.

Unterdessen will sich der UN-Flüchtlingskommissar António Guterres auf einer viertägigen Reise durch die Kaukasus-Region ein Bild über die humanitäre Lage in der Region machen. Er sei am Dienstag zu Gesprächen in der georgischen Hauptstadt Tiflis eingetroffen, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) am selben Tag in Genf mit.

Zuvor waren Helfer erstmals in die am stärksten zerstörte georgische Stadt Gori vorgedrungen. UNHCR-Mitarbeiter hätten die Stadt am Sonntag wie verwaist vorgefunden, hieß es. Im Zentrum seien sie auf 50 bis 60 Menschen getroffen, die verzweifelt auf Hilfe warteten. Die Häuser seien zwar nicht so stark zerstört wie angenommen, doch gebe es eindeutige Hinweise auf massive Plünderungen in Wohnungen und Geschäften.

Die Sicherheitslage in der Krisenregion sei anhaltend "schwankend und unvorhersehbar", sagte ein UNHCR-Sprecher. Guterres will den Angaben zufolge mit georgischen und russischen Behörden Hilfsmaßnahmen für die Flüchtlinge in der Krisenregion besprechen und erneut darauf drängen, dass Helfer einen ungehinderten Zugang zu Bedürftigen erlangen.

© AP/Reuters/dpa/AFP/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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